Hängen Übergewicht und ADHS bei Kindern zusammen?

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Hängen Übergewicht und ADHS bei Kindern zusammen?

In den letzten Jahren ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die unter Allergien, starkem Übergewicht oder ADHS leiden so stark gestiegen, das von Volkskrankheiten die Rede ist.


Etwa jedes vierte Kind ist heute von einer der drei Krankheiten betroffen und immer mehr Fällen treten sie sogar gemeinsam auf.

Übergewicht und ADHS – Artikelübersicht:

Epidemiologische Studien aus Deutschland und den USA verfestigen den Verdacht, dass Kinder und Jugendliche mit ADHS ein erhöhtes Risiko für Übergewicht haben.

Forscher der Johns Hopkins University School of Medicine in den USA haben sich nun zur Aufgabe gemacht, die Zusammenhänge zwischen ADHS und Übergewicht bzw. Fettleibigkeit bei Kindern zu erforschen.

Ihre Aufmerksamkeit richtet sich dabei vor allem auf das sogenannte Loss of Control Eating Syndrome (LOC-ES), bei dem Betroffene während des Essens jede Kontrolle über ihr Essverhalten verlieren und häufig zwanghaft weiter essen obwohl sie längst satt sind. Bei Erwachsenen ist dieses Verhalten auch als Binge Eating-Störung bekannt.

ADHS-Kinder haben 12-fach höheres Risiko für Essstörungen

Die Forscher untersuchten 79 Kinder im Alter zwischen 8 und 14 Jahren auf ADHS und LOC-ES und nahmen an neuropsychologischen Testes teil um ihre Impulskontrolle zu messen. Dabei stellten sie fest, dass Kinder, die an ADHS litten, ein 12-fach erhöhtes Risiko haben, ebenfalls an LOC-ES zu leiden. Umgekehrt hatten übergewichtige und fettleibige Kinder, die an LOC-ES litten, ein 7-fach erhöhtes Risiko auch an ADHS zu leiden.

Aus diesen Ergebnissen schließen die Forscher, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden Störungen gibt, dessen zugrundeliegenden Ursachen derzeit noch unerforscht sind. Möglicherweise könnten die ADHS-Kinder unter einer stärkeren Form der Krankheit leiden, die sich auf das unkontrollierte Essverhalten auswirkt. Eine andere Erklärung ist eine genetische Prädisposition zu impulsiven Verhalten, die die Entstehung beider Störungen begünstigt.

Laut der repräsentativen BELLA-Studie in Deutschland, haben Kinder und Jugendliche mit ADHS über alle Altersgruppen (7 bis 17 Jahre) betrachtet ein doppelt so hohes Risiko (OR 2,1) für Übergewicht/Adipositas. Die Daten signalisieren, dass es sinnvoll ist, den Gewichtsstatus von Kindern und Jugendlichen mit ADHS im Rahmen der Diagnostik mitzuerfassen und ebenso übergewichtige, respektive adipöse Kinder und Jugendliche auf das Vorliegen einer ADHS zu untersuchen.¹

Ist Ihr Kind übergewichtig?

Der BMI (Body Mass Index) ist ein guter Indikator ob Ihr Kind bereits als übergewichtig eingestuft wird, oder gefährdet ist. Der sogenannte Body Mass Index (BMI) ist nur eine von mehreren Methoden, die angewendet werden, um das Gewicht einer Person einzuordnen. Der BMI erteilt allerdings schnell Auskunft über das Verhältnis zwischen Körpergewicht und Körpergröße.

Herkömmliche BMI-Rechner eignen sich nicht für Kinder. Soll eine objektive Beurteilung des BMI vorgenommen werden, müssen bei Kindern und Heranwachsenden allerdings noch weitere Parameter – neben dem Alter auch das Geschlecht – berücksichtigt werden.

Die Berechnung erfolgt in sogenannten Perzentilen – ein Maß in der medizinischen Statistik für die Streuung einer statistischen Verteilung, das auf Referenzwerten von Vergleichsgruppen basiert. Einen entsprechenden Rechner finden Sie am Ende des Artikels bei den Quellenangaben.²

Immer mehr Kinder übergewichtig

In Deutschland ist mittlerweile jedes fünfte Kind übergewichtig oder sogar fettleibig. Als übergewichtig gelten Kinder mit einem BMI zwischen 25 und 30. Ab einem BMI von 31 ist von Adipositas (Fettleibigkeit) die Rede. Ein einfacher BMI-Rechner gibt Auskunft darüber, ob das eigene Kind übergewichtig oder fettleibig ist.

Dicke Kinder leiden auf vielfache Weise unter ihrem Gewicht: In der Schule werden sie häufig gehänselt oder sind sogar Mobbing ausgesetzt. Da Sport durch das Übergewicht zur Qual wird (vor allem wenn im Schulsport noch Spott der Mitschüler hinzukommt), ziehen sie sich am liebsten in das eigene Zimmer zurück und verbringen ihre Freizeit lieber im Internet oder bei Computerspielen.

So entsteht wiederum ein Bewegungsmangel, gepaart mit “Trostessen”, der wiederum das Übergewicht begünstigt. Ein Teufelskreis.

Studien ergaben, dass dicke Kinder zumeist auch als Erwachsene noch Probleme mit dem Gewicht haben und überdurchschnittlich häufig von Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten und Krebserkrankungen betroffen sind.

Manche Experten zeichnen das düstere Bild einer Zukunft in der die heute junge Generation früher sterben wird als ihre Eltern. Erst vor einen Tagen erschreckt die Weltgesundheitsorganisation WHO mit einer neuen Studie, wonach bis 2030 mehr als die Hälfte aller Europäer übergewichtig oder adipös sein werden.

Kinder erhalten seltener ADHS-Medikamente

Im Bereich ADHS gibt es auch gute Nachrichten zu vermelden: zum zweiten Mal im Folge ist der Verbrauch an Methylphenidat in Deutschland zurückgegangen. Methylphenidat ist der Wirkstoff des weit verbreiteten Medikamentes Ritalin, das zur Behandlung von ADHS verschrieben wird.

Zwischen 2002 und 2012 hatte sich der Verbrauch verdreifacht. Der Rückgang wird vor allem darauf zurückgeführt, dass die Anwendungsbedingungen ab 2009 stark eingeschränkt wurden. Dazu kam eine laute öffentliche Debatte darüber, ob es sich bei ADHS um eine Mode-Diagnose handele und bei Ritalin um ein praktisches Hilfsmittel laute und schlecht erzogene Kinder ruhig zu stellen.

Den letzten Daten zufolge erhielten etwa sieben Prozent der 11-jährigen Jungen in Deutschland Ritalin und zwei Prozent der gleichaltrigen Mädchen. Bei über 620.000 Kindern und Jugendlichen wurde die Diagnose ADHS gestellt. Mittlerweile werden Kindern daher häufiger Verhaltenstherapien verordnet, mit denen sie eine verbesserte Impulskontrolle lernen.

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Quelle:

¹ Assoziation von ADHS und Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland: Ergebnisse der BELLA-Studie

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

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Fotocredit: Twin Design (© Shutterstock)

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