Aromatherapie – Dr. Wolfgang Steflitsch im Gespräch

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Aromatherapie - Anwendung bei einer jungen Frau

Aromatherapie – die sanfte Behandlungsmethode mittels ätherischer Öle. Wir sprachen mit dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftliche Aromatherapie und Aromapflege, Dr. Wolfgang Steflitsch, über Möglichkeiten und Grenzen dieser ganzheitsmedizinischen Therapieform.


Aromatherpie: Interview mit Dr. Wolfgang Steflitsch

gesund.co.at: Herr Dr. Steflitsch, wie würden Sie die Aromatherapie in kurzen Worten beschreiben?

Dr. Steflitsch: Die Aromatherapie ist eine Jahrtausende alte, komplementärmedizinische Methode, die nun –  in der modernen Medizin – auch wissenschaftlich-klinisch fundiert ihre Stärken zeigt. Sie basiert auf der Anwendung ätherischer Öle, Hydrolate und fetter Pflanzenöle zur Behandlung von Krankheiten, zur Gesundheitsförderung, zur Rehabilitation und zum Wohlfühlen. Die Aromatherapie ist somit eine spezielle Form der Pflanzenheilkunde.

gesund.co.at: Welche Pflanzen werden herangezogen und wie gewinnt man daraus die wertvollen Öle?

Dr. Steflitsch: Verwendet werden die Öle der verschiedensten Pflanzenfamilien, beispielsweise der Zitrusfrüchte, der Myrthengewächse oder der Nadelhölzer. Es gibt zwei Methoden, um ätherische Öle zu gewinnen: die Wasserdampfdestillation und die Kaltpressung. Die so gewonnenen Öle werden entweder pur weiterverwendet oder für Massagen und Einreibungen verdünnt. Dafür werden Öle wie Mandelöl, Sesamöl oder Olivenöl herangezogen. Sowohl für diese Öle, wie auch für die ätherischen Substanzen selbst gilt: bei der Qualität kommt es auf die biologische Reinheit und Natürlichkeit an, sie sollten zu 100 % natürlich, rückstands- und pestizidfrei sein.

gesund.co.at: Wie lässt sich die Wirkungsweise der ätherischen Öle zusammenfassen?

Dr. Steflitsch: Die Wirkungsweisen der ätherischen Öle sind sehr vielfältig und daher nicht in einem Satz zu beschreiben. In der Aromatherapie werden rund 100 verschiedene Substanzen eingesetzt, von denen jede wiederum ein Vielstoffgemisch darstellt. Grundsätzlich kann man aber sagen: die ätherischen Öle besitzen ein niedriges Molekulargewicht, sind also sehr leicht flüchtig. Dies wiederum bedingt, dass sie gut wirksam sind und dass sie, weil die Moleküle eben so „klein“ sind, auch gut aufgenommen werden können.

gesund.co.at: Wie entfalten die Substanzen nach der Aufnahme im Körper ihre Wirkung?

Dr. Steflitsch: Dies lässt sich anhand der beiden Hauptwirkarten von ätherischen Ölen beschreiben. Einerseits wirken sie direkt durch das Riechen: über den Riechnerv werden innerhalb von Sekundenbruchteilen bestimmte Zellen des Gehirns aktiviert und sensibilisiert – Zellen, die mit unserer Psyche, mit der Schmerzaufnahme und dem hormonellen System in Verbindung stehen. Die zweite Wirkung ist die direkt pharmakologische: die Stoffe entfalten ihre Wirkung an jener Stelle, an der sie hingelangen. Und, da die Moleküle eben sehr klein sind, gelangen sie relativ leicht überall hin.

Wirkung ätherischer Öle

gesund.co.at: Welcher Art können die Wirkungen ätherischer Öle sein?

Dr. Steflitsch: Die Vielfalt der unterschiedlichsten Inhaltsstoffe bedingt zahlreiche therapeutische Wirkungen. Ätherische Öle sind unter anderem immunstabilisierend, schmerzstillend, entzündungshemmend, blähungswidrig, verdauungsfördernd, hustenreizstillend und den Hustenauswurf fördernd, regenerativ für Schleimhäute und für die Haut, das Hormonsystem ausbalancierend, wirksam bei psychischen Störungen, bei Depressionen, aber auch sehr wertvoll im Wundmanagement. Es lassen sich in nahezu allen Fachdisziplinen der Medizin Indikationen finden, wo ätherische Öle gut einsetzbar sind.

gesund.co.at: A propos Schulmedizin – gilt die Anwendung ätherischer Öle in den Augen von Schulmedizinern als seriöse Behandlungsmethode?

Dr. Steflitsch: Über die Wirkung der ätherischen Öle liegen zahlreiche Studienergebnisse von Untersuchungen an Geweben bzw. Zellen von Menschen, aber auch von Tieren vor. Bei vielem, was in der modernen Grundlagenforschung untersucht wird, decken sich die Forschungsansätze von Komplementärmedizin und Schulmedizin. Insofern sind wir Aromatherapeuten sehr froh, dass wir auf weiten Gebieten das erfüllen, was die Schulmedizin sich wünscht, nämlich nachweislich Wirkungen erzielen zu können, oder, wie man es heute nennt, „evidence based medicine“ zu betreiben.

gesund.co.at: Bis zu welchem Punkt kann man auf aromatherapeutische Maßnahmen ohne Heranziehen der Schulmedizin vertrauen?

