Intimchirurgie – das Geschäft mit dem Genital

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Intimchirurgie

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Wer vor wenigen Jahren über Vaginalverengung, Schamlippenverkleinerung oder Penisvergrößerung sprach, erntete bloß ungläubige Blicke. Derlei ästhetische Eingriffe im Intimbereich verwies man eher ins Reich der Sagen denn der seriösen plastischen Chirurgie.


Doch die Zeiten haben sich längst geändert: Intimchirurgie ist ein boomender Markt, Geld spielt für die Betroffenen meist keine Rolle, und Risikohinweise und gesundheitliche Bedenken werden oft ignoriert, der Wunsch nach dem perfekten Intimbereich überlagert (fast) alle Bedenken.

Intimchirurgie – Artikelübersicht:

Intimchirurgie bezeichnet chirurgische Eingriffe im Intimbereich. Zumeist handelt es sich dabei um rein ästhetische Operationen, die darauf ausgelegt sind, optische Defizite auszugleichen.

Bei Frauen sind dies im Wesentlichen Operationen an den Schamlippen, an der Vagina und an Unterbauch und Venushügel, bei Männern betreffen schönheitschirurgische Eingriffe beinahe ausschließlich Penisvergrößerungen.

Intimchirurgie gilt als starker Wachstumsbereich innerhalb der plastischen Chirurgie, ästhetische Korrekturen im Intimbereich erfreuen sich mittlerweile größter Beliebtheit. Vertreter aus der Branche sprechen gar von einem regelrechten Boom und bezeichnen Intimchirurgie als letzten Schrei.

Mit der rasanten Zunahme an Operationen im Intimbereich mehren sich aber auch die Stimmen jener, die wegen des Gesundheitsrisikos vor dem allzu leichtfertigen Einsatz operativer Methoden warnen. Feministinnen wiederum empören Eingriffe, wie die Korrektur der inneren oder äußeren Schamlippen aus anderen Gründen, sie sehen darin bloß ein weiteres Beispiel dafür, wie Frauen zur Anpassung an ein Schönheitsideal gedrängt werden.

Intimchirurgie: delikate Operationen unterhalb der Gürtellinie

Fettabsaugung am Schamhügel, Vaginalverengung, Neupositionierung der Klitoris oder Wiederherstellung des Jungfernhäutchens sind nur einige wenige Beispiele möglicher Eingriffe.

Die Angebotspalette der Genitalchirurgie reicht mittlerweile bis zur sogenannten G-Punkt-Intensivierung (G-Punkt-Amplifikation), einem Verfahren, bei dem durch Injektion von körpereigenem Fettgewebe oder Hyaluronsäure im Bereich zwischen Vagina und Harnröhre (Urethra) die G-Punkt-Region aufgespritzt wird.

Dieses Verfahren soll zur Steigerung der sexuellen Erregbarkeit führen, gilt aber als höchst umstritten, zumal die Existenz einer G-Punkt-Region als klar abgrenzbare anatomische Struktur wissenschaftlich nicht zweifelsfrei belegt ist und auch es auch für eine Wirkung durch die Aufspritzung bisher keinerlei Belege gibt.

Dennoch sind Schönheits-Operationen im Intimbereich für viele Frauen kein Tabu mehr. Das Verlangen, einem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen, ist dabei nur einer von vielen Gründen für plastische Genital-Eingriffe.

Ein unästhetisches Erscheinungsbild, mangelndes Selbstwertgefühl und der Wunsch nach einer Steigerung des sexuellen Vergnügens werden ebenfalls häufig als Argument angeführt. Andererseits sind auch funktionale Störungen der Grund für derartige Eingriffe, wenngleich genaue Zahlen dazu ebenso fehlen wie konkrete Statistiken zur Häufigkeit, Art und Umfang durchgeführter intimchirurgischer Eingriffe in Österreich insgesamt.

Fest steht lediglich, dass es sich nicht bloß um einen medialen Hype handelt, denn entsprechende Rückmeldungen von Ärzten lassen zweifelsfrei auf deutliche Zuwachsraten schließen.

