Mit FSME ist nicht zu spaßen: Titerbestimmung durchführen, Impfschutz klären
Wie jedes Jahr warnen pünktlich zu Saisonbeginn Vakzinologen und Impfhersteller vor dem Langwierigen Krankheitsverlauf und der möglichen Todesgefahr bei FSME-Infektionen und raten dringend zur schützenden Impfung.
Tatsächlich liegt bei FSME bei Kindern und Erwachsenen eine relativ hohe Durchimpfungsrate vor und oftmals hält der Impfschutz bei diesen Personen länger als ursprünglich angenommen. Vor allem für Impfskeptiker ist die Titerbestimmung daher eine Möglichkeit, sich die eine oder andere Auffrischungsimpfung zu ersparen. Mit diesem Antikörper-Test lässt sich klären, ob die Notwendigkeit einer neuerlichen Impfung besteht bzw. ob der Körper über genügend Eigenschutz verfügt. Eine grundsätzliche Zeckenschutzimpfung ist bei uns aber jedenfalls ratsam.
FSME Titerbestimmung – Artikelübersicht:
- Größte Infektionsgefahr in der Freizeit
- Erste Symptome nach einer Woche
- Nur symptomatische Behandlung möglich
- Impfschutz
- Impfstatus kennen: Titerbestimmung
- Linktipps
Die Zeckensaison ist in vollem Gange, und damit herrscht für die Pharmabranche Hochkonjunktur. Dank Aufrufen via TV, Radio und Plakaten haben sich auch heuer wieder weite Teile der Bevölkerung gegen FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) impfen lassen. Das ist aus medizinischer Sicht auch richtig und wichtig, denn der Impfstoff gilt in Fachkreisen als so gut wie nebenwirkungsfrei. Kritiker sehen allerdings im österreichischen Impfplan hinsichtlich der Impfintervalle einen Kniefall vor der Pharmaindustrie, die ihre Produkte unters Volk bringen wolle. Eine Titerbestimmung, also ein Antikörpertest erfasst die Konzentration von Antikörpern im Blut und zeigt, ob die Notwendigkeit einer Impfung besteht bzw. ob der Körper über genügend Eigenschutz verfügt.
Größte Infektionsgefahr in der Freizeit
116 dokumentierte und hospitalisierte FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis)-Krankheitsfälle gab es 2017 in Österreich. (1) Das ist mehr als in den Jahren zuvor, aber vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Die weniger schweren Fälle werden oft nicht als solche erkannt, da die Symptome unspezifisch, aber für die Betroffenen dennoch äußerst unangenehm sein können. (2) Und wer schwer erkrankt war, leidet unter Umständen sogar noch Jahre später an den Folgen. Im Gegensatz zu anderen viralen Erkrankungen ist FSME nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Das bedeutet, jeder einzelne muss sich impfen lassen, um geschützt zu sein.
Studien zeigen, dass mehr als 88 Prozent aller FSME-Infektionen in der Freizeit passieren. (3) Denn egal, ob man sich im Freibad auf die Liegewiese legt oder im Gebirge wandern geht: Zecken lauern an vielen Plätzen. Sie halten sich am liebsten bis 150 Zentimeter über dem Boden auf – im Gebüsch, im Gras oder im Unterholz. Allein das Vorbeigehen reicht, um sie abzustreifen. Meist merkt das der Betroffene nicht und das Tier hat unter Umständen mehrere Stunden Zeit, nach dem Festsaugen – im schlechtesten Fall – das FSME-Virus zu übertragen.
Erste Symptome nach einer Woche, dauerhafte Folgen nicht ausgeschlossen
Ob eine FSME-Infektion stattgefunden hat, lässt sich spätestens nach einigen Wochen im Blut feststellen. Zwei bis vier Wochen nach einem Zeckenstich sind FSME-spezifische IgM-Antikörper (sie werden nach dem erstmaligen Kontakt mit einem Krankheitserreger gebildet) zu finden, später auch IgG-Antikörper (5) (sie entwickeln sich, wenn eine Infektion durchgemacht wurde). In 20 Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung unbemerkt. In den restlichen Fällen merkt der Patient selbst die Krankheit nach einer Inkubationszeit von etwa einer Woche bis zehn Tagen vor allem durch ein allgemeines Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen und Fieber, manchmal auch durch Bauchschmerzen (6) – ähnlich wie bei einem grippalen Infekt.
