Kaffee doch kein Aufputschmittel?

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Kaffee doch kein Aufputschmittel?

Manche Menschen können nicht ‚ohne‘ – der Kaffee ist für sie Teil des täglichen Morgenrituals und gehört zum Tagesbeginn wie Zähneputzen. Kaffee putscht auf – allerdings manche Menschen mehr und manche weniger.


Verantwortlich dafür ist das persönliche Enzymsystem Cytochrom P450 1A2, ein Abbausysteme für Koffein beim Menschen. Dieses ist aber von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt und hängt von der genetischen Grundkonstellation ab.

Kaffee doch kein Aufputschmittel? – Artikelübersicht:

Wir wollten es genauer wissen und haben Ursula Pabst vom Wiener Ernährunsgberatungsinstitut resize zum Interview gebeten.

Es gibt auch Menschen, die gern noch am Abend einen Kaffee trinken – für andere Zeitgenossen unvorstellbar, wenn man eine ruhige Nacht haben will. Wissenschafter haben nun die Ursachen für diese individuell unterschiedliche Wirkungsweisen herausgefunden.

Koffein – eine pharmakologisch wirksame Substanz

Die pharmakologische Wirkung von Koffein ist wissenschaftlich belegt. Muskelleistung und Aufmerksamkeit steigen nach dem Genuss des bitteren Bohnengetränks.

Wissenschaftlich formuliert: das im Kaffee enthaltene Alkaloid entfaltet nach rund einer halben Stunde eine stimulierende Wirkung auf das Nerven- und Blutgefäßsystem des Körpers.

Kaffee ist eindeutig ein Stimulans und lässt unsre Rezeptoren anspringen. Man fühlt sich wacher und bei hoher Dosierung sind auch motorische Auswirkungen wie leichtes Zittern möglich.

Allerdings gewöhnt sich der Körper allmählich an Koffein, so wie auch an andere Substanzen, die regelmäßig zugeführt werden. Körpereigene Abbausysteme werden aktiviert um den Normalzustand des Organismus wiederherzustellen.

Exkurs CYP1A2: Für den Abbau von Koffein ist das Enzymsystem Cytochrom P450 1A2 (CYP1A2) zuständig – eine von rund 25 organismuseigenen Regulierungsschienen, die ähnlich einer Kläranlage funktionieren.

Das Alkaloid CYP1A2 dockt an die Rezeptoren von Nervenzellen im Gehirn an, wo es – unterschiedlich schnell – abgebaut wird. Solange es dort jedoch angedockt ist, besetzt es den ‚Platz‘ und verdrängt andere Botenstoffe.

Zum Beispiel eben das Molekül Adenosin, das dafür zuständig ist, abends die Ausschüttung belebender Botenstoffe zu unterbinden. Sind seine ‚angestammten‘ Andockstellen durch Koffein besetzt, kann es seine einschläfernde Wirkung nicht mehr entfalten und wir bleiben länger wach.

Genetik und Gewöhnung

Doch genau diese Enzymsysteme funktionieren nicht bei allen Menschen gleich – nicht gleich schnell und nicht gleich stark. Verantwortlich dafür ist die genetische Grundkonstellation des einzelnen.

Diese genetischen Unterschiede, auch Polymorphismen genannt, führen dazu, dass die Aktivität des Enzyms sehr unterschiedlich ausfällt. Wenn man der Einfachheit halber annimmt, dass ein normaler Abbauprozess eine Stunde dauert, dann gibt es Menschen, die das Koffein nach nur sechs Minuten abgebaut haben und solche, deren Körper für den gleichen Prozess zwei Stunden braucht – Verhältnisse von 10:200 also.

Das Resultat: Menschen mit hoher Enzymaktivität bauen Kaffee so schnell ab, dass das Koffein scheinbar kaum Wirkung hat. Die Wissenschaft nennt diese Gruppe, die auch nach einem Kaffee nach dem Abendessen gut einschlafen können.

“Fast Metabolizer“. Im Gegensatz dazu sollten “Slow Metabolizern” längstens drei Stunden vor dem Schlafen gehen die Finger von dem bitten Aufgussgetränk lassen.

Neben der genetischen Disposition gibt es aber auch nach umweltbedingte Einflussfaktoren – umgangssprachlich ‚Gewöhnungseffekt‘ genannt.

Die Rezeptoren im Körper gewöhnen sich nämlich schlichtweg an hohe Dosen von Koffein, was bewirkt, dass die stimulierende Wirkung mit der Zeit abnimmt. Den stärksten aufputschenden Effekt erleben daher sporadische Kaffeegenießer.

Experteninterview

Wir wollten es genauer wissen und haben Ursula Pabst vom Wiener Ernährunsgberatungsinstitut resize zum Interview gebeten:

Gesund.co.at: Ist Kaffee gesund?

Ursula Pabst: Ob Kaffee gesund ist oder nicht, kann pauschal nicht so einfach beantwortet werden. In Kaffee stecken sicherlich viele gesunde Inhaltsstoffe, unter anderem Antioxidantien. Bei der Frage zum gesundheitlichen Aspekt muss man allerdings genauer hinschauen.

Wie viel Kaffee wird getrunken? 3-4 Tassen pro Tag gelten als vertretbar.