Behandlungsmöglichkeiten der Intimchirurgie im Überblick

Zu den am häufigsten durchgeführten Eingriffen in der Intimchirurgie gehört zweifellos die Labienkorrektur, die operative Korrektur der Schamlippen. Der dabei meistgehegte Wunsch: eine Verkleinerung der inneren Schamlippen (labia minora pudendi), sodass diese bei aufrechter Körperhaltung bedeckt und damit nicht mehr sichtbar sind.

Eine dabei sehr häufig angewandte Methode ist das Entfernen von überschüssigem Gewebe. Diese Behandlung wird zumeist in lokaler Anästhesie, auf Wunsch aber auch in Vollnarkose vorgenommen. Die Verkleinerung der inneren Schamlippen erfolgt in der Regel mit einer Art Laserskalpell. Nach der Operation werden die behandelten Stellen mit selbstauflösenden Nähten und speziellem Gewebekleber versorgt.

Risiken: Grundsätzlich ist das Narkoserisiko wie bei jeder anderen OP auch zu berücksichtigen. Im Allgemeinen ist die Intimzone nach einer genitalästhetischen Behandlung äußerst empfindlich. Diese Hypersensibiltät lässt zumeist innerhalb weniger Tage nach. Minimale Nachblutungen und Entzündungen treten erfahrungsgemäß nur bei sehr wenigen Frauen auf.

Kosten: Die hier genannten Preise der Genitalchirurgie sind bloß Richtwerte und können je nach Behandlungsmethode durchaus stark variieren.

– Verkleinerung der inneren Schamlippen: ab 900 Euro
– Verkleinerung der äußeren Schamlippen: ab 1.200 Euro
– Vergrößerung der äußeren Schamlippen: ca. 150 Euro pro Injektion

Auch die Vaginalverengung durch Straffung der Vagina ist eine häufig praktizierte Methode. Die Mehrzahl der Patientinnen äußert diesen Wunsch nach Geburten, bei denen es zu einer Überdehnung der Vagina bzw. der Scheide gekommen ist und die sich auch durch intensive Beckenbodengymnastik nicht mehr beheben lässt. Die Folgen der Überbelastung können ein stark eingeschränktes Lustempfinden beim Sex, aber auch Harninkontinenz sein. Durch die Unterfütterung des Scheidenkanals mit körpereigenem Fettgewebe oder durch eine Muskelstraffung und Beckenbodenplastik kann die Vagina operativ verengt werden.

Bei der Verengung durch Eigenfett-Injektion wird das Fett am Po, am Bauch oder an den Oberschenkeln entnommen, aufbereitet und in der Scheide eingespritzt. Dafür sind mehre Behandlungen nötig, um den gewünschten Erfolg zu erzielen.

Alternativ oder auch zusätzlich zur Eigenfett-Injektion kann die Scheide auch noch gestrafft und somit verengt werden, indem überschüssiges Gewebe entfernt wird. Der Eingriff kann unter Lokalanästhesie durchgeführt werden und bringt den betroffenen Frauen angeblich schnell wieder das Lustempfinden zurück.

Nach der Vaginalverengung sollte auf Sport und auch Sex mindestens 2 Wochen lang verzichtet werden. Wie bei jeder Operation kann es zu Infektionen oder Blutungen kommen, jedoch ist bei einer Vaginalverengung das Komplikationsrisiko eher gering.

Risiken: Wie bei jeder Operation kann es zu Infektionen oder Blutungen kommen. Durch die Anwendung ungeeigneter Operationstechniken vor allem bei Vaginalstraffungen kommt es nicht selten zu Komplikationen oder Kunstfehlern.

Die ausführliche Informationsbeschaffung über die geplante Operationsmethode sowie die Durchführung der Behandlung ausschließlich durch erfahrene Fachärzte für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie oder entsprechend befähigte andere Fachärzte ist für Patientinnen unabdingbar.

Kosten: je nach Behandlungsmethode zwischen 2.500 und 7.000 Euro¹.