„In diesen Fällen wird leider nur selten an eine FSME-Infektion gedacht“ erläutert Univ. Prof. Dr. Erich Schmutzhard, Univ. Klinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck. „Oft bleibt die Erkrankung unerkannt und die Patienten scheinen nicht in der offiziellen FSME-Statistik auf. Die Symptome können für die Betroffenen dennoch sehr unangenehm sein. Das einzig Positive daran ist, dass keine Ansteckungsgefahr für andere Personen besteht, da es keine Mensch zu Mensch-Übertragung gibt.“
Bleibt es bei diesem einmaligen Auftreten der Symptome, haben diese Patienten Glück im Unglück. Bei einem Teil der Erkrankten kommt es aber nach einem symptomfreien Intervall von etwa einer Woche zu einem zweiten Krankheitsgipfel: Das Fieber kehrt zurück und etwa die Hälfte jener, die in diese zweite Phase kommen, bekommen abhängig vom Alter auch eine Hirnhautentzündung, 40 Prozent zusätzlich eine Hirnentzündung und weitere 10 Prozent sogar noch eine Rückenmarksentzündung. Mit zunehmendem Alter wird der Verlauf der Krankheit schwerer und es bleiben häufiger langfristige Defizite zurück. (4)
Nur symptomatische Behandlung möglich
Problematisch ist – wie bei vielen viralen Infekten – , dass FSME nicht ursächlich behandelt werden kann“, so Experte Schmutzhard. „Fieber, Kopfschmerzen und auch neurologische Anfälle behandeln wir symptomatisch. Sonst können wir leider nach wie vor nicht viel tun.“ Etwa fünf Prozent der Patienten müssen in der Akutphase mit Atemlähmung oder schweren Bewusstseinsstörungen auf die Intensivstation. Im Anschluss ist manchmal ist auch eine Behandlung durch Physio- oder Ergotherapeuten beziehungsweise durch Logopäden erforderlich. (5)
Langfristige Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen
Jene, die an einer akuten Gehirnentzündung gelitten haben, entwickeln in 40 bis 50 Prozent der Fälle ein post-enzephalitisches Syndrom. Dieses kann die Patienten langfristig beeinträchtigen und dazu führen, dass der persönliche Lebensstil der Krankheit angepasst werden muss. (7) Symptome sind Konzentrationsstörungen, Gedächtnisschwäche, Wortfindungsstörungen oder Gangunsicherheit. Außerdem kann es zu psychischen Störungen, Kopfschmerzen, allgemeinem Unwohlsein und eingeschränkter Leistungsfähigkeit kommen. (8)
Ein ganz besonders schweres Los haben Patienten, die auch an einer Rückenmarksentzündung gelitten haben. Denn diese Form der Erkrankung hat die schlechteste Prognose. In einer Studie wurden 57 dieser Patienten über 10 Jahre hinweg beobachtet. Nur 19 Prozent wurden wieder vollständig gesund, bei der Hälfte blieben langfristige Folgeerscheinungen zurück und ein knappes Drittel starb sogar an den Folgen einer FSME innerhalb von 10 Jahren. (9)
Impfen schützt
„Auch in Österreich sind allein letztes Jahr einige Fälle dokumentiert, in denen es zu schweren Folgeerscheinungen gekommen ist, die womöglich bleiben werden“, berichtet der Innsbrucker Neurologe. „Wir empfehlen daher dringend, sich impfen zu lassen und sich vor allem rechtzeitig eine Auffrischungsimpfung zu holen, um genau so etwas zu verhindern.“ Die Grundimmunisierung erfolgt in drei Teilen, wobei die ersten beiden Impfungen im Abstand von einem bis drei Monaten stattfinden, die dritte im Jahr darauf.
Beim sogenannten Schnellschema können die ersten Teilimpfungen in noch kürzeren Abständen stattfinden. Wichtig ist aber die regelmäßige Auffrischung nach der dreiteiligen Grundimmunisierung. Nach der ersten Auffrischung nach drei Jahren, wird diese bis zum 60. Lebensjahr alle fünf Jahre, danach, aufgrund des nachlassenden Immunsystems, alle drei Jahre empfohlen. (6)
Impfstatus kennen: Titerbestimmung
So richtig und wichtig der Hinweis auf die Zeckenschutzimpfung ist, so notwendig ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei möglichen notwendigen Auffrischungsimpfungen vorab mit dem Hausarzt über den richtigen Zeitpunkt gesprochen werden sollte. Oftmals besteht noch ein ausreichender Impfschutz, weshalb die vorgeschlagenen Impfintervalle (in diesem Fall bei Erwachsenen ca. 5 Jahre) nicht unbedingt eingehalten werden müssen.
Da sich in diesem Fall die Impfungen auf demselben Preisniveau wie eine Titerbestimmung bewegen (ca. 20.- bis 50.- EUR), erscheint es für Patienten durchaus attraktiv, gleich die Auffrischungsimpfung vorzuziehen. Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass der Körper so mit einer neuerlichen Impfbelastung konfrontiert wird, die allerdings gar nicht notwendig wäre.
Für Impfskeptiker bietet die Titerbestimmung aber eine willkommene Gelegenheit, auf die ein oder andere Auffrischungsimpfung zu verzichten. Denn wenn bekannt ist wann die letzte Impung erfolgte und der Titer hoch genug ist, kann man sich getrost eine erneute Impfung ersparen.
Quellen:
¹ Antworten auf häufig gestellte Fragen zur FSME-Impfung (Robert Koch Institut)
² a) Virusepidemiologische Information 3/18
² b) Magnus E.A. Hansson et al.: Tick-borne encephalitis in childhood: rare or missed? Pediatr Infect Dis J 2011; 30(4): 355–357.
² c) Kaiser, R. The clinical and epidemiological profile of tick-borne encephalitis in southern Germany 1994-98: a prospective study of 656 patients Brain 1999; 122 ( Pt 11): 2067-2078#
² d) Kaiser, R. Tick-borne encephalitis. Infect Dis Clin North Am 22, 561-575, (2008).
² e) Kaiser R. et al. S1-Leitlinie Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). 2016. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie.
² f) Österreichischer Impfplan 2018
² g) Bogovic, P., Lotric-Furlan, S., and Strle, F. What tick-borne encephalitis may look like: clinical signs and symptoms Travel.Med.Infect.Dis. 2010; 8: 246-250
² h) Misic, ML, et.al., Post-encephalitic syndrome in patients with tick-borne encephalitis, Acta Med Croatica. 2009 Oct;63(4):269-78.
² i) Kaiser, R Langzeitprognose bei primär myelitischer Manifestation der FSME, Nervenarzt 2011; 82: 1020-1025
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Linktipps
– Titerbestimmung – was ist das?
– FSME: Zeckenschutzimpfung hilft
– Querschnittlähmung – was ist das?
– Impfinformationen
– Gehirnhautentzündung (Meningitis)
– Meningitis bei Kindern
– Deutliche Zunahme der FSME-Erkrankungen in Europa
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