Dr. Steflitsch: In leichten Fällen kann man sie alleine einsetzen, in mittleren und schweren Fällen kommen sie komplementär zum Einsatz. Grundlegend ist jedoch immer darauf hinzuweisen, dass eine Krankheit zu allererst ärztlich diagnostiziert werden muss. Und wenn die Aromatherapie als zusätzliche Anwendung herangezogen wird, sollte der behandelnde Arzt unbedingt Bescheid wissen.

gesund.co.at: Auf welche Art und Weise gelangen die ätherischen Öle in den Körper, welche Anwendungsarten unterscheidet man?

Dr. Steflitsch: Von den Anwendungsarten her betrachtet, fasziniert die Aromatherapie durch ihre vielfältigen Möglichkeiten: Einreibungen, Massagen, Teilbäder, Vollbäder, Inhalationen, Verabreichung in Form von Zäpfchen, Anwendung von Wickel und Kompressen, aber auch das Versprühen von Raumsprays und vieles mehr kommen hier in Frage. In meinem Fach, der Lungenheilkunde, habe ich besonders gute Erfahrungen mit Inhalationen gemacht. Dabei dringen die ätherischen Öle in die oberen und tiefen Atemwege vor, wo die Wirkstoffe von Medikamenten oftmals gar nicht so einfach hingelangen.

gesund.co.at: Was bewirken die inhalierten ätherischen Öle in der Lunge?

Dr. Steflitsch: Zunächst erweisen sie sich als hustenreizstillend, aber auch auswurffördernd, in besonderem Maße auch als schmerzstillend, entzündungshemmend und, was ganz entscheidend ist, auch als die Schleimhaut wieder aufbauend. Hervorzuheben ist weiters die antimikrobielle Wirkung, das heißt, die Wirkung gegen Viren, Bakterien und Pilze. Vor allem die Wirksamkeit gegen Viren ist bemerkenswert, denn da bietet die Schulmedizin nicht gar so viele Medikamente an. Bei der Behandlung gegen Bakterien wiederum treten bei ätherischen Ölen keine Resistenzprobleme auf, wie es bei Antibiotika oft der Fall ist.

Aromatherapie zur Selbstmedikation?

gesund.co.at: Eignet sich Aromatherapie zur Selbstmedikation?

Dr. Steflitsch: Aromatherapie kann der mündige Patient, wie bei allen frei erhältlichen Substanzen, im Rahmen seiner eigenen Verantwortung ausüben, solange es sich nicht um eine innere Anwendung handelt. Gefahren gehen jedoch auch von äußerlicher Überdosierung aus, die zu allergischen Hauterscheinungen, beispielsweise einer Kontaktdermatitis, oder zu Reizzuständen der Haut führen kann. Allerdings reagieren nur rund 5 % der Menschen auf natürliche Duftstoffe wie ätherische Öle allergisch. Dennoch sollte man bei Patienten mit einer allergischen Vorgeschichte vor der konkreten Anwendung eine Verträglichkeitsprüfung durchführen.

gesund.co.at: Im Handel werden zahlreiche ätherische Substanzen angeboten. Woran kann man die Qualität der Angebote unterscheiden?

Dr. Steflitsch: Für eine Unterscheidung ist Wissen und Erfahrung notwendig, man kann sich einerseits beraten lassen, andererseits ist es gut, einen Blick auf das Etikett zu werfen. Auf dem Etikett sollte stehen, um welche Pflanze es sich handelt – mit botanischem und deutschem Namen –, es sollte die Gewinnung und das Herkunftsland vermerkt sein, sowie der Einsatzzweck und bestimmte Sicherheits- und Warnhinweise. Aber auch in Drogeriemärkten finden sich immer wieder Produkte, die qualitativ wertvoll sind.

gesund.co.at: Wie findet man als Patient in Österreich Ärzte mit aromatherapeutischen Kenntnissen?

Dr. Steflitsch: In Österreich ist es im Moment noch schwierig, gut ausgebildete Ärzte zu kontaktieren, wenn auch immer mehr Kollegen sich mit Pflanzenheilkunde beschäftigen. Im Jahr 2011 wird aber auch bei uns erstmals ein Lehrgang für Medizinische Aromatherapie angeboten werden, bei dem interessierte Ärztinnen und Ärzte auf diesem für Österreich neuen komplementärmedizinischen Fachgebiet ausgebildet werden. Derzeit können sich Interessierte gerne an die Österreichische Gesellschaft für Wissenschaftliche Aromatherapie und Aromapflege – an die ÖGWA – wenden. Wir beraten und vermitteln auch weiter.

Interview: Mag. Thomas Schellenberger

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

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Linktipps

– Ganzheitsmedizin – Alternativmedizin
– Die Wirkung von Düften
– Aromatherapie (Audio-Podcast)
– Natürliche oder synthetische Duftstoffe?
– www.oegwa.at

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