Kamelmilch – gut, gesund und schön macht sie auch noch?

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Kamelmilch

Kamelmilch schmeckt nicht nur hervorragend, sie soll auch gegen Allergien und Diabetes, sogar gegen Krebs und Aids wirken. Zudem wird sie auch in der Kosmetikindustrie eingesetzt. Bloß der nächste Ernährungs- und Wellness-Hype? Seit 2013 ist der europäische Markt jedenfalls offen für das “weiße Gold aus der Wüste” und Kamelmilchprodukte sind in verschiedenster Verarbeitung auch bei uns erhältlich. Unter den Wüstenbewohnern zählt Kamelmilch aber bereits seit mehr als 3000 Jahren als ‚Allheilmittel’ und die Beduinen Arabiens schwören auf die vielfältigen Heilkräfte der Kamelmilch. Was ist dran?


Noch kennt man vermutlich nicht alle möglichen Potentiale von Kamelmilch: Pharma- und Kosmetikindustrie, allen voran aber Unternehmen aus der Nahrungsmittelbranche haben zwar schon vielen Anwendungsmöglichkeiten entdeckt, weitere Forschungen weisen aber unter Umständen auf weitere mögliche Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten hin.

Kameldamen sind kapriziös

Die ‚Erzeugung‘ von Kamelmilch ist seit der zunehmenden Nachfrage aus Europa ein eigener Industriezweig in manchen Gebieten Arabiens geworden. Es gibt riesige Kamelfarmen, doch die Haltung von Kamelen und die Milchgewinnung ist nicht unkompliziert.

Kamelstuten haben wie Kühe vier Zitzen, können – theoretisch – zweimal am Tag gemolken werden, und entsprechende Kamelmelkmaschinen sind an die kleineren, flacheren Kameleuter angepasst.

Doch Kamelstuten sind eigensinnig und nicht so duldsam wie unsere Kühe. Sollte sich eine Kameldame nicht wohlfühlen – und das kann viele Ursachen haben – hört sie auf Milch zu geben.

Um herauszufinden, was der höckerigen Dame nicht passt, ist Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl gefragt. Kamele lassen sich auch nur melken, wenn ihr Kalb zuvor gesäugt wurde. Auch darf bzw. kann nur gemolken werden, wenn das Jungtier während des Melkvorgangs in der Nähe der Mutter bleibt.

Andererseits sind Kamele im Prinzip äußerst widerstandsfähig: während eine Kuh im Wüstenklima nach vier Stunden ohne Wasser schlappmacht, kommt das Kamel dank seiner Fähigkeit, Wasser im Höcker zu speichern, zwei Wochen und länger ohne Wasser aus – und es gibt weiter Milch (wenn es will). Im Vergleich zu mitteleuropäischen Kühen, die täglich zwischen 25 und 40 Liter geben, geben Kamelstuten allerdings maximal sieben Liter pro Tier und Tag. Das erklärt, warum Kamelmilch und Kamelmilchprodukte so wertvoll und teuer sind.

Besser verträglich – auch für Allergiker?

Kamelmilch ist äußerst nahrhaft, enthält fünfmal so viel Vitamin C wie Kuhmilch, dafür kaum Zucker und sie ist nur halb so fett wie ‚unsere’ Milch. Auch ist ihr Vitamin B Anteil sehr hoch, und der Calcium- sowie der Gehalt an anderen Mineralien ist um ein vielfaches höher als bei Kuhmilch.

Zwei Milcheiweiße, die Allergien auslösen können, nämlich Beta-Laktoglubolin und Beta-Kasein, sind in Kamelmilch hingegen nicht enthalten. Für Menschen mit Laktoseintoleranz ist Kamelmilch angeblich auch besser verdaulich.

Doch Allergiespezialisten warnen vor zu hohen Erwartungen: Auch Kamelmilch enthält Allergene, die über die Kreuzreaktivität zu den Kaseinen bei Kuhmilchallergikern Reaktionen auslösen können. Zwar gibt es Studien, die darauf hinweisen, dass solche Reaktionen weniger oft vorkommen als etwa bei Ziegenmilch, die ja auch als Kuhmilchersatz für Allergiker herangezogen werden kann, aber dennoch ist keine endgültige Entwarnung möglich.

Einsatzmöglichkeiten von Kamelmilch

Nahrung

Kamelmilch wird als klassischer Milchersatz herangezogen, kann aber auch zu Milch- und Molkepulver verarbeitet werden und dient so als Grundstoff für Eiscreme, Süßigkeiten und Schokolade. Auch Joghurt und Käse werden auch Kamelmilch hergestellt.

Neben den Möglichkeiten, die Milch zu Essbarem zu verarbeiten, werden auch ihre Einsatzmöglichkeiten in der Kosmetik geschätzt und das ‚weiße Gold‘ zu exklusiven Körperpflegeprodukten verarbeitet.

Kamelmilch schmeckt übrigens leicht salzig und hat einen vollmundigen, cremig-sämigen Geschmack.