Was gibt man hinein, etwa Zucker oder Milch? Je mehr Kaffee man trinkt, desto weniger sollte man Zucker oder Milch verwenden. Ein großer Cafe latte mit Zucker liefert nämlich schon fast den Gegenwert einer kleinen Mahlzeit.

Wann wird Kaffee getrunken, zu welcher Tageszeit und in welcher Situation? Wer nämlich in Stresssituationen anstatt Pausen zu machen und etwas zu essen einfach immer wieder nur zu Kaffee greift, tut sich damit nicht unbedingt etwas Gutes. Magenschmerzen können die Folge sein.

Gesund.co.at: Was ist ihr Tipp für Viel-Kaffeetrinker? Espresso oder Häferl/Filterkaffee und wie viele davon pro Tag?

Ursula Pabst: Die Zubereitung von Kaffee beeinflusst, wie viele Reizstoffe und Koffein im Kaffee gelöst werden. Filterkaffee hat lange Kontakt mit dem Kaffee, dadurch lösen sich mehr Reizstoffe, dafür ist aber verdünnter.

Espresso enthält weniger Reizstoffe, weswegen Vieltrinker lieber Espresso oder noch besser Verlängerten (Espresso mit heißem Wasser) trinken sollten. Mehr als 3-4 Tassen am Tag sollten es aber von beiden nicht sein.

Gesund.co.at: Macht es bezüglich Aktivierung einen Unterschied ob man den Kaffee schwarz oder mit Milch und/oder Zucker trinkt?

Ursula Pabst: Milch, beziehungsweise das Fett darin bindet bestimmte Stoffe im Kaffee. Kaffee mit Milch wird als milder wahr genommen. Das Koffein wirkt tatsächlich langsamer, dafür aber länger.

Welche Wirkung nun bevorzugt wird, muss man wohl selbst ausprobieren. Die Wirkung des Koffeins hängt auch von anderen Faktoren ab, etwa was dazu gegessen wird, und wie sehr man an Koffein gewöhnt ist.

Zucker ist ja selbst ein Aufputschmittel, weswegen die Kombination Kaffee und Zucker besonders wirksam ist, um die Aufmerksamkeit und das Lernvermögen zu fördern.

Gesund.co.at: Bisher galt Kaffee als ‚das’ Aufputschmittel schlechthin – würden Sie das nach wie vor unterschreiben?

Ursula Pabst: Koffein, das in Kaffee, aber auch in Tee vorkommt, macht wach und leistungsfähig. Aber nur, wenn man es nicht übertreibt, denn sonst braucht man immer mehr davon, um noch eine Wirkung feststellen zu können.

Als „Aufputschmittel“ greifen Personen, denen Kaffee zu wenig ist, eher zu Energydrinks: ein ungesunder Trend, da die Getränke meist sehr süß sind.

Wer sich über die Ernährung aufputschen möchte, sollte besser regelmäßig essen und gute, das heißt langkettige Kohlenhydrate bevorzugen. So gerät der Körper nicht so schnell auf eine Blutzucker-Achterbahnfahrt, durch die nach Hochs auch wieder richtige Tiefs spürbar sind.

Gesund.co.at: Kaffee wirkt nicht bei allen Menschen gleich – Wieso ist das so?

Ursula Pabst: Kaffee ist nicht gleich Kaffee: unterschiedliche Zubereitung, unterschiedliche Kaffeesorten und verschiedene Röstungen lassen Vergleiche kaum zu.

Generell reagieren Menschen unterschiedlich auf bestimmte Wirkstoffe, so auch beim Koffein. Genetische Faktoren wie etwa das Enzymsystem in der Leber beeinflussen, ob Stoffe wie Koffein schneller abgebaut werden, oder langsamer. Auch, ob etwas dazu gegessen wird, oder geraucht wird, beeinflusst die Wirkung von Koffein.

Gesund.co.at: Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede?

Ursula Pabst: Es gibt Untersuchungen, die zeigen sollen, dass Koffein bei Männern schneller und stärker wirke, als bei Frauen. Die Ergebnisse sind aber fragwürdig.

Vorstellbar ist, dass bestimmte Substanzen, so wie auch Alkohol, bei Frauen anders wirken, da sie im Durchschnitt einen niedrigeren Wasseranteil und einen höheren Fettanteil im Körper haben.

Gesund.co.at: Wir bedanken uns für das Interview.

Individuelle Entscheidung

Wie so oft im Leben gibt es auch auf die Frage ob Kaffee nun ein Wachmacher ist oder nicht, nicht bloß EINE wahre und gültige Antwort. Jeder Mensch ist ein großartige Wunderwerk des Lebens und jeder Mensch reagiert auf äußere und innere Reize anders und individuell.

Wenn Sie wissen wollen, ob Sie nach einem Kaffee am Abend noch schlafen können – probieren Sie es aus. Nur Sie selbst wissen, was Ihnen gut tut und was nicht.

In Lebensumstellungsprozessen, also wenn Sie z.B. mit dem Rauchen aufgehört haben oder auch nach einer Krankheit kann auch Ernährungsberatung Sinn machen. Wichtig ist, dass Sie sich verlässliche und vertrauensvolle Partner für diesen Prozess suchen.

Ursula Pabst ist Ernährungswissenschaftlerin und Teil des Kernteams von resize.

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Quellen:

¹ Coffeecircle: Koffein Wirkung
² Ernährungsberaterin Ursula Pabst | resize

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Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

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