Schlafstörungen erhöhen Unfallrisiko und Demenzrisiko
Schlafstörungen erhöhen nicht nur das Unfallrisiko um ein Vielfaches, neue Studien deuten zudem auf ein erhöhtes Demenz-Risiko bei Betroffenen hin.
Wer nicht ausreichend Schlaf bekommt, macht Fehler. So wird jeder dritte Verkehrsunfall und rund 24 Prozent aller tödlichen Unfälle durch Müdigkeit aufgrund von schlechtem Schlaf verursacht.
Schlafstörungen – Artikelübersicht:
- Ganzheitliche Ursachenbestimmung
- Erhöhtes Demenzrisiko durch Schlafstörungen
- Das glymphatische System
- Therapie von Schlafstörungen
- Linktipps
Nun soll über diese Risiken besser informiert werden. Die Initiative Gesunder Schlaf versteht sich als Drehscheibe zwischen Betroffenen und Experten und bietet Interessierten umfangreiche Informationen zum Thema Schlaf.
“Bei länger dauernden Schlafstörungen steigt die Unfallwahrscheinlichkeit um 650 Prozent. Kein Wunder, wer nachts nur vier Stunden geschlafen hat, reagiert so, als habe er 0,5 Promille Alkohol im Blut.
Eine vollständig durchwachte Nacht entspricht einem Blutalkohol-Gehalt von 0,8 Promille”, sagt Univ.-Prof. Dr. Manfred Walzl, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Landesnervenklinik Graz.
Eine Untersuchung unter der Leitung von Prof. Walzl hat ergeben, dass jeder zweite LKW- oder Autobus-Lenker und jeder dritte PKW-Fahrer übermüdet hinter dem Steuer sitzt. Es wird vermutet, dass 33 Prozent aller Verkehrsunfälle auf Schlafstörungen zurückzuführen sind. “Diese Unfälle lassen sich verhindern”, so Prof. Walzl.
Während die Bestimmung des Blutalkohols mittels “Alkomat” einfach und rasch durchführbar ist, stand bislang keine objektive Messmethode zur Bestimmung des Müdigkeits-Grades zur Verfügung. Mittels Pupillometrischem Schläfrigkeitstest (PST) ist es nunmehr jedoch möglich, objektivierbare Parameter zu erhalten, um die Fahr(un)tüchtigkeit von KFZ-Lenkern auf Grund von Übermüdung festzustellen.
Ganzheitliche Ursachenbestimmung
Meist sind Schlafstörungen die Ursache für exzessive Tagesmüdigkeit und deren Folgen. Ein- und Durchschlafstörungen können eine Vielzahl von Ursachen wie physische Erkrankungen, Stress, Medikamenteneinnahme, Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus etc. haben. Beim gesunden Menschen wird der Schlaf-Wach-Rhythmus durch eine im Zwischenhirn, im so genannten Nucleus suprachiasmaticus, lokalisierten “Inneren Uhr” gesteuert.
“Verantwortlich für die Funktion dieser “Inneren Uhr” sind das Schlafhormon Melatonin und das Wachhormon Cortisol”, erklärt Dr. Michaela Trnka, Ärztin und Leiterin der Gesellschaft für integrative Ganzheitsmedizin in Wien.
Kommt es zu Stress, einer der Hauptursachen für Schlafstörungen, werden die Stresshormone Noradrenalin und Adrenalin vermehrt ausgeschüttet, die den Organismus in die Lage versetzen, auf die Belastungssituation zu reagieren.
Da dieser Zustand viel Energie erfordert, wird das Hormon Cortisol produziert, um auf den erhöhten Energiebedarf reagieren zu können.
Da Cortisol und Melatonin Antagonisten sind, also die Zunahme des einen, eine Abnahme des anderen bedeutet, führt Stress zu einem Melatonin-Mangel und damit zu Ein- und Durchschlafstörungen.
Wenn Schlafstörungen gehäuft auftreten, über mehrere Wochen anhalten und es dabei zur Beeinträchtigung des normalen Leistungsvermögens untertags komme, sei es notwendig, den Arzt aufzusuchen. “Im Sinne einer ganzheitlichen Ursachenbestimmung, bemühen wir uns, gemeinsam mit dem Patienten, die ganz individuellen Ursachen der Schlafstörungen herauszufinden, um individuelle Therapieansätze zu entwickeln”, so Dr. Trnka.
Erhöhtes Demenzrisiko durch Schlafstörungen
Es gibt wissenschaftliche Studien, die darauf hinweisen, dass Schlafstörungen das Demenzrisiko erhöhen können. Eine Studie aus dem Jahr 2017, die in der Fachzeitschrift “Neurology” veröffentlicht wurde, untersuchte den Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Demenz bei älteren Erwachsenen.
