Die Blutegeltherapie: kleiner Wurm, große Wirkung

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Blutegeltherapie

Der Blutegel gehört zur Gattung der Ringelwürmer und wird schon seit über 2000 Jahren in der Volksmedizin zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Die Therapie mit Blutegeln kommt vor allem bei Durchblutungsstörungen, etwa Thrombosen oder Krampfadern, zum Einsatz. Aber auch bei Rheuma, Bluthochdruck, Gicht oder Kopfschmerzen sowie in der plastischen Chirurgie wird die Blutegeltherapie erfolgreich eingesetzt.


Blutegeltherapie – Artikelübersicht:

Wie wirkt eine Blutegeltherapie?

Kaum ein Tier wurde dermaßen gründlich untersucht wie der medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) – und das aus gutem Grund: die Innhaltsstoffe des Speichels der kleinen Sauger haben es nämlich in sich. Bisher konnte die Wissenschaft 15 Stoffe im Speichel der Egel identifizieren, darunter Hirudin, Heparin (dienen der Blutgerinnungshemmung), Calin, Hyaluronidase und ein histaminähnlicher Stoff, der gefäßerweiternd wirkt und so die Durchblutung im betroffenen Gewebe steigert.

Früher wurde angenommen, dass allein der Biss und der damit verbundene Blutverlust für die therapeutischen Erfolge verantwortlich wäre, heute weiß man, dass die überraschenden Heilerfolge nicht in erster Linie auf den Biss und die Blutungen zurückzuführen sind, sondern eben auf das Speichelsekret, das in die Wunde abgegeben wird.

Einsatzbereiche der Blutegeltherapie

Erfahrungen von Medizinern zeigen, dass die Behandlung mit Blutegeln (Hirudo medicinalis) entzündungshemmend, immunisierend, antibakteriell und schmerz-lindernd wirkt. Auch gerinnungshemmende und antithrombotische Effekte werden durch diese Therapie erzielt. Denn der Speichel, den der Egel beim Biss in den menschlichen Körper abgibt, enthält unter anderem die heilenden Wirkstoffe Histamin – ein Gewebshormon, das eine zentrale Rolle bei allergischen Reaktionen spielt und ist an der Abwehr körperfremder Stoffe (Immunsystem) beteiligt ist – Hirudin, Destabilase und Hyaluronidase.

Deutsche Praxen und Kliniken bestellen pro Jahr an die 400.000 dieser Tiere. Sie kommen aus kontrollierter Zucht. Im Berliner Immanuelkrankenhaus werden Blutegel auch eingesetzt, um Patienten mit Knie-, Schulter- oder Hüftarthrose zu behandeln. Die Hauptwirkung besteht in einer deutlichen Schmerzlinderung ganz ohne Nebenwirkungen. Die Patienten benötigen dadurch weniger Schmerz-Medikamente. Dass die Egel den Schmerz tatsächlich lindern können, haben Studien in Berlin und Essen bei Kniearthrose bereits bewiesen.

Wissenschaftlich gesehen ist die Blutegeltherapie eine noch wenig erforschte Grauzone. Zwar machen die Tiere bei allen Anwendungen das Gleiche: Sie saugen Blut aus der Haut und geben durch ihren Speichel gleichzeitig Wirkstoffe und Enzyme ab. Doch warum sie dabei z.B. die Arthrose-Schmerzen lindern, ist noch offen.

Wie läuft eine Blutegelbehandlung ab?

Vorne weg sei festgehalten: Vorurteile gegen Blutegel sind absolut unangebracht. Wenngleich ein natürliches Ekelgefühl verständlich ist, so ist der Nutzen der sensiblen Tierchen ungleich größer als etwaige optisch-ästhetische Bedenken. Zudem sind die kleinen Sauger nicht gierig, eine Mahlzeit genügt ihnen für etwa ein bis zwei Jahre. Bei einer solchen “Mahlzeit” nehmen die Egel übrigens während einer Dauer von 1 – 3 Stunden ca. 10 ml Blut zu sich, danach fallen sie von selbst ab. In den nächsten 24 Stunden kommt es dann beim Patienten zu einer sanften Nachblutung, wobei ca. 20 bis 30 ml Blutverlust pro Egel auftritt.

Der Biss des Blutegels ist übrigens bei weitem nicht so schmerzhaft wie viele Patienten befürchten. Das Gefühl lässt sich mit dem Pieken, Ziehen oder Jucken eines Insektenstichs vergleichen.

