Geburtstraumata und deren Auswirkungen auf Mütter
Die Geburt ist eine intensive Erfahrung, die eine Vielzahl körperlicher und emotionaler Reaktionen auslösen kann.
Für viele Frauen stellt sie einen tiefgreifenden, lebensverändernden Moment dar – eine Erfahrung voller Kraft, Freude und Erfüllung. Doch nicht immer verläuft sie harmonisch.
Geburtstraumata – Artikelübersicht:
- Die Geburt als Kraftakt: Einzigartig, intensiv, herausfordernd
- Geburtstrauma: bei Mutter und Kind möglich
- Arten und Ursachen von Gewalt während der Geburt
- Kommunikation bei der Geburt: Ein Schlüssel zur Würde
- Die Rolle von Hebammen: Stütze, Vertraute und Begleiterinnen
- Die Rolle des Partners in einer traumatischen Geburtssituation
- Hilfe: Erste Schritte nach einem traumatischen Geburtserlebnis
- Prävention: Wie sich Geburtsgewalt vermeiden lässt
- Solidarität und Aufklärung: Ein Kulturwandel im Umgang mit Geburt
- Linktipps
Für manche Mütter kann die Geburt ein traumatisches Erlebnis werden, das langanhaltende Spuren hinterlässt.
Ein Geburtstrauma kann sowohl auf Mutter als auch auf das Kind erhebliche Auswirkungen haben.
In diesem Artikel beleuchten wir die Ursachen und Folgen solcher Traumata und haben Ratschläge von Experten eingeholt, wie betroffene Frauen Unterstützung finden können.
Die Geburt als Kraftakt: Einzigartig, intensiv, herausfordernd
Die Geburt eines Kindes wird häufig als eine der intensivsten Erfahrungen beschrieben, die eine Frau in ihrem Leben macht.
Ein regelrechter „Kraftakt“, bei dem der Körper Höchstleistungen vollbringt. Die dabei ausgeschütteten Hormone – insbesondere Oxytocin und Endorphine – können das Schmerzempfinden dämpfen und eine Art „Rauschzustand“ auslösen, der als Schutzmechanismus dient.
Doch jede Geburt ist einzigartig, und nicht immer verläuft sie reibungslos. Schmerzen, Ängste und unvorhergesehene Komplikationen können die Erfahrung belasten.
Gerade, wenn Frauen im Kreißsaal auf ungünstige äußere oder zwischenmenschliche Bedingungen treffen, kann eine Geburt statt eines kraftvollen Moments der Selbstbestimmung zu einem Trauma werden.
Geburtstrauma
Von einem Geburtstrauma spricht man, wenn die Geburt eines Kindes sowohl bei der Mutter als auch beim Kind körperliche oder psychische Verletzungen und tiefe emotionale Spuren hinterlässt.
Der Begriff beschreibt verschiedene Belastungen und kann für Mutter und Kind unterschiedliche Bedeutungen und Folgen haben:
Geburtstrauma bei der Mutter
Bei Müttern bezieht sich ein Geburtstrauma häufig auf intensive psychische Belastungen und emotionale Wunden, die während oder nach der Geburt entstehen können. Auslöser dafür sind oft negative Erlebnisse im Kreißsaal, wie etwa:
- Physische Eingriffe ohne ausreichende Aufklärung oder ohne Einverständnis (z. B. ein Dammschnitt* oder Kaiserschnitt unter hohem Druck)
- Verbale und emotionale Herabsetzung durch das medizinische Personal
- Komplikationen oder Notfallsituationen, die die Gebärende als lebensbedrohlich empfand
*Beispiel Dammschnitt: Ein Dammschnitt – medizinisch Episiotomie genannt – ist ein kleiner Schnitt im Bereich zwischen Scheidenausgang und After (dem sogenannten Damm), der während der Geburt vorgenommen wird. Ein Dammschnitt war lange Zeit eine Standardpraxis, um Verletzungen vorzubeugen und die Geburt zu beschleunigen.
Inzwischen zeigen Studien jedoch, dass er in vielen Fällen überflüssig ist und sogar langfristige negative Folgen haben kann, wie Schmerzen, Narbengewebe oder Probleme bei der Rückbildung des Beckenbodens. Ein Dammschnitt sollte daher nur dann durchgeführt werden, wenn es medizinisch sinnvoll ist, etwa um Komplikationen zu vermeiden oder das Kind schnell auf die Welt zu bringen, wenn seine Gesundheit gefährdet ist.
Der Dammschnitt wird in der Regel unter Betäubung gemacht und anschließend wieder vernäht.
Die automatische Durchführung eines Dammschnitts ohne medizinische Indikation und ohne Rücksprache mit der Gebärenden verletzt das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung.
