Coronavirus: Antigentest liefert schnell, aber auch zuverlässig?

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Coronavirus Antigentest mittels Rachenabstrich

Erstmals aufgefallen ist das neuartige Testverfahren Mitte September, als die Wirtschaftsuniversität Wien bei den Einführungsvorlesungen im Austria Center Vienna insgesamt 3.000 Personen mittels Antigen-Schnelltest auf SARS-CoV-2 testen ließ.


Nun scheint das neue Testverfahren echte Hilfe beim Handling der Pandemie und dem aktuellen Test-Tohuwabohu zu versprechen.

Corona Antigentest – Artikelübersicht:

Was ist ein Antigentest?

Anders als beim aktuell gängigsten Nachweisverfahren einer Covid-19-Infektion, dem PCR-Test (engl. polymerase chain reaction, also Polymerasekettenreaktion), wird nicht nach dem Erbgut des Coronavirus Corona SARS-CoV-2 gesucht, sondern nach einem Antigen, einem speziellen Bestandteil eines Keimes.

Bei einem Antigen handelt es sich z.B. um ein Eiweiß (etwa Teile der viralen Hüllproteine), das vom menschlichen Immunsystem als “fremd” identifiziert wird und das deshalb die Immunabwehr in Gang setzt.

Auch beim Antigentest muss natürlich eine Patientenprobe entnommen werden, dies geschieht genauso wie beim derzeit gängigen PCR-Test mittels Abstrich aus dem Nasen-Rachen Raum und der muss auch von medizinischem Fachpersonal entnommen werden.

Bei der Testmethode werden der Patientenprobe künstlich erzeugte Antikörper zugesetzt. Ist in der Probe ein SARS-CoV-2 Antigen enthalten, dann binden sich diese zugesetzten Antikörper daran und der Test ist positiv. Ein Antigentest weist also eine gerade aktuelle Infektion nach, eine ausreichende Virenlast des Getesteten vorausgesetzt.

Vorteil diese neuen Testverfahrens ist die vergleichsweise einfache und kostengünstige Produktion der notwendigen Teststoffe und die leichte Anwendbarkeit: Beim Pilotprojekt wurde der Rachenabstrich durch den Arbeiter-Samariter-Bund durchgeführt, die weitere Vorgehensweise erfolgt dann ähnlich einem Schwangerschaftstest, wo nach Auftragen einiger Tropfen auf einer Testkassette eine Auswertung per Streifen-Anzeige erfolgt. Zur Auswertung braucht es kein Labor mehr.

Noch ist der Antigentest allerdings weniger genau als ein PCR-Test. „Wenn eine Person wenig Viruslast im Rachen hat, dann übersieht man das Virus leichter als mit einem PCR-Test“, meint etwa der Mikrobiologe Michael Wagner von der Universität Wien. Das bedeutet: bei geringer Virenlast wird die Testperson tatsächlich als nicht infiziert ausgewiesen, obwohl sie (wenige) Viren in sich trägt. Die Virenanzahl reicht aber (vermutlich) nicht aus um jemand anderen anzustecken, insofern ist das “falsche” Ergebnis hinsichtlich der Gefahr andere anzustecken unproblematisch.

Nach Auswertung der ersten Testresultaten herrscht unter Labormedizinern dennoch Optimismus, dass diese Tests im großen Umfang statt der PCR-Tests oder in Ergänzung zu den PCR-Tests eingesetzt werden können. Damit könnte das Problem der langen Wartezeiten auf Testergebnisse schon bald der Vergangenheit angehören.

Ablauf Antigen Test: so wird der Schnelltest durchgeführt

Beim Antigen-Schnelltest nimmt medizinisches Fachpersonal einen Abstrich im Nasen-Rachen-Raum vor.

Das Teststäbchen wird zwei Minuten lang in einer Flüsigkeit (Extraktionspuffer) gelöst, um das Rachenmaterial von dem Stäbchen zu lösen. Davon werden anschließend drei Tropfen in eine Testkassette (den Reagenzträger) gegeben. Das Ergebnis ist dann nach etwa 15 bis 30 Minuten einfach abzulesen.

Coronavirus-Schnelltest als großangelegtes COVID-Pilotprojekt

Hinter dem großangelegten Pilotprojekt des Austria Center Vienna in Kooperation mit der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) steckt der österreichische Medizinproduktehändler Alpstar. Der hat nun in Österreich den NADAL® COVID-19 Ag Schnelltest des deutschen Herstellers nal von minden auf den Markt gebracht.

