Pubertät – Kinder in der Achterbahn der Gefühle
Das Kind in der Pubertät, schwankt zwischen dem Drang, sich auf eigene Beine zu stellen, sich von den Eltern zu lösen und dem Bedürfnis, die Geborgenheit der Familie nicht ganz zu verlieren. Der Weg vom Kind zum Erwachsenen ist manchmal ganz schön schwierig: Der Körper verändert sich, die Hormone spielen verrückt und die Eltern haben offenbar auch keinen Plan. Dabei ist die Pubertät des eigenen Kindes für die Eltern ein ebenso neues Kapitel, wie für das Kind selbst.
Am Beginn eines Puzzles stehen Hunderte einzelne Steine, und kein einziger scheint zum anderen zu passen. Wenn man in das Zimmer eines Teenagers schaut, hat man manchmal auch diesen Eindruck. Wie Kraut und Rüben liegt alles durcheinander, und bei manchen Gegenständen ist ihr ursprünglicher Verwendungszweck kaum erkennbar. Die bisher übliche Kinderzimmerordnung wird aufgebrochen. Und auf einmal zieren Plakate mit den “seltsamsten” Gestalten die Wände. Plötzlich werden mit Staubsauger “bewaffnete” Eltern als feindliche Eindringlinge ins eigene Reich oder zumindest als lästige Quälgeister empfunden. Und wehe, Sie erinnern Ihr Kind daran, dass es doch sein Zimmer einmal aufräumen könnte: Der Krach ist vorprogrammiert.
Die Pubertät ist jene Zeit: “in der die Kinder wachsen und die Erwachsenen schwierig werden”, wie es in einer Jugendzeitschrift einmal so treffend geheißen hat. Die Phase des Erwachsenwerdens stellt Jugendliche und Eltern gleichermaßen auf die Probe. Für die Jugendlichen, ob nun Bub oder Mädchen, geht es darum, ihr eigenes Selbst zu finden, den körperlichen Wachstumsschub zu verkraften und mit ihren Gefühlen und Gedanken zurechtzukommen.
Die Pubertät (lat. Mannbarkeit) oder Geschlechtsreife ist ein Abschnitt des Jugendalters, der als die Reifezeit des Heranwachsenden bezeichnet werden kann. In dieser Zeit erreichen die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane ihre volle Funktionstüchtigkeit; dadurch werden auch weitere Geschlechtsmerkmale von Buben (Bartwuchs) und Mädchen (Brust) beeinflusst. Diese Entwicklung beginnt meist mit dem 10. Lebensjahr und dauert mehrere Jahre. Das äußere Zeichen der Geschlechtsreife ist das Auftreten der ersten Menstruation beim Mädchen und der ersten Ejakulation beim Buben.
Neben der biologisch-körperlichen Veränderung des jungen Menschen hat die Pubertät vor allem auch noch eine entscheidende seelisch-geistige Komponente, die es zu bewältigen gilt. Es ist eine Zeit der Unsicherheit, eine Zeit der großen Sprünge von der Kindheit in das Erwachsenenalter. Es bewegt sich vor und zurück, mit einer Plötzlichkeit, die das Kind selbst nicht begreift. Innere und äußere Veränderungen stürzen es in Unruhe, die es nicht nur anzunehmen lernen muss.
Körperliche Entwicklung
Wachstum
Im Rahmen der Pubertät bringt ein deutlicher Wachstumsschub während einer Periode von 2 – 4 Jahren zirka 15% der Endgröße. Während dieser Zeit nimmt der Knochen auch an Dichte zu: bei Mädchen bis zirka 17 Jahre, bei Knaben bis in die frühen zwanziger Jahre.
Wachstumssteigerung tritt bei Mädchen vor der Menarche d.i. zwischen 9 1/2 und 14 1/2 Jahren (Punktum Maximum 12. Lebensjahr) ein. Nach der Menarche wachsen Mädchen noch zirka 6 cm. Entsprechend dem unterschiedlichen Körperbau haben Mädchen im Alter von 16 Jahren doppelt soviel Fettgewebe als Knaben.
Bei Knaben liegt die maximale Wachstumssteigerung zwei Jahre später bei 14 Jahren. Bei Knaben verdoppelt sich die Muskelmasse zwischen 10 und 17 Jahren; die Knochenmasse verdoppelt sich zwischen 12 und 16 Jahren.
Sexuelle Reifung
Die normale Pubertät dauert zirka 4,5 Jahre (3 – 6 Jahre).