Die Kosten für die bereits erwähnte G-Punkt-Intensivierung liegen je nach Behandlungsmethode zwischen 1.500 und 2.200 Euro. Die Wiederherstellung des Jungfernhäutchens (Hymen-Rekonstruktion) zählt zwar nicht zu den ästhetischen Korrekturen, wird aber aus Glaubens- oder kulturellen Gründen von immer mehr jungen Frauen nachgefragt. Die Preise dafür bewegen sich zwischen 1.700 und 2.000 Euro.

Die Kosten für genitalchirurgische Behandlungen werden weder von den gesetzlichen noch den privaten Krankenkassen übernommen. Die Interessentin muss die anfallenden Kosten für den Arzt, die Narkose sowie den Eingriff und etwaige Nachsorgebehandlungen selbst tragen.

Intimchirurgie und Ethik

In Österreich werden jährlich insgesamt rund 40.000 ästhetische Eingriffe durchgeführt. Durch die vermehrte mediale Darstellung nackter voll- oder teilrasierter weiblicher Genitalien in Magazinen, Filmen und im Internet wurde die öffentliche Aufmerksamkeit auf diesen bisher weitgehend privaten Körperbereich gerichtet. So entwickelte sich durch diese “Pornografisierung” der Medien in der Gesellschaft auch für den Intimbereich ein Schönheitsideal und damit ein neues Betätigungsfeld für die Schönheitschirurgie.

Wenngleich viele Fachärzte für Plastische Chirurgie betonen, dass jeder Mensch das Recht auf einen ästhetisch chirurgischen Eingriff hat, wenn er seelisch unter dem äußerlichen Makel leidet, regt sich auch innerhalb der Berufsgruppe Widerspruch.

Gerade Mädchen und junge Frauen geraten zunehmend unter Druck, dem neuen Intimideal zu entsprechen und erleben zum Beispiel „zu lange“ äußere Schamlippen als Stigma. Unwissenheit und Unsicherheit über die Erscheinungsvariationen der weiblichen Genitalien werden dann auch bei Nachfrage von Kliniken als ein wesentlicher Grund für den Wunsch nach einer kosmetischen Genitalkorrektur angesehen, da eine wirkliche Hypertrophie der Labien eher selten ist.²

Derartige Entwicklungen der Schönheitschirurgie sieht Univ.-Prof. Hildegunde Piza kritisch: “Der Bereich der Wunschmedizin wird immer größer. Umso wichtiger ist es, die Patienten über ihr neues Aussehen und mögliche postoperative Risiken aufzuklären.”

Weiters wird kritisch angemerkt, dass Anbieter und Medien die kosmetische Genitalchirurgie als Mittel zur Verbesserung des weiblichen Lustempfindens propagieren und dabei die Risiken in der Regel bagatellisieren.

Besonders die Verkleinerung der Labien wird oft als „kleiner Eingriff“ dargestellt. Komplikationen können aber auch hier schwerwiegende Funktions- und Empfindungseinschränkungen zur Folge haben. Zudem gibt es kaum wissenschaftliche Nachweise dafür, dass diese Eingriffe anhaltende psychische oder funktionelle Verbesserungen bewirken.

Diese Bedenken sollen künftig in ein neues Bundesgesetz einfließen und die ethischen Grenzen der “Schönheitschirurgie” – eine Bezeichnung, die in Österreich noch ungeschützt ist – mitdefinieren. Thomas Hintringer, Präsident der Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie dazu: “Die Gesellschaft bemüht sich, die ästhetische Chirurgie auf eine seriöse Grundlage zu stellen. Ästhetische Medizin ist kein Produkt aus dem Supermarkt, sondern eine ernstzunehmende chirurgische Disziplin.”

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Quellen:

¹ MyBody.de – Infoportal für Ästhetik und Gesundheit
² Aerzteblatt.de – http://www.aerzteblatt.de/archiv/63783
– Gesellschaft der Ärzte in Wien/Billrothhaus

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