Diese Erlebnisse können bei Frauen das Gefühl auslösen, die Kontrolle über den eigenen Körper und die Geburt verloren zu haben.
Manche Frauen entwickeln infolgedessen eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die sich durch wiederkehrende belastende Erinnerungen, Schlafstörungen, Angstzustände und ein vermindertes Selbstwertgefühl äußern kann.
Für betroffene Mütter kann dies die Bindung zum Kind und die Freude am Muttersein beeinträchtigen.
Geburtstrauma beim Kind
Um keine Verwechslung der Begriffe aufkommen zu lassen: auch Babys können ein Geburtstrauma erfahren, das überwiegend körperliche oder neurophysiologische Ursachen hat, z. B.:
- Sauerstoffmangel oder andere Komplikationen während der Geburt
- Starke mechanische Einwirkungen (etwa durch Zangen- oder Saugglockeneinsatz)
- Stresshormone, die während einer schwierigen Geburt vermehrt ausgeschüttet werden
Bei Neugeborenen kann sich ein Geburtstrauma in Form von motorischen Auffälligkeiten, Schlafproblemen, häufigem Schreien oder Schwierigkeiten beim Stillen zeigen.
Langfristig können diese frühen Erfahrungen die emotionale und körperliche Entwicklung beeinflussen und gegebenenfalls eine engmaschige therapeutische Betreuung erfordern.
Insgesamt umfasst der Begriff „Geburtstrauma“ also eine Bandbreite an psychischen und physischen Belastungen, die Mutter aber auch das Kind stark prägen und nach der Geburt weiterhin begleitet werden können.
Arten und Ursachen von Gewalt während der Geburt
Gewalt während der Geburt ist ein sensibles Thema und umfasst verschiedene Formen, darunter physische, psychische und strukturelle Gewalt bei werdenden Müttern.
Sie bleibt oft unsichtbar und wird nur selten thematisiert, obwohl viele Frauen darüber berichten. Zu den häufigsten Formen zählen:
Physische Gewalt: Darunter fallen unnötige oder unerwünschte Eingriffe wie unaufgeklärte Dammschnitte, forcierte Positionen oder unangekündigte medizinische Maßnahmen. Diese Eingriffe können das Gefühl der Fremdbestimmung verstärken und das Vertrauen in den Geburtsprozess erschüttern.
Psychische Gewalt: Herabwürdigende Bemerkungen, Kritik oder das Ignorieren der Wünsche und Bedürfnisse der Gebärenden können tiefgehende Wunden hinterlassen. Oft erleben Frauen ein Gefühl des Ausgeliefertseins und der Ohnmacht, wenn sie verbal entmutigt oder durch fehlende Kommunikation verunsichert werden.
Strukturelle Gewalt: Überbelegung der Kreißsäle, Personalmangel und Zeitdruck führen häufig dazu, dass den Frauen nicht die notwendige Unterstützung und Begleitung zuteilwird. Statt sich auf den individuellen Geburtsprozess einstellen zu können, arbeiten Ärzte und Hebammen unter Umständen unter Druck und Stress. Solche strukturellen Zwänge setzen oft auch das medizinische Personal selbst unter großen Druck und führen zu einer Kette von Belastungen, die sich auch auf die Gebärenden auswirken.
Diese verschiedenen Formen von Gewalt lassen viele Frauen zurück mit dem Gefühl, dass ihnen während der Geburt Kontrolle und Selbstbestimmung entzogen wurden.
Kommunikation bei der Geburt: Ein Schlüssel zur Würde
Die Geburt ist nicht nur eine körperliche, sondern auch eine emotionale Reise. Eine klare, empathische und respektvolle Kommunikation spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Wenn Frauen über den Geburtsverlauf, geplante Maßnahmen und mögliche Komplikationen aufgeklärt und in Entscheidungen einbezogen werden, stärkt dies ihr Selbstvertrauen und das Gefühl von Selbstwirksamkeit.
Studien zeigen, dass Gebärende, die sich gut informiert und in ihrer Entscheidung unterstützt fühlen, signifikant weniger Traumata erleiden.
Eine offene Kommunikation und das Bewusstsein, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Mutter ernstgenommen werden, können die Geburt zu einem positiven Erlebnis machen – selbst wenn Komplikationen auftreten.
Die Rolle von Hebammen: Stütze, Vertraute und Begleiterinnen
Hebammen nehmen eine Schlüsselrolle bei der Geburt ein und tragen maßgeblich dazu bei, dass sich die Mutter sicher und unterstützt fühlt.