Kosmetik

Angeblich wusste ja schon Kleopatra um die wunderbare Wirkung von Kamelmilch. Laut einer Legende badete sie täglich darin, um ihre Haut zu pflegen und weich und zart zu machen.

Doch wie unterscheidet sich Kamelmilch von anderen Milchsorten und warum wird ihr Einsatz gerade in der Körperpflege so geschätzt?

Kamelmilch enthält mehr Milchsäure, die zu der Gruppe von Alpha-Hydroxysäuren (AHAs) gehören, als herkömmliche Kuhmilch. Diese Milchsäure hilft dabei, zarte Fältchen zu glätten und leichte Verfärbungen der Haut auszugleichen, was zu einem schönen Hautbild führt.

Außerdem beinhaltet Kamelmilch die Proteine Kollagen und Elastin, die die Haut straffen und ihre Elastizität stärken. Die Vitamine B und Vitamin C wirken zudem antioxidativ, schützen vor freien Radikalen und fördern die körpereigene Kollagen-Produktion.

Aktuell sind in ausgewählten Drogerien und Kosmetikfachgeschäften vor allem Hautcremen und Badezusätze erhältlich, doch die Nachfrage nach pflegenden Kamelmilchprodukten nimmt zu, und entsprechend ist mit einer Angebotsausweitung zu rechnen.

Wundermittel Kamelmilch?

Die Bandbreite der möglichen Anwendungen von Kamelmilch auch als Heilmittel ist enorm groß. Und dabei geht es nicht nur um den Einsatz bei Laktoseintoleranz und anderen Lebensmittelallergien,.

Kamelmilch sei tatsächlich auch als Heilmittel einsetzbar, meinen überzeugte Konsumenten: so helfe das ‚weiße Gold‘ bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Collitis sowie bei Gallensteinerkrankungen und Gastritis, Leberzirrhose und Speiseröhrenentzündungen. Sogar Neurodermitis und Tuberkulose sowie manche Krebsarten sollen mittels Kamelmilch gelindert werden können.

Fakt ist, dass der hohe Vitamin-C-Gehalt sowie die hohe Anzahl von Immunglobulinen und antibakteriell wirkenden Enzymen in der Kamelmilch eine allgemeine Stärkung des Immunsystems erklären können. Doch ob es darüberhinaus auch ein ‚echtes‘ Heilpotential von Kamelmilch gibt, wurde bisher wissenschaftlich noch nicht bestätigt.

Die gern zitierte Studie der Ben-Gurion-Universität aus dem Jahr 2005 die angeblich bewies, dass mittels Einsatz von Kamelmilch Allergiesymptome bei Kindern gelindert werden konnten, nimmt gerade einmal Bezug auf acht (!) Kinder.

Eine weitere ebenfalls gern zitierte Studie von einem Kamelforschungsinstitut im indischen Bikaner soll beweisen, dass bei der Einnahme von Kamelmilch Diabetes-Typ-1-Patienten ihre Insulindosen drastisch reduzieren konnten. Doch auch diese Studie weist gravierende wissenschaftliche Mängel auf und mache europäische Ärzte meinen gar , dass sie das Papier nicht wert sei, auf denen sie publiziert wurde.

Umfassende klinische Studien zum Thema ‚Heilkraft Kamelmilch’ fehlen (schlichtweg) noch, und die enorme Breite an möglichen Anwendungen sowie die Vielzahl an Heilsversprechen sollten und müssen hinterfragt werden. Solange diese klinischen Studien nicht existieren, sind Kamelmilchprodukte aber jedenfalls und zumindest eine exotische Bereicherung des europäischen Lebensmittelmarktes.

Milchmixgetränke, Schokolade und Eiscreme aus Kamelmilch sind zwar möglicherweise bekömmlicher als vergleichbare Produkte aus Kuhmilch (zumindest für manche Kuhmilchallergiker), doch die in sie gesetzten Heilsversprechen als Wundermittel halten nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht. Und ob neue Untersuchungen andere Ergebnisse liefern ist fraglich. Viel wahrscheinlicher ist es, dass mit der teuren Milch ein neuer Geschäftzzweig für wohlbetuchte Konsumenten mit gesteigertem Körperbewusstsein eröffnet werden soll. Der Versuch ist zwar legitim, unterstützen muss man dies – zumindest in Europa – derzeit nicht, denn die Lieferwege sind enorm und die daraus resultierende Belastung für die Umwelt sind wahrlich entbehrlich.

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Quellen:

¹ Nutritional and Therapeutic Characteristics of Camel Milk in Children: A Systematic Review (Zibaee, Hosseini, ua. Electron Physician. 2015 Nov 20;7(7):1523-8.) PMID: 26767108
² Kamelmilch, Kasachstans Wundermedizin (GEO)

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Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

Linktipps

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– Warum Stutenmilch so gesund ist
– Kuhmilch oder Pflanzenmilch: Wie gut sind Milchersatzprodukte?
– Laktoseintoleranz – Warenangebot
– Was steckt drin in der “länger frisch”-Milch?

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