Haartransplantation mittels Haar-Roboter
Kreisrunder Haarausfall und schütteres Haar durch erblich bedingten Haarausfall zählt zu den häufigsten Gründen, warum sich Männer einer Schönheits-OP unterziehen. Die Haartransplantation mittels Eigenhaar hat sich in den letzten Jahren zwar stetig verbessert, doch die manuelle Haarentnahme blieb eine Schwachstelle. Ein neu entwickelter Roboter soll nun bei der zielgerichteten Haarentnahme helfen, ohne Haarwurzeln zu verletzen.
Haartransplantation mittels Haar-Roboter – Artikelübersicht:
- Unterschied Haarwurzel, Haarfollikel und Graft
- Was passiert bei einer Eigenhaartransplantation?
- Wie funktioniert die Roboter Methode?
- Vor- und Nachteile der Eigenhaarverpflanzung mit Haar-Roboter
- Fazit
- Linktipps
Nun ist auch in Österreich der erste sogenannte Haar-Roboter im Einsatz. Mit einem medizinisch versierten Roboter sagt ein plastischer Chirurg aus Graz nun in seiner soeben eröffneten Ordination in einem altehrwürdigen, renovierten Hof der Benediktiner in Gumpoldskirchen Glatzen den Kampf an.
Zum Einsatz kommt dort ein computergesteuerter Roboter, der automatisch gesunde Haare erkennen, und mit einem Nadelstich Haarwurzel samt Stammzellen entnehmen kann. Es ist dies der erste Haarroboter seiner Art in Österreich. Er kommt ausschließlich bei der Haarentnahme, nicht aber beim Einsetzen der Haare zum Einsatz.
Haarwurzel, Haarfollikel und Graft
Bevor wir die roboterassistierte Haartransplantation genauer beschreiben, vorab eine Begriffsklärung. Weil immer wieder Verwirrung über die Begriffe Haarwurzel, Haarfollikel und Graft besteht, hier eine kurze, stark verinfachte Erklärung:
Das menschliche Haar besteht aus dem Haarschaft, der Haarwurzel und der Haarzwiebel. Der Haarschaft ist derjenige Teil, der aus der Haut herausragt. Die Haarwurzel hingegen ist in der Haut verankert und endet mit einer knollenartigen Verdickung, der sogenannten Haarzwiebel. Haarwurzel und Haarzwiebel stecken in einer Einstülpung der Oberhaut, die als Follikel bezeichnet wird.
Unter Haarfollikel (bzw. Haarbalg) werden also die Strukturen verstanden, die die Haarwurzel umgeben. Haaurfollikel sind gewissermaßen die Produktionsstätte für Haare und dienen zur Verankerung der Haare in der Haut. Im Haarfollikel enden zudem einige feine Nervenfasern. Sie sind wichtig für den Tastsinn und steuern auch die Haarbalgmuskeln.
Grafts wiederum sind natürliche Gruppierungen der Haare. Bei einem Graft oder auch Follikeleinheit, spricht man von 1 bis 5 Haaren mit Haarwurzel. Haare wachsen nämlich zumeist nicht einzeln, sondern häufig in kleinen Inseln von bis zu fünf Haaren.
Bei Haartransplantationen werden oftmals unterschiedliche Einheiten bei der Verpflanzung angegeben und sorgen so für große Verwirrung bei den Patienten.
Was passiert bei einer Eigenhaartransplantation?
Wie der Name vermuten lässt, erfolgt bei diesem Eingriff unter örtlicher Betäubung eine Entnahme eigener gesunder Haare (genauer Grafts, Haareinheiten) samt haarproduzierende Wurzeln aus dem Haarkranz und eine Verpflanzung in haarlose Regionen. Haare, die vom Haarkranz am Hinterkopf entnommen werden sind hormonunabhängig. Sie fallen nicht aus, wenn sie woanders hinverpflanzt werden. Die Haare wachsen dann an der verpflanzten Stelle wieder nach – in der Regel ein Leben lang.
Während es technisch bei der mikrochirurgischen Einpflanzung der Haare keine Unterschiede gibt, unterscheidet sich die Entnahme der Haarwurzeln in zwei verschiedenen Techniken. Unterschieden wird hier die Streifentechnik (FUI oder FUT Technik = engl. Follicular Units Transplantation) vs. Einzelhaargruppenentnahme (FUE = engl. Follicle Unit Extraction).
Eine genaue Erklärung der Unterschiede der beiden Techniken finden Sie in unserem Artikel Methoden moderner Haartransplantation im Vergleich.
Beide Techniken bieten Vor- und Nachteile. Welche Technik für den Patienten am besten geeignet ist, sollte immer im Vorgespräch mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden.