Die Ergebnisse zeigten, dass Personen mit Schlafstörungen ein höheres Risiko für die Entwicklung von Demenz hatten als Personen ohne Schlafstörungen.
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2018, die in der Fachzeitschrift “The Lancet Neurology” veröffentlicht wurde, untersuchte den Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Alzheimer-Krankheit. Die Ergebnisse zeigten, dass Schlafstörungen ein frühes Symptom der Alzheimer-Krankheit sein können und dass sie das Risiko für die Entwicklung von Alzheimer-Krankheit erhöhen können.
Das glymphatische System
Eine wichtige Rolle im Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Demenz spielt das sogenannte glymphatische System.
Es wurde erstmals in den letzten Jahren intensiver erforscht und hat wichtige Auswirkungen auf die Funktion des Gehirns und das Verständnis von neurologischen Erkrankungen, vor allem alle Arten von Demenz.
Das Wort “glymphatisch” leitet sich von “glia” ab, was auf die Art von Zellen im Gehirn hinweist, die als Gliazellen bekannt sind. Diese Zellen spielen eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung und dem Schutz von Nervenzellen im Gehirn.
Das glymphatische System besteht aus einem Netzwerk von Kanälen, die sich zwischen den Zellen im Gehirn befinden, insbesondere zwischen den Gliazellen. Diese Kanäle ermöglichen den Fluss von Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) durch das Gehirn.
Die Hauptfunktion des glymphatischen Systems besteht darin, Abfallprodukte und Toxine aus dem Gehirn zu entfernen.
Das glymphatische System ist also ein Reinigungssystem des Gehirns, das während des Schlafs aktiv ist und Abfallprodukte wie Beta-Amyloid und Tau-Proteine aus dem Gehirn entfernt.
Während des Schlafs öffnen sich diese Kanäle weiter, und die Zerebrospinalflüssigkeit spült schädliche Substanzen, darunter Proteine wie Beta-Amyloid und Tau-Protein, aus dem Gehirn. Diese Proteine sind mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und anderen neurologischen Störungen in Verbindung gebracht worden.
Schlafstörungen können dazu führen, dass das glymphatische System nicht richtig funktioniert und dass sich diese Abfallprodukte im Gehirn ansammeln. Dies kann das Risiko für die Entwicklung von Demenz erhöhen.
Die Entdeckung des glymphatischen Systems hat dazu beigetragen, das Verständnis der Gehirnfunktion und der möglichen Mechanismen hinter verschiedenen neurologischen Erkrankungen zu vertiefen. Es wird angenommen, dass eine Dysfunktion des glymphatischen Systems mit bestimmten neurologischen Erkrankungen in Verbindung stehen könnte
Therapie von Schlafstörungen
In der Therapie der nicht-organischen Schlafstörungen kommt der individuellen Ursachenforschung und nach Möglichkeit der Beseitigung von schlafraubenden Belastungen durch Vermeidung von Nikotin und Alkohol, Änderung von Ernährungsgewohnheiten, Umstellung von Schlafgewohnheiten, Stressbewältigung und vieles mehr eine wesentliche Bedeutung zu.
Zur medikamentösen Behandlung von nicht organischen Schlafstörungen steht das Schlafhormon Melatonin in retardierter Form zur Verfügung.
“Es ist für mich das Mittel erster Wahl, da es nebenwirkungsarm ist und zudem kein Abhängigkeitsrisiko aufweist”, sagt Dr. Walter Pleyer, Allgemein- und Ganzheitsmediziner in Wien. Besonders profitieren PatientInnen ab 55, deren Melatonin-Spiegel bereits abgeflacht ist. “Das Phänomen der senilen Bettflucht gibt es meines Erachtens nicht, dahinter verbirgt sich Melatonin-Mangel”, so der Allgemeinmediziner.
Die Website www.gesunder-schlaf.at bietet allen Interessierten umfangreiche und aktuelle Informationen zum Thema Schlaf.
[red]
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Quellen:
¹ Schlaf und Demenz. [Hermann, D.M., & Frohnhofen, H. (2018). Somnologie, 22, 233-239.] DOI: 10.1007/s11818-018-0182-4
² Sleep architecture and the risk of incident dementia in the community (Matthew P. Pase et al. in Neurology Sep 2017, 89 (12) 1244-1250;) DOI: 10.1212/WNL.0000000000004373
Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)
Linktipps
– Schlafstörungen
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[Verfasst 11/2009, Update: 09/2023]