Geheimnis Geruchssinn

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Geheimnis Geruchssinn

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Durch die Nase atmen wir nicht nur ein und aus, wir nehmen auch Duftstoffe auf, deren Information direkt in bestimmte Gehirnregionen weitergeleitet werden. Dies trägt zur Entstehung von Gefühlen ebenso bei wie zur Bildung bestimmter Hormone.


Der Geruchssinn gilt als ältester der menschlichen Sinne und spielt im täglichen Leben nicht zuletzt wegen seines Zusammenspiels mit dem Geschmackssinn eine größere Rolle als uns zuweilen bewusst ist. Doch auch wenn die Wissenschaft in den letzten Jahren große Fortschritte und erstaunliche Entdeckungen gemacht hat, bleiben viele Rätsel rund um den Riechsinn nach wie vor ungelöst.

Geheimnis Geruchsinn – Artikelübersicht:

Als Riechorgan verfügt die Nase über zahlreiche Sinneszellen, die vom Riechnerv – dem Nervus olfactorius – ausgehen. Damit ist es dem Menschen möglich, etwa 10.000 Gerüche zu unterscheiden.

Die geübte Nase eines Parfumeurs freilich kann bis zu 30.000 unterschiedliche Düfte erkennen. Angesichts der etwa einen Million Düfte, die in der Natur vorkommen und von Lebewesen wahrgenommen werden können, dennoch ein recht bescheidener Wert.

Hinsichtlich des Riechvermögens sind zahlreiche Tierarten dem Menschen überlegen. So haben Messungen ergeben, dass Hunde ein im Vergleich zum Menschen etwa eine Million Mal besseres Riechvermögen besitzen. Während erwachsene Menschen etwa 20 bis 30 Millionen Riechzellen haben, verfügen Hunde je nach Rasse über bis zu 230 Millionen Riechzellen. Mit 85 cm² ist auch die Fläche der Riechschleimhaut bei Hunden im Vergleich zu 2,5 – 5 cm² beim Menschen wesentlich größer.

Video: Wie der Geruchssinn funktioniert

Geruchssinn und Emotionen

Wenngleich dem Geruchssinn gemeinhin weniger Bedeutung zugemessen wird als dem Sehen, Hören oder Tasten, bedeutet sein Fehlen doch eine wesentliche Einbuße an Lebensqualität. Denn während beim Sehen, Hören, Fühlen und Schmecken die Informationen erst durch einen Filter müssen, gelangen Geruchswahrnehmungen unmittelbar ins Gehirn und werden dort in der gleichen Gehirnregion wie Gefühle, Ängste, Vergnügen und Erinnerungen verarbeitet.

Damit greift der Geruchssinn über das limbische System unbewusst auf Stimmung, Sympathien und Antipathien sowie den Sexualtrieb ein. Damit erklärt sich auch, warum Gerüche sofort starke Gefühle in Bezug auf vergangene Ereignisse oder bestimmte Personen hervorrufen können.

Auch bei der Wahl des richtigen Partners orientieren sich Menschen unbewusst an Körperdüften, auch wenn Pheromone – jene flüchtigen Substanzen, die direkt zu Verhaltensänderungen führen – streng definitorisch beim Menschen nicht nachgewiesen worden sind.¹

Geruchsstoffe zur Partnerwahl: Verhaltensbiologen und Osmologen uneins

Fest steht, dass jeder Mensch sich durch ein angeborenes charakteristisches Duftprofil auszeichnet. Spezifische Gewebemerkmale des Organismus prägen dabei den Körpergeruch einer Person. Diese Merkmale sind im sogenannten Haupt-Histokompatibilitätskomplex (Major Histocompatibility Complex, kurz MHC) gebündelt.

Fast jede Zelle des Körpers ist mit diesen MHC-Molekülen verknüpft. Die körpereigenen Duftstoffe bilden ein sogenanntes molekulares Erkennungszeichen und machen dadurch jeden menschlichen Organismus zu etwas Einmaligem.

