Biotropie – das Wetter als Krankheitsfaktor
Was der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten für den Menschen bedeutet, wissen wir jetzt schon: mehr kardiovaskuläre Erkrankungen, neue Infektionserkrankungen, Dehydrierung und psychische Beeinträchtigungen.
Der Begriff Biotropie (Wetterfühligkeit) beschreibt den Einfluss von Klima- & Wetterereignissen auf das menschliche Befinden.
Biotropie – Artikelübersicht:
- Klimawandel & Biotropie: bei zunehmender Erderwärmung steigt die Wetterempfindlichkeit
- Wie extreme Hitze unsere Gesundheit beeinflusst
- Vulnerable Kinder und ältere Menschen
- Hitzewelle – die besten Patiententipps für vulnerable Gruppen
- Linktipps zum Thema
Weltweit werden immer neue Hitzerekorde im Sommer verzeichnet, selbst in Mitteleuropa sind Hitzewellen mit Temperaturen um die 40°C möglich. Die Auswirkungen auf den menschlichen Organismus sind beachtlich und zuweilen verheerend. Vor allem Herzkranke, Kleinkinder und ältere Menschen leiden besonders darunter und sind unbedingt vor der Hitze zu schützen.
Klimawandel & Biotropie: bei zunehmender Erderwärmung steigt die Wetterempfindlichkeit
Bereits 2015 hat das Deutsche Umweltbundesamt die Zusammenhängen zwischen Wetter und Gesundheit sowie der Beziehung zwischen Wetterfaktoren und Mortalität analysiert.
Der Einfluss des Klimawandels wurde auf Basis von 19 regionalen Klimamodellen für Deutschland untersucht, die Auswirkungen zukünftiger Entwicklung auf die Gesundheit kam klar zum Vorschein. (Umwelt & Gesundheit | 06/2015)
Auch Klaus Haslinger von der Abteilung Klimaforschung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien formuliert es eindeutig: “Die Zahl der Hitzetage und Hitzewellen wird steigen, die Kältewellen, Eis- und Frosttage wird bei uns sinken.”
Die Zahlen belegen es klipp und klar: der Klimawandel ist in vollem Gange.
Die Zunahme der Hitzetage – also jener Tage mit Temperaturen von über 30° Celsius – beträgt mittlerweile 65 Prozent. Waren es zwischen den Jahren 1981 und 2000 im Durchschnitt 14 Hitzetage jährlich, so lag die Zahl zwischen 2001 und 2020 bereits bei jährlich 23 Hitzetagen.
Mit zunehmender Erderwärmung steigt die Wetterempfindlichkeit der Menschen, in der Fachsprache Biotropie genannt.
Hitzewellen sowie rasche Temperaturänderungen zum Vortag und Temperaturschwankungen binnen eines Tages werden mit einer erhöhten Wetterfühligkeit in Verbindung gebracht, was zur Folge hat, dass bereits vorhandene Krankheiten und Beschwerden verstärkt oder ausgelöst werden können.
„Der Klimawandel schlägt vor allem auf den Kreislauf und bereitet insbesondere Menschen mit Herz- oder Bluthochdruck große Probleme. Es kommt zu Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten, Muskelkrämpfen bis hin zu Herzrhythmusstörungen“, erklärt Prof. Dr. Stefan Frantz, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des Uniklinikums Würzburg (UKW).
Wer sich nicht rechtzeitig Kühlung verschafft, riskiert sogar einen Hitzschlag. Auch die Nieren können unter den erhöhten Durchschnittstemperaturen und extremer Hitze leiden.
Wie extreme Hitze unsere Gesundheit beeinflusst
Die Wirksamkeit des Wetters auf das menschliche Befinden (biotropie) wird auch als Wetterkrankheit oder Wetterfühligkeit bezeichnet, dabei handelt es sich aber um keine Krankheit im klassischen Sinne. Das Wetter – vor allem extreme Wetterereignisse wie Föhn, Extremhitze, Kälteeinbrüche usw. – kann aber vorhandene Krankheiten und Beschwerden verstärken oder auslösen.