Wie funktioniert die Roboter Methode?
Das vorgestellte Gerät trägt den Namen Artas-Roboter und wurde in den USA von der Firma Restoration Robotics im kalifornischen Mountain View erfunden und seither auch dort hergestellt. Der Vertrieb für Deutschland und Österreich erfolgt über die deutsche Firma LaserPoint International GmbH. Der computergesteuerte Medizinroboter ermöglicht es automatisiert Haare bzw. Haarwurzeln samt Haaren zu entnehmen ohne die Wurzel zu beschädigen.
Dabei untersucht der Haar-Roboter die Haarwurzel und entnimmt im nächsten Schritt ausschließlich gesunde Einheiten. Automatisch erkennt das Gerät dabei, wie viele Haare eine Wurzel enthält, denn der Roboter entnimmt nur Wurzeln mit zwei oder mehr Haaren.
Dies geschieht mit einer speziellen Hohlnadel, mit der er dort, wo gesunde Haare wachsen, sogenannte follikulare Einheiten (bzw. Grafts, also zusammengehörige Bündel von bis zu fünf Haaren) aus der Kopfhaut. Dabei schießt die Nadel regelrecht in die Kopfhaut, bricht sie dort ein bisschen auf und separiert mit 3.000 Umdrehungen pro Minute die Haarwurzel vom umschließenden Gewebe.
Pro Stunde können so bis zu 4.000 Haare bzw. etwa 1.000 Grafts Stich für Stich entnommen werden. Der Eingriff geschieht ambulant, der Patient sitzt während der Entnahme nach vorne gebeugt mit dem Gesicht nach unten auf einer Auflage und ist unter lokaler Betäubung, aber wach.
Nach der Entnahme erfolgt die Aufbereitung der Haare mit Kochsalzlösung und Blutplasma, erst danach erfolgt das Wiedereinsetzen der Haare vom plastischen Chirurgen. Dies geschieht nach wie vor händisch und erfordert höchste Konzentration. Der gesamte Eingriff dauert je nach Haarmenge zwischen vier und acht Stunden.
Vor- und Nachteile des Haar-Roboters
Die Entwicklung des Roboters gilt als Innovation in der Haartransplantation Branche. Im Zusammenhang mit dieser modernen Technik fallen häufig die Schlagworte schnell, effektiv und präzise. Tatsächlich staunen sogar langjährige Mediziner und Techniker, wie hochpräzise der Haarroboter aus dem Silicon Valley arbeitet: Millimeter für Millimeter scannt er blitzschnell den Kopf und analysiert dabei Haut und Haar.
Dies sieht auch der Huber Verlag für Neue Medien so, der auf der weltweit wichtigsten Industriemesse „Hannover-Messe“ den Haarroboter im Rahmen des Industriepreises mit dem Prädikat “Best of 2017“ im Bereich Medizintechnik auszeichnete.²
Tatsächlich ist der Ansatz eine Weiterentwicklung bestehender Techniken, die nun automatisiert und mit großer Geschwindigkeit und Präzision die Haarentnahme in der FUE-Technik (also Einzelhaargruppenentnahme) umsetzt. Die manuelle Einzelentnahme der follicular Units aus dem Haarkranz ist eine große Herausforderung für den Behandler, bei der immer die Gefahr besteht, dass die Haarwurzel oder das Gewebe verletzt werden und dadurch die Stammzellen austrocknen und absterben können. Daraus resultiert, dass es später beim Patienten kein oder nur ein spärliches Haarwachstum gibt.
Der Haar-Roboter kann die Fehlerquote senken, indem er eine neue Punch-Technik bei der Entnahme anwendet. Etwa 85 bis 95 Prozent der entnommenen follicular Units bleiben bei dieser Methode intakt und transplantierbar. Doch auch dieser Vorgang erfordert eine besondere Qualifikation und gut geschulte und erfahrene Hände des Behandlers an dem Gerät und die Beherrschung aller anderen Entnahme- und Präparationstechniken.
Bei der Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile beziehen wir uns stark auf die Ausführungen von Dr. med. Frank G. Neidl, der in Düsseldorf eine Spezialpraxis für Haartransplantation hat und der das Gerät angeschafft und zwei Jahre in seiner Ordination getestet hat.³
Vorteile:
- Die Ausbeute der entnommenen und letztlich brauchbaren Haarfollikel ist bei der Robotic-FUE deutlich höher. Denn im Gegensatz zur manuellen Entnahme kann der Austrittswinkel jedes Haares vorab berechnet werden. Die Hersteller sprechen von bis zu 95% der Transplantate (=Grafts), bei denen es zu lebenslangem, natürlichem Haarwachstum kommt. In der Praxis bestätigen sich eher 85 bis 92% – ein immer noch sehr hoher Wert.