Ihre Aufgabe ist es nicht nur, medizinisch zu begleiten, sondern auch emotionalen Halt zu bieten. Sie schaffen eine Atmosphäre der Sicherheit und Geborgenheit, die eine wichtige Basis für eine sanfte Geburtserfahrung bildet.
Eine Hebamme, die die Wünsche der Mutter ernst nimmt und ihr Rückhalt gibt, kann das Risiko für traumatische Erlebnisse senken. In einer wertschätzenden und respektvollen Umgebung fühlen sich Frauen besser aufgehoben und bestärkt.
Hilfe: Erste Schritte nach einem traumatischen Geburtserlebnis
Nach einem traumatischen Geburtserlebnis fühlen sich viele Frauen allein und unverstanden. Dabei ist es wichtig, die Geschehnisse zu verarbeiten und darüber zu sprechen. Erste Schritte können sein:
- Gespräche mit Fachleuten: Psychologische Unterstützung oder spezialisierte Beratungen für Geburtsverarbeitung bieten Raum, um die Erlebnisse zu reflektieren und zu ordnen.
- Austausch mit Gleichgesinnten: Selbsthilfegruppen oder Online-Foren ermöglichen es Betroffenen, sich mit anderen Frauen auszutauschen, die Ähnliches erlebt haben. Diese Solidarität und das Gefühl, nicht allein zu sein, kann heilsam wirken.
- Trauma-Therapie: Bei besonders belastenden Erfahrungen kann eine gezielte Trauma-Therapie hilfreich sein, um die emotionale Last zu verarbeiten und langfristige Folgen zu vermeiden.
Die Rolle des Partners in einer traumatischen Geburtssituation
Auch der Partner spielt eine wesentliche Rolle, um die Frau emotional zu unterstützen.
Während der Geburt können Partner durch aufmerksames Zuhören und das Eintreten für die Wünsche der Gebärenden einen wichtigen Beitrag leisten. Nach einer traumatischen Geburtserfahrung können sie als emotionale Stütze fungieren und die betroffene Mutter ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die Aufarbeitung des Erlebten kann auch den Partner selbst betreffen, denn die Geburt eines Kindes ist für beide Elternteile ein prägendes Ereignis, das Verbundenheit und Zusammenhalt stärkt.
Prävention: Wie sich Geburtsgewalt vermeiden lässt
Ein zentraler Ansatz zur Prävention von Geburtstraumata ist die Stärkung der Selbstbestimmung der Gebärenden. Folgende Ansätze haben sich als präventiv erwiesen:
- Umfassende Aufklärung: Schwangere sollten gut informiert und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Ein Geburtsplan, in dem die Wünsche und Bedürfnisse der Mutter festgehalten werden, kann hilfreich sein.
- Respektvolle Betreuung: Eine respektvolle und achtsame Geburtsbegleitung senkt das Risiko für traumatische Erlebnisse. Dabei spielt die Wahl des Geburtsortes eine Rolle, ebenso wie die Auswahl einer unterstützenden Hebamme und eines vertrauensvollen Ärzteteams.
- Stressreduktion im Krankenhaus: Die Verbesserung struktureller Bedingungen, wie ausreichend Personal und Entlastungsangebote für das medizinische Team, tragen dazu bei, dass die Gebärenden die notwendige Betreuung erhalten und sich sicher fühlen.
Solidarität und Aufklärung: Ein Kulturwandel im Umgang mit Geburt
Um Geburtsgewalt und Geburtstraumata nachhaltig zu vermeiden, braucht es einen Kulturwandel in der Geburtshilfe.
Dieser Wandel beginnt mit der Anerkennung, dass eine respektvolle, empathische und autonome Geburtsbegleitung entscheidend ist für das Wohlbefinden von Mutter und Kind.
Eine breit angelegte Aufklärungskampagne, die die Erfahrungen von Frauen ernstnimmt, kann dazu beitragen, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen und Vorurteile abzubauen.
Auch der Austausch und die Solidarität unter Frauen spielen eine entscheidende Rolle.
Je offener über traumatische Geburtserlebnisse gesprochen wird, desto besser können betroffene Frauen Unterstützung finden und den Mut aufbringen, für ihre Rechte einzutreten.
Solidarität in der Gesellschaft, Unterstützung durch das Gesundheitssystem und eine offene Kommunikation innerhalb der Familie und des Umfeldes sind Schritte, die den Weg zu einer respektvolleren Geburtskultur ebnen.
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Quellen:
¹ Österr. Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie
² Österreichisches Hebammen Gremium
Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)
Linktipps
– Baby-Corner
– Baby-Blues – die Krise nach der Geburt
– Periduralanästhesie (PA) – Schmerzreduktion bei der Geburt
– Mama Blogs: authentische Informationsquellen für Eltern
– Depression | Krankheitslexikon