Gerade hohe Temperaturen sind eine Herausforderung für den Kreislauf. Die Blutgefäße weiten sich, damit der Körper die Wärme besser abgeben kann. Dadurch sinkt der Blutdruck, was zu Schwindel, Kopfschmerzen und Unwohlsein bis hin zu Übelkeit führen kann.
Hitze verursacht auch eine erhöhte Herzfrequenz, vermehrte Durchblutung der Haut und Schweißabsonderung um bei erhöhter Körpertemperatur Wärme abzugeben.
Dabei wird das Blutvolumen von den Zentralorganen in die Haut und die Körperschale umverteilt. Als Konsequenz werden die lebensnotwendigen Organe nur mehr unzureichend durchblutet, was etwa für Gehirn, Herz und Nieren schwere Folgen haben kann.
Während kurzfristige Temperaturerhöhungen kein Problem für den Körper sind, so kann er eine permanente Erhöhung der Körpertemperatur über 37 Grad nicht mehr kompensieren. Dann droht Organen wie Herz, Hirn, Lunge oder Leber ein physischer Schaden durch Denaturierung von Proteinen.
Ein weiteres Problem: „In Folge des vermehrten Schwitzens kommt es naturgemäß zu einem Verlust von Flüssigkeit und wichtigen Körpersalzen, den sogenannten Elektrolyten. Der Mangel an Flüssigkeit und die hitzebedingte Weitstellung der Gefäße führen zum bereits erwähnten Absinken des Blutdrucks. Das Herz pumpt nicht mehr ausreichend Blut durch den Körper – und die Nieren“, berichtet Professor Dr. Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie am UKW und Präsident der European Renal Association ERA.
„Wer diesen Flüssigkeitsverlust nicht ausgleicht, trocknet aus. Das kann ein Nierenversagen zur Folge haben. Auch das Risiko für die Bildung von Harnsteinen und Harnwegsinfektionen wird durch eine Austrocknung des Körpers erhöht.“
Schwere Beine: Ein weiteres Problem ergibt sich dadurch, dass durch die geweiteten Blutgefäße bei Hitz bei vielen Menschen die Venenklappen in den Beinen nicht richtig funktionieren. Das Blut staut sich, und die Knöchel schwellen an. Dies betrifft vor allem Menschen, die viel Zeit sitzend am Schreibtisch verbringen, sowie Raucher, Schwangere, Ältere und Übergewichtige.
Nur durch ausreichend Flüssigkeitsaufnahme wird die Fließgeschwindigkeit des Blutes erhöht und das Gefühl der schweren Beine reduziert. Auch moderate (!) Bewegung hilft. Gerade im Sommer bietet sich natürlich Schwimmen an, aber auch Radfahren in den kühleren Morgen- oder Abendstunden ist in diesem Zusammenhang hilfreich.
Vulnerable Kinder und ältere Menschen
Genauso wie ältere Personen, kommen auch Kinder mit den Auswirkungen des Klimawandels schlechter zurecht als Erwachsene bis 65 Jahre.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) betreffen über 80 Prozent der Krankheitslast, die dem Klimawandel zuzurechnen sind, Kinder unter fünf Jahren. Dies liegt vor allem daran, dass der Organismus noch nicht voll ausgereift ist. Kinder schwitzen etwa weniger und neigen daher zu Überhitzung, außerdem können ihre Nieren den Harn noch nicht so gut konzentrieren und auch die Haut ist im Vergleich zu Erwachsenen empfindlicher gegen Sonneneinstrahlung.
Bei älteren Menschen wiederum lässt generell das natürliche Durstgefühl nach, weshalb diese Bevölkerungsgruppe besonders von Flüssigkeitsmangel und all seinen Folgen betroffen ist.
Dazu besteht für ältere Mitbürger und Personen mit chronischen Vorerkrankungen bei hohen Temperaturen die Gefahr von Stürzen, Austrocknung, Verwirrtheit und Kreislaufkollaps oder -stillstand.
