Essen gegen Cholesterin: was kann Novel Food wirklich?

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Essen gegen Cholesterin: was kann Novel Food wirklich?

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Immer häufiger werden Lebensmittel beworben, deren Inhaltsstoffe nicht nur gut und gesund sein sollen, sondern auch noch aktiv helfen sollen Krankheiten vorzubeugen.


Von Novel Food, funktionellen und neuartigen Lebensmitteln ist dann die Rede, aber was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Begriffliche Abgrenzung

Novel Food oder “neuartige Lebensmittel” sind Nahrungsmittel und Zutaten, die bisher in der Europäischen Union (EU) nicht auf den Tisch kamen. Genauer: alle Lebensmittel, die in der EU vor dem Inkrafttreten der Novel-Food-Verordnung (NFVO) am 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang im Handel waren oder verzehrt wurden.

Also hauptsächlich bislang nicht verbreitete Lebensmittel aus anderen Kulturkreisen (z.B. exotische Früchte und Pflanzen wie etwa Stevia), und Lebensmittel, die entweder selbst neuartig sind oder die durch innovative technische Verfahren neuartig sind, sowie um funktionelles Essen im weitesten Sinn.

Lebensmittel, die unter Verwendung von Gentechnik hergestellt wurden, zählen nicht dazu, ebensowenig wie Lebensmittelzusatz- und Aromastoffe.

Juristisch gesehen fällt allerdings das sogenannte Functional Food nicht in diese Kategorie. Dabei handelt es sich um Nahrungsmittel, die mit zusätzlichen Inhaltsstoffen (Nahrungsergänzungsmittel) angereichert werden, die einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben sollen.

Zugesetzt werden vor allem Vitamine, Mineralstoffe, Bakterienkulturen und ungesättigte Fettsäuren. Eine gesetzliche Definition für diese Produkte gibt es bislang in Europa nicht.

Hingegen muss ein Lebensmittel, das als Novel Food gilt, vor dem Inverkehrbringen ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Die Zulassung wird nur erteilt, wenn die Prüfung ergibt, dass das Produkt gesundheitlich unbedenklich ist.

Medizin zum Essen?

Die bekanntesten Functional Food-Produkte sind Jogurts mit Bakterienkulturen, die mit dem Zusatz probiotisch verkauft werden. Fruchtsäfte werden zum Beispiel mit den Vitaminen A-C-E angereichert, Brot mit Omega-3-Fettsäuren und Iod, Margarine mit pflanzlichen Sterinen.

Alle diese Produkte versprechen einen gesundheitlichen Mehrwert, über die Sinnhaftigkeit des Konsums solcher Produkte herrscht allerdings Uneinigkeit.

Produkte der Marke Becel werden z.B. mit dem Zusatz “Proaktiv” beworben und enthalten pflanzliche Sterine und Sterinester, die nachweislich den Cholesterinspiegel senken. Becel ist ein Markenname für eine Margarine des Herstellers Unilever.

Die Bezeichnung beruht auf der Buchstabenfolge BCL, die für “Blood Cholesterol Lowering” (Blutcholesterinsenker) steht. Die Becel-Produkte gehören zur Kategorie Functional Food mit gesundheitsfördernden Eigenschaften. Die Produkte mussten wegen der in normaler Margarine unüblichen Zusätze als Novel Food für die EU zugelassen werden.

Natürliche, hochwirksame Pflanzenstoffen (Pflanzensterine) vermindern Cholesterinaufnahme im Darm. Ihre Struktur entspricht dem Cholesterin à vermindert Aufnahme ins Blut. So wird unerwünschtes LDL-Cholesterin aktiv um 10 – 15 % gesenkt. Der Hersteller empfiehlt die tägliche Aufnahme von 20 bis 25 Gramm der Margarine, mittlerweile aber auch den zusätzlichen Verzehr der entsprechenden anderen Produkte, um das Risiko für einen Herzinfarkt und Arterienverkalkung zu senken.

Während die aktive Cholesterinsenkung dieser Produkte mittlerweile zweifelsfrei belegt ist, ist die Sinnhaftigkeit des Verzehrs zum Zwecke der Vorbeugung von Herzerkrankungen medizinisch umstritten.¹

Cholesterin auf einen Blick

– Fettähnliche Substanz,
– Bestandteil menschlicher Zellen
– Zu unterscheiden sind Nahrungscholesterin und Blutcholesterin

Gründe für erhöhten Cholesterinspiegel: falsche Ernährung, zu viel tierische Fette bzw. gesättigte Fettsäuren sowie genetische Prädisposition.