Und er hat mit der Aktion in Form eines Coronavirus-Schnelltest Pilotprojekts viel Aufmerksamkeit erregt. Für die schnelle Durchführung der Tests wurden vor dem Eingang des Austria Center Vienna zahlreiche Teststraßen aufgebaut. Nachdem der Abstrich durch medizinisches Fachpersonal genommen wurde, konnten die Studierenden den Großteil des restlichen Tests in nur wenigen Minuten selbst durchführen und bei Vorweisen des negativen Ergebnisses direkt das Gebäude betreten.

Vorteile des neuen Testverfahrens

Aktuell wird die Zuverlässigkeit der Testergebnisse mit sämtlichen bisherigen Nachweisverfahren überprüft, der Vergleichstest mit der derzeit gängigsten PCR-Methode sollte jedenfalls im November 2020 abgeschlossen sein.

Der Pharmakonzern Roche – einer der Hersteller des neuartigen Antigentests – wirbt derzeit mit einer Spezifizität von 99,68 Prozent (d.h. der Anteil richtig diagnostizierter Gesunder in der Gruppe der Gesunden liegt bei 99,68 Prozent) und einer Sensitivität von 96,52 Prozent (d.h. der Anteil richtig diagnostizierter Kranker in der Gruppe der Kranken liegt bei 96,52 Prozent).

Sofern diese Zuverlässigkeitswerte umfassenden Prüfungen standhalten, liegen die Vorteile jedenfalls auf der Hand:

  • Kein Einsenden ins Labor mehr nötig
  • Aufwendige Laborinfrastruktur entfällt, Hausärzte können die Abstriche machen, zusätzliches Laborpersonal ist nicht mehr notwendig.

  • Schnelle Testergebnisse
  • Bereits nach einer Viertelstunde liegt das Ergebnis vor. Beim PCR-Test wartet man derzeit mindestens 24 Stunden auf ein Ergebnis.

  • Gut zum Screening von SARS-CoV-2-Kontaktpersonen geeignet
  • Deutlich billiger
  • Nicht zuletzt wegen der doch wesentlich günstigeren Preise ist die Hoffnung auf eine hohe Zuverlässigkeit des Antigentests groß, auch weil er die Labore entlastet und auch zu einer Entspannung bei der internationalen Knappheit an Reagenzien beitragen kann.

An an Privatpersonen wird der neue Antigen-Schnelltest von Apotheken übrigens nicht abgeben, sondern nur an Arztpraxen und Krankenhäuser.

PCR-Test, Antigentest und die Aussagekraft

Ansteckend oder nicht? Das Problem der PCR-Tests liegt darin, dass das Ergebnis bloß darüber Aufschluss gibt, ob jemand infiziert ist oder vor kurzer Zeit infiziert war. Der genaue Status zum Testzeitpunkt ist nicht bekannt und ob jemand aktuell ansteckend ist, also ob im Körper vermehrungsfähige Viren vorhanden sind oder nicht, zeigt das Verfahren nicht.

Zahlreiche Experten, darunter jene der Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin (ÖGIT), weisen in einer Stellungnahme darauf hin, dass ein positiver PCR-Befund bei einer symptomfreien Person nichts über die Infektiosität der getesteten Person aussage. Die Mediziner reagierten damit auch auf die seit längerer Zeit kursierende Debatte, ob PCR-Tests salopp formuliert zu genau sind.

Dies führt auch zu Problemen. Laut dem Public Health Experten Dr. Martin Sprenger von der Medizinischen Universität Graz werden PCR-Tests zum Nachweis von SARS-CoV-2 inzwischen in allen Bereichen unserer Gesellschaft eingesetzt, obwohl sie nichts darüber aussagen, ob jemand erkrankt oder infektiös ist. „PCR-positiv oder PCR-negativ heißt also nicht immer unbedingt, dass jemand infektiös ist oder nicht“, betont auch der Infektiologe Florian Thalhammer.