Außerdem muss bei älteren Patienten mit bestimmten Erkrankungen die Medikation angepasst werden. Vor allem die Gabe und Dosis von Medikamenten wie beispielsweise Diuretika, Antihypertensiva und Neuroleptika muss im Auge behalten werden.
Nicht zuletzt können Extremhitze und längere Hitzeperioden nicht nur Beeinträchtigungen der körperlichen, sondern auch der kognitiven Leistungsfähigkeit mit sich bringen. Diese Auswirkungen auf die psychische Gesundheit können massiv ausfallen und alle Bevölkerungsgruppen betreffen.
Hitzewelle – die besten Patiententipps für vulnerable Gruppen
Am besten trinkt man morgens direkt nach dem Aufstehen schon ein großes Glas Wasser, das füllt die Speicher wieder auf, kurbelt den Kreislauf an und fördert die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.
Über den Schweiß gehen auch viele Elektrolyte verloren, wertvolle Mineralstoffe wie Natrium, Kalium, Calcium und Magnesium sowie Zink und Jod. Achten Sie neben einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr auf eine ausgewogene Ernährung. Einem Mangel an Elektrolyten wirkt man gut mit einer Gemüsebrühe oder einer Gazpacho, der kalten andalusischen Gemüsesuppe, entgegen. Wer bereits an einer Herzerkrankung leidet, sollte vor allem seinen Kalium-Spiegel im Blick haben, da ein Kalium-Mangel die Herzfunktion noch stärker beeinträchtigen kann.
Körperliche Aktivitäten wie Einkaufen, Haus- und Gartenarbeit sollten bei Hitze auf ein Minimum reduziert und in die kühleren Morgen- und Abendstunden verlegt werden. Das gilt auch für Sport.
Lüften Sie früh morgens und spät abends oder nachts und halten Sie tagsüber die Fenster geschlossen. Sperren Sie die Hitze aus, indem Sie alle Räume verdunkeln, sofern vorhanden mit außenliegende Rollläden, sie schützen besser vor Hitze als innenliegende Jalousien oder Vorhänge.
Bevorzugen Sie leichte, luftige und helle Kleidung aus Baumwolle, damit sich die Hitze nicht staut. Und denken Sie an eine Kopfbedeckung, wenn Sie sich draußen aufhalten.
Eine wohltuende Erfrischung bringen kalte feuchte Tücher im Nacken sowie kalte Fuß- und Armbäder. Springen sie aufgehitzt nicht sofort in kaltes Wasser, dies kann zu einer Überbelastung des Kreislaufes führen. Für den Extra-Kühl-Effekt sorgen ein paar Tropfen ätherische Öle im Wasser wie Minze, Zitrone oder Eukalyptus.
Unter Umständen muss bei bestimmten Patienten die Medikation angepasst werden. Besonderes Augenmerk muss auf Medikamente gelegt werden, die harntreibend (diuretisch) wirken und eine bedrohliche Dehydration (Exikkose) verstärken können. Außerdem ist der Blutdruck im Blick zu halten. Denn die Hitze weitet die Gefäße, sodass der Blutdruck sinkt. Gegebenenfalls muss auch in diesem Fall die Dosis der Medikamente angepasst werden.
Damit etwaige allergische Reaktionen bei Hitze nicht noch zusätzlich den Organismus belasten, hilft nach einem Insektenstich rasche Kühlung beispielsweise mit einem Coolpack oder einem Gel aus der Apotheke. Gegen den Juckreiz helfen antiallergische Gels oder Stifte, Sprays oder Cremes. Es gibt auch einen elektronischen Stichheiler, der mit konzentrierter Wärme physiologische und immunologische Prozesse aktiviert und so wirkungsvoll die Symptome lindert.
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Quellen:
¹ Einfluss des Klimawandels auf die Biotropie des Wetters und die Gesundheit bzw. die Leistungsfähigkeit der Bevölkerung (Dr. Stefan Zacharias, Dr. Christina Koppe; Umwelt & Gesundheit | 06/2015)
² www.deutschesgesundheitsportal.de
³ Doktor in Wien (Ärztekammer 07_08_2022)
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Linktipps
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