Adipositas (Fettsucht) bei Kindern – Prävention, Ursachen und Therapie

Adipositas im Kindesalter stellt eine wachsende gesundheitliche Herausforderung dar, die weitreichende Folgen für Körper und Psyche haben kann.
Der Artikel beleuchtet die wichtigsten Ursachen, wirksame Präventionsansätze sowie aktuelle Therapiemöglichkeiten, um betroffenen Kindern frühzeitig zu helfen.
Adipositas bei Kindern – Artikelübersicht:
- Ursachen erkennen – bevor Symptome auftreten
- Diagnostik und Früherkennung
- BMI und Perzentile bei Kindern
- Kinder mit genetischer Adipositas
- Adipositas bei Kindern aus sozial schwachen Familien
- Präventionsprogramme zur Verhinderung von kindlichem Übergewicht
- Behandlung und Therapie
- Fazit
Ursachen erkennen – bevor Symptome auftreten
Adipositas, früher oft als Fettsucht bezeichnet, ist eine chronische Erkrankung, die durch übermäßige Ansammlung von Körperfett charakterisiert wird.
Bei Kindern wird die Diagnose meist über den Body-Mass-Index (BMI) gestellt. Ein BMI über dem 97. Perzentil für Alter und Geschlecht gilt als adipös. Adipositas kann zahlreiche gesundheitliche Risiken nach sich ziehen, darunter Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Schlafapnoe sowie psychosoziale Probleme wie geringes Selbstwertgefühl und Depressionen.
Die Ursachen sind multifaktoriell. Wesentliche Faktoren sind genetische Prädisposition, Umweltbedingungen und individuelles Verhalten.
Ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, übermäßiger Medienkonsum, Schlafdefizit und psychosoziale Belastungen tragen signifikant zur Entstehung von Übergewicht bei Kindern bei.
Diagnostik und Früherkennung
Früherkennung ist entscheidend, da sich kindliche Adipositas oft bis ins Erwachsenenalter fortsetzt.
Etwa 40 % der Kinder mit übergewichtigen Symptomen im siebten Lebensjahr bleiben auch später übergewichtig. Die Diagnostik umfasst neben der BMI-Messung auch die Beurteilung der Körperzusammensetzung, Blutwerte zur Einschätzung metabolischer Risiken sowie die Erfassung des familiären Hintergrunds.
BMI und Perzentile bei Kindern
Der Body-Mass-Index (BMI) ist eine Maßzahl, die das Körpergewicht in Relation zur Körpergröße setzt. Berechnet wird er nach folgender Formel:
BMI = Gewicht (kg) ÷ [Größe (m)]²
Bei Erwachsenen gibt es feste Grenzwerte, etwa BMI über 30 = Adipositas. Bei Kindern funktioniert dies jedoch anders, da sie sich im Wachstum befinden. Deshalb wird der BMI mit sogenannten Perzentilkurven verglichen. Diese Kurven zeigen, wie der BMI eines Kindes im Vergleich zu Gleichaltrigen und gleichgeschlechtlichen Kindern einzuordnen ist.
– Liegt der BMI am 90. Perzentil, bedeutet das: 90 von 100 gleichaltrigen Kindern haben einen niedrigeren BMI.
– Ab dem 90. Perzentil spricht man von Übergewicht.
– Ab dem 97. Perzentil wird Adipositas diagnostiziert.
Beispiel: 8-jähriger Bub
– Größe: 1,30 m
– Gewicht: 36 kg
– Berechnung: 36 ÷ (1,30 × 1,30) = 36 ÷ 1,69 = 21,3
Laut den WHO-Referenzkurven liegt ein 8-jähriger Bub mit einem BMI über etwa 20,5 bereits über dem 97. Perzentil. Das bedeutet: Er hat einen höheren BMI als 97 von 100 gleichaltrigen Buben und gilt somit als adipös.