2 Arten von Blutcholesterin

  • LDL: “schlechtes” Cholesterin (führt zu Ablagerungen in den Blutgefäßen)
  • HDL: “gutes” Cholesterin (wirkt gefäßschützend)

Ideale Blutfettwerte: Maximal 200 mg/dl Gesamtcholesterin bzw. 130 mg/dl LDL-Cholesterin Mindestens 50 mg/dl HDL-Cholesterin. Ein um 10 % gesenkter Cholesterinspiegel reduziert das Herzinfarktrisiko bei 35-44-jährigen Männern um mehr als die Hälfte.²

Bewegung & gesunde Ernährung als beste Vorbeugung

Dass nur ältere und untrainierte Menschen von einem erhöhten Cholesterinspiegel betroffen sind, ist ein Irrglaube. Jede/r kann davon betroffen sein, Spitzensportler ebenso wie junge Menschen. Gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung sind der Schlüssel zu einem niedrigen Cholesterinspiegel.

Abwechslung wird hier ebenso groß geschrieben wie Geschmack. Fettreiche Lebensmittel bilden die Ausnahme, die Auswahl der richtigen Fette ist Ausschlag gebend. Im Gegensatz zu tierischen Fetten haben pflanzliche Fette und Öle mit einem hohen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren einen positiven Einfluss auf den Cholesterinspiegel.

Unilever möchte den KonsumentInnen mit der Produktpalette der Marke Becel ein zusätzliches Angebot zur Unterstützung der Cholesterinspiegelsenkung machen.

Ausdauersportarten und Alltagsbewegungen wirken sich günstig auf die Herzgesundheit und den Cholesterinspiegel aus. Wichtig ist hierbei, dass die Freude an der Bewegung im Vordergrund steht. Geeignet sind beispielsweise Nordic Walking, Joggen, Radfahren, Schwimmen, Paddeln, Wandern, Skilanglauf oder Tanzen. Drei bis vier mal pro Woche sind ideal. Aber auch Stiegen steigen oder längere Distanzen zu Fuß zurückzulegen sind zielführend.

Kritik

Der Trend aus Amerika und Japan in Richtung Nahrungsmittelergänzung und Functional Food ist unübersehrbar und ökonomisch leicht erklärbar, erwachsen den Nahrungsmittelproduzenten durch dieses Angebot doch neue Märkte mit enormen Umsatzpotential. Allerdings ist noch nicht klar, wie sehr ein Bedarf tatsächlich vorhanden, und wieviel davon durch bloßes Marketing erzeugt ist.

Stiftung Warentest kritisierte bereits 2002 unter dem Titel “Medizin auf dem Brot”, dass die medizinische Wirkung der Produkte intensiv beworben werde und es sich de facto um ein Arzneimittel handele, ohne dass auf den Packungen unerwünschte Nebenwirkungen genannt werden müssen, wie das bei echten Arzneimitteln auf dem Beipackzettel der Fall ist.

Kritik gibt es auch von Ernährungswissenschaftlern und Medizinern im Hinblick auf die Darstellung der angeblichen gesundheitlichen Risiken auf Grund erhöhter Cholesterinwerte und den versprochenen Nutzen einer Senkung des Cholesterinspiegels. Nach Auffassung der Ernährungswissenschaftlerin Ulrike Gonder steht “ein Beweis für die Theorie, dass zuviel Cholesterin im Essen zu Herzinfarkt und Arterienverkalkung führt, (…) bis heute aus.”

Nur drei von 16 Langzeitstudien hätten einen statistischen Zusammenhang zwischen der Cholesterinaufnahme und dem Auftreten von Herzinfarkten belegen können.³ Der Cholesterinspiegel steige bei jedem im Laufe des Lebens an, völlig unabhängig von der Ernährung.

Quellen:

¹ Cholesterin: die Wissenschaft vergiftet (Ulrike Gonder)
² www.becel.at
³ Fakten gegen die “Cholesterin-Lüge”: Mythos Cholesterin

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Linktipps

– Kennen Sie Ihre Cholesterin-Werte?
– Krankheitslexikon: Bluthochdruck
– Familiäre Hypercholesterinämie – Chronisch erhöhtes Cholesterin häufig genetisch bedingt
– Walnuss – gesunde Gehirnnahrung, delikater Genuss
– Camelinaöl – das köstliche Öl des Leindotters
– Smoothies – sinnvolle Alternative zu Obst & Gemüse?
– Transfettsäuren – unbekannte Gefahr
– Kann Traubensaft Herzleiden vorbeugen?
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– Gesunder Schnittlauch: Schnittlauch senkt Cholesterinspiegel

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