Die Pubertät beginnt bei Mädchen etwa um 0,5 bis 1,5 Jahre früher als bei Knaben. Zuerst kommt es zum Wachstum der Gebärmutter; zirka 2 Jahre danach entwickelt sich die Brust (8-13 Jahr), dann die Schambehaarung (8-14 Jahr); die erste Regelblutung (= Menarche) tritt mit 10 bis 16 Jahren (zirka 2 – 2,5 Jahre nach Beginn der Brustentwicklung; Mittel: 13. Jahre) ein. Die Ovulation ist anfangs unregelmäßig, regelmäßig wird sie nach 6-24 Monaten.
Bei Knaben ist die Pubertät schwerer definierbar. Die Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale beginnt mit einer Größenzunahme der Hoden (10 bis 13 1/2 Jahre; von 2 auf 20 ml), dann folgen Schambehaarung (10 – 15 Jahre), Peniswachstum (zirka rund um 14 Jahre; von 5 auf 12 cm). Schließlich folgen Libido (= sexuelles Verlangen), Stimmbruch und die Bildung reifer Samenzellen.
Sexualität und Sexualbeziehungen
Die mit der sexuellen Reifung einhergehenden ersten sexuellen Phantasien und Erfahrungen werden unterschiedlich erlebt und ausgelebt:
Bei beiden Geschlechtern ist eine homoerotische Durchgangsphase häufig und beinahe obligat. Da sie kulturell noch immer abgelehnt wird, ist sie oft mit Schuldgefühlen besetzt. Enge Freundschaften unter Gleichgeschlechtlichen ersetzen oft die Beziehungen zum anderen Geschlecht, die noch Angst machen und zwar angestrebt, aber auch gefürchtet werden.
Masturbation
Die Masturbation, das heißt die Autosexualität (bisweilen fälschlich als Onanie bezeichnet – fälschlich deshalb, weil Onan in der Bibel den coitus interruptus pflegt, weil er von seiner Schwägerin, die er aus religiösen Gründen nach dem Tod seines Bruders in einer Leviratsehe heiraten muss, kein Kind möchte) ist die erste Übung in Stimulation und Orgasmus. Diese Übung ist wichtig, kommt bei fast allen Kindern vor, ist unschädlich und ein nützliches und selbstverständliches Ausleben der Natur. Die veraltete Theorie, dass Masturbation schädlich sei ist abzulehnen.
Masturbation kommt bei Knaben häufiger als bei Mädchen (nur zirka in 33%) vor. Exhibition der Masturbation und Masturbation in der Gruppe ist nicht selten. Wechselseitige Masturbation kommt vor und ist kein Hinweis auf eine homosexuelle Entwicklung. Erotische Phantasien und Voyeurismus sind bei allen Jugendlichen üblich. Die Phantasien betreffen oft das andere Geschlecht, Verstecken ist an sich das normale Verhalten, Schuldgefühle auf Grund der Angst, etwas Falsches getan zu haben, sind häufig aber unnötig.
Die Scham gegenüber Erwachsenen im Allgemeinen und den Eltern im Besonderen ist in der Pubertät sehr stark entwickelt und sollte von der erwachsenen Umgebung respektiert werden.
Was ist noch normal? Eltern sind gefordert!
Die Pubertät ist eine Umbruchzeit, und dies ist auch optisch klar erkennbar. Doch lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen: Wie durch ein Wunder findet man mit der Zeit beim Puzzle die zusammenpassenden Steine, und das Bild wird immer deutlicher erkennbar. Und so ist es auch in der Pubertät. Sie können darauf vertrauen, dass Ihr Kind seinen Weg mit der Zeit ebenfalls finden wird.
“Lass mich los, ohne mich fallen zu lassen!” hat ein Teenager einmal seine Gefühle ausgedrückt. Zwischen dem Festhalten der Fäden in Ihrer Hand und dem Loslassen das richtige Maß zu finden, kann für Eltern zu einer Gratwanderung werden. Die meisten Eltern erleben so auch Zeiten der Ermüdung, Entmutigung, der Verzweiflung. Eine Menge an Verständnis, Toleranz und Vertrauen gegenüber Ihrem Kind wird Ihnen abgefordert. Aber bleiben Sie für Ihren Sohn/Ihre Tochter eine vertrauenswürdige Ansprechperson und geben Sie Halt, auch wenn das Gesprächsklima manchmal eisig ist oder Ihr Rat nicht gefragt scheint. Denn diese Phase der Entwicklung Ihres Kindes bringt auch wunderschöne Augenblicke hervor, in denen durchscheint, dass Ihr Kind zu einem Erwachsenen heranreift, auf den Sie stolz sein können.
LINKTIPP:
– Sexualität in der Pubertät
– Aufklärung: Ein Leitfaden für Eltern
– Ärzteverzeichnis für LGBTQ+-Community
– Persönlichkeitsentwicklung in der Pubertät
– Lust und Liebe Corner