“Die vollkommen falsche Interpretation, dass jemand mit einem positiven PCR-Test mit Sicherheit auch erkrankt und/oder infektiös ist, hat direkte Konsequenzen für alle Kontaktpersonen. Plötzlich sind auch diese solange Verdachtsfälle bis ein negativer PCR-Test das Gegenteil bestätigt. Es ist ein Drama, dessen erster Akt gerade viele Institutionen im Bildungsbereich, vom Kindergarten bis zur Universität, in den Wahnsinn treibt”, so Spenger.

Ab wann bedeutet “positiv” auch ansteckend?

Bei der PCR-Methode wird systematisch auch die Virenlast des Getesteten erhoben. Denn um das Erbgut des Coronavirus im Abstrich nachzuweisen, wird die Probe in einer Maschine so oft vermehrt, bis es von dem Gerät aufgespürt werden kann.

Die Virologin Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck erklärt es so: hat jemand zum Beispiel nur wenige Viren in Rachen und Nase, muss das Erbmaterial oft vermehrt werden, bevor das Signal anschlägt. Wie viele Vermehrungszyklen notwendig sind, gibt der sogenannte CT-Wert (engl. cycle threshhold) an.

Relevant ist der Ct-Wert, weil er als Mengenmaß der vorhandenen Virus-RNA gilt: Je niedriger der Ct-Wert, desto höher die Virenlast.

„Werte in den 20ern bedeutet viel Virus, Werte in den hohen 30er bedeuten wenig Virus.“, so von Laer. Auch das deutsche Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass sich das Virus ab einem Wert von 30 nicht mehr vermehren kann. Auch in den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums zur „Entlassung von Covid-19-Fällen aus der Absonderung“ wird dieser Wert genannt

Die Sensitivität zeigt an, ob alle Kranken auch als Kranke erkannt werden. Der Antigen-Test weisen – wie weiter oben bereits angeführt – zwar eine geringere Sensitivität auf und sind deshalb ungenauer, doch das ist in diesem Fall quasi von Vorteil. Denn er zeigt somit nur dann positiv an, wenn beim Getesteten eine hohe Virenlast vorliegt. Und nur eine hohe Virenlast, bedeutet ansteckend.

Spenger sieht auch deshalb im neuen Antigentest das Potezial zum „Game Changer“. Vor allem in der Krankenversorgung und im Pflegebereich könnte dieser Test die Diagnostik und das Risikomanagement deutlich verbessern, meint der Public Health Experte auf seiner Facebook-Seite Public Helath Graz.

Instrument für Veranstaltungsbranche, Schulen und Universitäten?

Mit dem Pilotprojekt betritt das Austria Center Vienna auch internationales Neuland, dementsprechend gespannt schaut die Branche heute nach Wien. Man verspricht sich praktische Erkenntnisse zu wichtigen Fragen wie grundsätzlicher Organisation, Zeiterfordernis der Teilnehmer und nicht zuletzt der Kosten von Schnelltests bei Großveranstaltungen.

„Derzeit spüren wir wieder ein vorsichtiges Hochfahren der Branche, allerdings noch auf sehr regionalem Niveau. Damit mittelfristig wieder internationale Großveranstaltungen in Wien durchgeführt werden können, brauchen Veranstalter großes Vertrauen in die gesetzten Maßnahmen. Kein Hygienekonzept oder Testverfahren kann absolute Sicherheit vor Covid19 bieten.

Wir sind aber überzeugt, dass Schnelltests einen großen Schritt bedeuten und sich eventuell schon sehr bald als neuer Standard etablieren. Mit diesem Pilotprojekt wollen wir der Branche neue Möglichkeiten aufzeigen und Veranstalter gezielt unterstützen“, so Baumann-Söllner abschließend.

Nicht nur für die universitäre Landschaft, auch für die Veranstaltungsbranche (Konzertveranstalter, Clubs usw.) sind die Tests und vor allem die Ergebnisse von großer Bedeutung: „Unser Sample mit über 1.000 Studierenden pro Lehrveranstaltung ist so groß, dass wir hier wirklich konkrete Erkenntnisse für die Risikoeinschätzung des universitären Lehrbetriebs vor Ort im nächsten Semester bekommen“, so die WU-Rektorin.

(Stand: 5.10.20)

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Quellen:

¹ NADAL Covid-19-Antigentest (nal von minden GmbH)
² Coronavirus-Schnelltest ab sofort über Apotheken erhältlich
³ So funktionieren Antigen-Schnelltests (science.orf.at)

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

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