Manche Geruchsforscher (Osmologen) vermuten, dass Paare mit einem unterschiedlichen MHC reproduktive Vorteile hätten. Der Mensch setzt bestimmte geruchliche Signalstoffe ein, um sich Partner zu suchen, die ihm nicht nah verwandt sind und damit dem Nachwuchs ein besseres Immunsystem mitgeben.

Unter Verhaltensbiologen existiert allerdings auch eine zweite Hypothese, nämlich jene der Homogamie (“gleich und gleich gesellt sich gern”), wonach bei der Partnerwahl eine Ähnlichkeit hinsichtlich physischer Merkmale ausschlaggebend ist, was wiederum einer anderen Annahme widerspricht, nämlich jener der Heterogamie (“Gegensätze ziehen einander an”).

Noch ist nicht klar, wie es sich diesbezüglich im Hinblick auf den Geruchssinn verhält, bzw. ob sich Unterschiede im Immunsystem überhaupt klassifizieren und ob diese Unterschiede sich “erriechen” lassen.

Wissenschaft erzielt Erfolge in der Geruchsforschung

Seitdem die US-amerikanische Neurophysiologin Linda Buck gemeinsam mit ihrem Mentor Richard Axel 1991 jene Riechrezeptoren entdeckte, die für die Wahrnehmung von Gerüchen zuständig sind und damit herausfand, auf welche Weise Menschen in der Lage sind, Tausende verschiedener Geschmacks- und Geruchsstoffe wahrzunehmen und zu differenzieren, hat die bis dahin mit wenig Erkenntnissen aufwartende Geruchsforschung enorme Fortschritte erzielt.

Inzwischen schreitet die Identifizierung jener 350 Geruchsrezeptoren, die wir Menschen besitzen, voran. Außerdem wurde entdeckt, dass nicht nur unsere Nase Geruchsrezeptoren aufweist, sondern dass etwa auch Spermien über solche Rezeptoren verfügen. Spermien setzen diese ein, um den Weg zur Eizelle zu “erschnüffeln”. Mittlerweile sind bereits eine ganze Reihe von Zellen in unserem Körper bekannt, die derartige Riechrezeptoren herstellen.

Auch der Einfluss des Riechens auf den Geschmackssinn ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam konnte erstmals belegen, dass die Wahrnehmung eines Geruches davon abhängig ist, auf welchem Weg der Duftstoff zur Nasenhöhle gelangt. Gelangt ein Duftmolekül nämlich statt durch die Nase durch den Mund zu den Geruchsrezeptoren, reagiert das Gehirn anders.²

Getestet wurde die Rezeption eines Nahrungsmittelduftes (Schokolade), während dabei die Hirnaktivität der freiwilligen Probanden gemessen wurde. Strömte der Schokoladenduft orthonasal – also durch die Nase – ein, so wurden Gehirnregionen aktiviert, die mit Belohnungsverarbeitung assoziiert sind. Nach Vermutung der Forscher signalisiert dieser Weg dem Gehirn, dass Schokolade in unmittelbarer Nähe vorhanden ist.

Kam der Schokoladenduft allerdings aus der retronasalen Richtung über die Mundhöhle, so wurden Gehirnareale aktiv, die eine Belohnungserfüllung melden. Damit wird dem Gehirn suggeriert, dass es sich um den Duft eines Nahrungsmittels handelt, das sich gerade im Mund befindet.

Solche Erkenntnisse tragen dazu bei, Ursachen und Wirkungsweisen von Störungen des Geruchs- wie des Geschmackssinns zu entschlüsseln, um künftig effiziente Therapieformen entwickeln zu können.

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Quellen:

¹ Prof. Karl Grammer, Department für Anthropologie der Uni Wien
² Dana Small, Neuron. 2005 Aug 18;47 (S.593-605.) – John B. Pierce Laboratory and Yale University in New Haven, Connecticut.
³ Riech- und Schmeckstörungen: Informationsseite für Patienten

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