Wie Impfungen die Geschichte der Menschheit veränderten
Die Erforschung und Entwicklung von Schutzimpfungen zählt zweifellos zu den Meilensteinen in der Medizingeschichte. Umso überraschender die mitunter große Impfskepsis?
Österreich weist eine vergleichsweise hohe Zahl an Impfskeptikern aus und dies nicht erst seit der Coronapandemie. Die Gründe dafür sind mannigfach, politisch-ideologische Grenzen verschwimmen bei den Skeptikern oder Kritikern des Impfwesens. Das Spannungsfeld zwischen Profitstreben und der Gesundheit der Menschen wirft jedenfalls viele ethische Fragen auf.
Impfungen als Meilenstein der Medizingeschichte – Artikelübersicht:
- Die Geschichte der Schutzimpfungen
- Erfolgsgeschichte
- Impfungen: Nebenwirkungen und ihre Häufigkeiten
- Vertrauen und Skepsis: Voraussetzungen für den Impferfolg
- Video: Wozu Impfen?
- Linktipps
„Der unschätzbare Wert, den Impfungen für die Gesellschaft stiften, ist in diesen Tagen so sichtbar wie nie zuvor. Die global unter Druck geratenen Gesundheitssysteme können dank der flächendeckend verabreichten Impfungen gegen COVID-19 endlich wieder aufatmen. Es ist traurig, wenn uns erst historische Katastrophen wie die derzeitige Coronavirus-Pandemie zeigen, dass Impfungen die wirkungsvollste Präventionsmaßnahme im Kampf gegen Infektionskrankheiten sind.” sagt der Generalsekretär Alexander Herzog vom Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs.
Und er ergänzt: “Sich gegen Erkrankungen impfen zu lassen und dadurch sich selbst und andere zu schützen, ist auch ein individueller Akt der Solidarität.“
Dass eine solche Äußerung von einem Interessensvertreter jenes Industriezweigs kommt, der davon am meisten profitiert, überrascht wenig. Doch ist allein das schon Grund für Skepsis?
An Medikamenten und Präventivmaßnahmen wie Impfungen wird verdient – im Falle einer Pandemie geht es da auch um richtig viel Geld. Vergessen wird, dass auch Forschung und Entwicklung mitunter Unsummen verschlingen und dass es für den Hersteller keineswegs garantiert ist, ob sein Präparat zum Mittel der Wahl wird.
Entscheidend ist, ob und in welchem Ausmaß die Medizinprodukte Nutzen stiften. Im Zusammenhang mit der entwicklung von Impfungen lohnt da ein Blick in die Vergangenheit.
Die Geschichte der Schutzimpfungen
Eine Infektionskrankheit – die Pocken – wurde durch Impfungen bereits ausgerottet, mehrere weitere könnten noch eliminiert werden. Außerdem werden Millionen Todesfälle und Behinderungen jedes Jahr durch Impfungen vermieden.
Selbst im kleinen Österreich kann man das ganz klar nachweisen. Doch neben diesen Erfolgen gibt es auch Herausforderungen, sowohl auf internationaler, auf EU- als auch auf österreichischer Ebene.
Ein wesentlicher Punkt ist das Vertrauen der Menschen in Impfungen. Dieses ist essenziell, wenn es um die Erreichung jener hohen Durchimpfungsraten geht, die für die Erreichung eines Gemeinschaftsschutzes und langfristig für die Ausrottung von Krankheiten notwendig sind.
Neben den Nationalstaaten unterstützt hier die EU mit einer Palette von Maßnahmen. Wesentlich ist auch die Zusammenarbeit von Herstellern, Behörden und Gesundheitspolitik weltweit, um Impfstoffe in ausreichender Menge am richtigen Ort zur richtigen Zeit zur Verfügung stellen zu können.
Erfolgsgeschichte
„Nicht neu, aber ein bisschen in Vergessenheit geraten ist die Tatsache, dass keine andere Gesundheitsmaßnahme mit Ausnahme von sauberem Trinkwasser so positive Auswirkungen auf das Bevölkerungswachstum und den Rückgang der Sterblichkeit gehabt hat wie die Einführung von Impfungen“, erläutert Dr.in Daniela Kasparek, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde in Wien.
„Nicht einmal Antibiotika hatten einen ähnlich durchschlagenden Erfolg.“ Allein die Masern-Impfung hat zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2018 dazu geführt, dass 23,2 Millionen Todesfälle vermieden werden konnten.
Impfungen können aber nicht nur Leben retten, sondern auch Leben verändern. „Kinder können gesünder aufwachsen, zur Schule gehen und damit ihre Möglichkeiten im Leben verbessern“, betont die Kinderärztin.
Weltweit sind der Coronapandemie mittlerweile mehr als 6,2 Millionen Menschen zum Opfer gefallen. Impfungen sind neben einem gesunden Lebensstil eine essenzielle Säule der Prävention.