- keine Ermüdung oder Konzentrationsprobleme beim Operateur
- die computergesteuerte Haarentnahme verkürzt die Behandlungszeit um 30 bis 40 Prozent.
- Ähnlich wie bei der konventionellen FUE-Methode, gibt es auch bei der Artas-Methode nur kaum sichtbare Punktnarben am Hinterkopf.
- Die computergesteuerte Entnahme gibt einigen Patienten subjektiv mehr Sicherheit bei der Entscheidung zur Haartransplantation
- Stetige Weiterentwicklung und Verbesserung der Entnahmetechnik. Die verwendeten Nadeln werden immer dünner (aktuell 0,8 mm Haarnadel)
- Die gewünschte Haarmenge (Grafts) kann vorab mittels Herstellersoftware am Monitor in 3D simuliert werden und der Patient so das zukünftige Ergebnis ansehen.
- Für Ärzte ist das Gerät zweifellos ein gutes Marketinginstrument und lockt (unentschlossene) Kunden an.
Nachteile:
- Der Patient darf sich während des ganzen Vorgehens nicht bewegen.
- Für den Roboter benötigt der Arzt eine längere Vorbereitungszeit.
- Die individuelle Erwartungshaltung ist beim Patienten vielleicht noch höher. Man kann aber keine Haartransplantation mir der anderen vergleichen, da jeder unterschiedlich gelagert ist. Das endgültige Ergebnis wird auch bei dieser Methode erst nach etwa 12 Monaten erreicht.
- Nacken- und Körperhaarwurzeln können (noch) nicht mit dem Roboter entnommen werden
- Die Transplantation erfolgt nach wie vor manuell und erfordert auch hier viel Geschick und Erfahrung beim Operateur.
- Hohe Kosten für den Patienten (ca. 4.000.- bis 8.000.- EUR je nach Aufwand; Stand: 2018)
- Hohe Anschaffungskosten für den Operateur (ca. 500.000.- EUR zuzüglich Lizenzgebühren, Reperatur, Wartungsservice usw.)
Fazit
Haarroboter sind zweifellos ein geeignetes ergänzendes Tool in einer auf Haartransplantation spezialisierten Praxis. Durch die schnelle technische Entwicklung ist das computergesteuerte System, das seit 2014 auf dem Markt ist, bereits mehrfach weiterentwickelt worden und verbessert seine Haarentnahmequalität stetig.
Ein grundlegender Vorteil ist die insgesamt bessere Quote bei der Entnahme der Haare, weil der Computer der Austrittswinkel jedes Haares vorab scannt und dann nur die vitalsten Haare mit dem Roboterarm entnimmt.
Aber auch der Haar-Roboter ist nicht die Lösung aller Probleme bei Eigenhaartransplantationen. Frauen sind mit dem Roboter meist nicht behandelbar, da sie die dazu erforderliche großflächige Kahlrasur ablehnen. Auch bei dieser Methode bleibt die Beratung und Nachsorge von Haarpatienten aufwendig.
Viele Ärzte im Bereich der Schönheitschirurgie lehnen den Einsatz von Automaten nach wie vor ab, da sie keinen signifikanten Vorteil bei der Entnahme sehen. Sie weisen darauf hin, dass Ärzte bei der manuellen Entnahme flexibel auf geänderte Umstände beim Patienten reagieren können. Freilich könnten aber auch die hohen Anschaffungskosten und das zeitintensive, einwöchige Training zur Einarbeitung auf dem Gerät die tatsächlichen Gründe für diese Meinung sein.
Fakt ist, dass es bei dem System eine große Internetabhängigkeit seitens des Operateurs (Überwachung des Arbeitsprozesses, ggf. auch Online-Hilfe bei den Einstellungen des Roboters) gibt und zudem ein Betriebsausfall oder technische Störungen während der Operation möglich sind.
Dann ist es zwingend notwendig, dass das Operationsteam sofort auf eine andere Entnahmetechnik umsteigen kann. Wir empfehlen daher eine gründliche Recherche um den Operateur ihres Vertrauens zu finden, nehmen Sie sich außerdem Zeit für ein ausführliches Gespräch und zögern sie bei unklaren Auskünften nicht nachzufragen.
—————
Quellen:
¹ Industriepreis best of 2017 ARTAS Haartransplantationsroboter (offline)
Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)
Linktipps
– Haarausfall beim Mann
– Haarausfall bei Frauen
– Fragenkatalog Eigenhaartransplantation
– Planung und Vorbereitung zur Haartransplantation
– Qualitätskriterien in der Plastischen Chirurgie
– Plastische Chirurgie: Infos & Adressen
Fotocredit: © by Herz As Media und D J Shin – Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“