Kinder mit genetischer Adipositas
Bei circa 5 % der schwer adipösen Kinder liegt eine genetische Ursache vor. Mutationen im Leptin-Melanocortin-Signalweg können zu einer frühkindlich auftretenden, therapieresistenten Adipositas führen. Kinder mit solchen genetischen Varianten zeigen oft einen stark gesteigerten Appetit und ein reduziertes Sättigungsgefühl, was die Behandlung deutlich erschwert.
Adipositas bei Kindern aus sozial schwachen Familien
Kinder aus einkommensschwachen Familien sind signifikant häufiger von Adipositas betroffen. Studien zeigen, dass das Risiko um bis zu 36 % erhöht ist.
Gründe hierfür sind eingeschränkter Zugang zu gesunden Lebensmitteln, weniger Möglichkeiten für körperliche Aktivität, geringere Gesundheitskompetenz der Eltern sowie psychosoziale Belastungen, die ungesundes Essverhalten begünstigen.
Diese Form der Adipositas ist häufig mit frühzeitigen gesundheitlichen Problemen und sozialer Stigmatisierung verbunden.
Präventionsprogramme zur Verhinderung von kindlichem Übergewicht
Präventionsmaßnahmen sollten multimodal sein. Dazu zählen:
Familienbasierte Interventionen: Förderung gesunder Ernährung und Bewegungsgewohnheiten im familiären Umfeld. Internationale Studien zeigen jedoch, dass Programme, die ausschließlich auf elterliches Verhalten abzielen, kaum messbare Effekte auf das Körpergewicht von Kleinkindern haben.
Schulbasierte Programme: Integration von Bewegung und Ernährungsbildung in den Schulalltag.
Gemeinwesenorientierte Ansätze: Verbesserung der Lebensbedingungen, z. B. Schaffung sicherer Spielplätze und besserer Zugang zu gesunden Lebensmitteln.
Politische Maßnahmen: Einführung von Zuckersteuern, Lebensmittelkennzeichnung und Subventionen für gesunde Ernährung.
Eine wirksame Prävention erfordert daher die Kombination mehrerer Ansätze, um die Entwicklung von kindlicher Adipositas nachhaltig zu verhindern.
Behandlung und Therapie
Die Therapie der kindlichen Adipositas, früher als Fettsucht bezeichnet, sollte interdisziplinär erfolgen. Ein multimodaler Ansatz umfasst:
– Ernährungsberatung: Erstellung individueller Ernährungspläne durch Fachkräfte.
– Bewegungstherapie: Förderung regelmäßiger körperlicher Aktivität angepasst an Alter und Fähigkeiten des Kindes.
– Psychologische Unterstützung: Hilfe bei emotionalen Problemen und Essstörungen.
– Medikamentöse Therapie: In ausgewählten Fällen, wenn Verhaltenstherapie allein nicht ausreicht.
– Chirurgische Maßnahmen: Bei extremem Übergewicht und fehlendem Therapieerfolg kann eine bariatrische Operation erwogen werden.
Eine kontinuierliche Begleitung durch Ärzte, Psychologen, Diätassistenten und Physiotherapeuten ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg der Therapie.
Fazit
Kindliche Adipositas ist eine komplexe Erkrankung mit langfristigen gesundheitlichen und sozialen Folgen. Die Prävention und Behandlung erfordert einen umfassenden, interdisziplinären Ansatz.
Nur durch die koordinierte Zusammenarbeit von Familien, Schulen, Gemeinden und politischen Entscheidungsträgern kann es gelingen, die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei Kindern nachhaltig zu senken.
Früher als Fettsucht bezeichnet, ist Adipositas heute als ernstzunehmende chronische Erkrankung zu verstehen, die eine aktive und wissenschaftlich fundierte Herangehensweise verlangt.
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Quellen:
¹ Internationale Studie zeigt Wirkungslosigkeit elternbasierter Programme zur Prävention von Adipositas bei Kleinkindern (Informationsdienst Wissenschaft)
² Adipositas bei Kindern und Jugendlichen (PDF)
Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)
Linktipps
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[Verfasst 04/2003, Update: 09/2025]



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