Dass die Skepsis den Impfungen gegenüber aber besteht und mitunter sogar zugenommen hat, liegt laut Generalsekretär Alexander Herzog am Erfolg der Impfungen selbst: „Wer Krankheiten wie Kinderlähmung, die dank Impfungen ausgerottet wurde, nicht mehr kennt und erleben muss, unterschätzt oftmals ihre Folgen, wie etwa bleibende gesundheitliche Schäden oder Todesfälle. Das Coronavirus führt uns vor Augen, wie fatal eine Welt ohne Impfungen aussehen würde“, erklärt Herzog.
Was mit Impfungen erreichbar ist, zeigt sich nicht nur weltweit, sondern auch in Österreich. So waren Rotaviren vor Einführung der Impfung die häufigsten Erreger von Brechdurchfall bei Säuglingen und Kleinkindern in Österreich. Bevor ein Impfstoff zur Verfügung stand, wurden jährlich 2.900 bis 4.400 Kinder mit einer Rotaviren-Infektion stationär behandelt.
„Seit die Impfung 2007 ins österreichische kostenfreie Kinderimpfprogramm aufgenommen wurde, konnte die Hospitalisierungsrate um 90 Prozent gesenkt werden. Sogar Herdenimmunität wurde erreicht. Ein großer Erfolg“, betont Kasparek.
Ein anderes Beispiel aus Österreich für den positiven Effekt von Impfungen ist die bekannte FSME-Impfung. Vor Beginn der großen Impfaktionen war FSME in Österreich die häufigste virale Infektionskrankheit mit Entzündung des Gehirns. Pro Jahr wurden damals 300 bis 700 hospitalisierungspflichtige Krankheitsfälle registriert.2 2021 diese Zahl bei „nur“ 128.
Kasparek stellt klar: „Das ist ein eindeutiger Erfolg der Impfung, der aber größer sein könnte, wenn sich mehr Menschen gegen FSME impfen und vor allem auch auffrischen lassen würden.“
Freilich bringen Impfungen nicht nur Segen, es gab und gibt natürlich auch Nebenwirkungen und Impfschäden: nach Expertenschätzungen führte in den 1960ern etwa jede 30.000ste Pocken-Impfung zu schweren Schäden. Auch die Schweinegrippe-Impfung mit Pandemrix kann bei Menschen mit bestimmten genetischen Veranlagungen zu Narkolepsie (Schlaf-Wach-Störung) führen.
Um das Risiko richtig einschätzen zu können, ist bei derartigen Betrachtungen allerdings immer die Relation zwischen verabreichten Impfdosen und verzeichneten (und bestätigten) Impfnebenwirkungen und Impfschäden zu berüksichtigen.
Impfungen: Nebenwirkungen und ihre Häufigkeiten
Vertrauen und Skepsis: Voraussetzungen für den Impferfolg
„Eine Voraussetzung für den Erfolg von Impfungen ist das Vertrauen in sie“, erläutert Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH). Ein anderer wichtiger Erfolgsfaktor sei der einfache beziehungsweise niederschwellige Zugang zu den Impfstoffen.
Laut WHO könnte man zum Beispiel die Masern ausrotten und auch Masernausbrüche verhindern, wenn mehr Menschen Vertrauen in und Zugang zur Masern-Impfung hätten.
„Ebenso wichtig wie Vertrauen und Zugang ist, dass globale und lokale Entscheidungsträger (Behörden, Gesundheitspolitik, etc.) Impfziele definieren und Strategien sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Durchimpfungsraten setzen. Erst wenn genügend Menschen geimpft sind, kann dies auch zu einer Verbesserung der weltweiten Gesundheit führen“, stellt Gallo-Daniel klar.
Dafür muss aber auch genügend Impfstoff vorhanden sein. „Hier spielen mehrere komplexe Faktoren eine Rolle“, so die ÖVIH-Präsidentin. Zunächst die erfolgreiche Forschung und Entwicklung. Danach müssen die Daten zur Zulassung bei den Zulassungsbehörden weltweit eingereicht werden. Ein Prozess, der auch nach der Zulassung weitergeführt wird.
„Gerade in der EU sind die Prozesse nach der Zulassung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Impfstoff tatsächlich verabreicht werden kann, sehr komplex und dauern normalerweise zwei bis sechs Jahre“, erklärt Gallo-Daniel.
Video: Wozu Impfen?
Gemeinsam mit dem Molekularbiologen und Science Buster Dr. Martin Moder arbeitet der ÖVIH an einer Videoserie, in der die wichtigsten impfpräventablen Erkrankungen erklärt werden und aufgezeigt wird, welchen Nutzen die jeweiligen Impfungen bringen können.
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Quellen:
¹ UNICEF. Immunization programme
² Österreichischer Impfplan 2022 (pdf)
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Linktipps
– Wie funktioniert Impfen?
– Impfdebatte: Immunisierung in Österreich
– Mit FSME ist nicht zu spassen
– Corona-Impfung: aktuelle Infos zu Impfreaktionen und Nebenwirkungen
– Schutzimpfung: was FSME & Covid-19 gemeinsam haben
– Impfen gegen SARS-CoV-2 ja oder nein?
– Diphterie | Krankheitslexikon
– Medikamente im Urlaub