Zu Beginn der Saugphase entsteht ein leichtes Stechen und Brennen, vergleichbar mit einer Brennessel. Der Patient spürt nur den Biss, denn dann gibt der Blutegel sofort eine anästhesierende Substanz ab, die zur Schmerzunempfindlichkeit (Analgesie) während des Saugvorgangs führt. Sie raspeln mit ihren winzigen Kalkzähnen vorsichtig die Haut auf und beginnen nach etwa fünf Minuten mit dem Saugen. Sie sollten nie mit Gewalt entfernt werden, da es sonst – durch Erbrechen des Blutegels – zu Entzündungen durch Infektion der Wunde kommen kann.

Die Blutegel bleiben an einer Stelle sitzen und kriechen nicht umher. Erst wenn die Tiere satts ind, lassen sie los. Ein dicker Verband saugt das aus der Wunde sickernde Blut auf. Nacheinigen Stunden muss der Verband evtl. zuhause gewechselt werden. Zu beachten ist, dass 2 Tage vor der Behandlung keine Duftstoffe (Parfüm, Seife, Salben, Duschgels, Rasierwasser, Badezusätze etc.) auf die Haut aufgetragen werden, da die Blutegel sonst nur sehr schlecht oder gar nicht beißen.

Bei einer Behandlung werden mehrere Egel angesetzt, meist vier bis höchstens zwölf. Je nach Indikation reicht eine Behandlung mit mehreren oder zwei bis vier Behandlungen mit weniger Egeln. Mitunter können leichte Kreislaufreaktionen auftreten. Deshalb sollten Sie für den Tag der Blutgeltherapie ausreichend Ruhe einplanen, viel liegen und trinken.

Die Blutegel wird nur ein einziges Mal verwendet und muss nach der Behandlung von Amts wegen getötet werden.

Eine einzelne, etwa eineinhalbstündige Blutegelbehandlung kostet cirka 100.- Euro, die die meisten Patienten selber bezahlen müssen, da sie von der Krankenkasse nicht übernommen werden (abhängig von der jeweiligen Landesregelung).

Indikationen

Die positiven Erfahrungen bei der Behandlung gegen Krampfadern und Thrombosen sind unbestritten. Blutegel saugen auch erfolgreich bei chronischen Erkrankungen. So bewirken Sie bei Arthrose zwar keine Heilung aber eine Abschwellung und eine nicht unwesentliche Reduktion der Schmerzen.

Bei Bluthochdruck wirkt die Blutegeltherapie entkrampfend und säubernd auf die Gefäße, das wirkt unter anderem blutdrucksenkend und kann im günstigsten Fall einen Abbau von sklerotischen Ablagerungen ( Arteriosklerose) nach sich ziehen.

Jede Behandlung mit Blutegel bedeutet einen kleinen Blutverlust, der vom menschlichen Körper mit einer angeregten Neubildung von Blut beantwortet wird. Wie bereits erwähnt, beträgt die Saugmenge pro Egel ca. 10-15 ml, die Nachblutung ca. 10-15 ml, in Summe also ca. 30 ml pro Egel.

Weitere Indikationen sind: Beingeschwüre, Krampfadern, Hämorrhoiden, Kopfschmerzen und Migräne, Rheuma, Gicht, Menstruations- und Wechselbeschwerden u.v.m. Eine besondere Indikation sindstellt der mitunter sehr quälende Tinnitus (Ohrensausen) dar, wobei sogar nach jahrelangem Bestehen Erfolge erzielt werden können.

Gegenanzeigen für eine Blutegeltherapie

Die Behandlung mit Blutegeln gilt als weitgehend frei von Nebenwirkungen. Allergische Reaktionen treten äußerst selten auf. In seltenen Fällen kann es zu einer lokalen Wundinfektion kommen. Diese Gefahr lässt sich aber durch sachgerechte Verwendung fast vollständig ausschließen. Als Reaktion auf den Biss tritt gewöhnlich etwa 2 bis 48 Stunden nach einer Behandlung eine Rötung mit Schwellung auf, die oft mit einem Juckreiz verbunden ist – ähnlich wie bei einem Mückenstich.

Bei einigen Patienten ist nach der Behandlung eine Kreislaufschwäche zu beobachten, relativ häufig treten auch Hämatome um die Biss-Stellen herum auf, die sich aber innerhalb einiger Tage völlig auflösen. Gegenanzeigen für die Behandlung mit Blutegel sind:

  • Blutgerinnungsstörung wie z.B. Bluter
  • eine starke Blutarmut (Anämie)
  • Allergische Reaktionen auf Wirkstoffe des Blutegels
  • Vorsicht ist geboten bei Schwangeren und stillenden Müttern und
  • bei Menschen mit einer schlechten Konstitution

Auch bei grippalem Infekt, während der Menstruation, bei Magenschleimhautentzündung mit Schleimhautdefekten, Magen- und Darmblutungen, Magengeschwüren, sowie bei schweren Immundefekten oder medikamentöser Unterdrückung des Immunsystems ist eine Blutegelbehandlung kontraindiziert.

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Linktipps

– Hämatom | Medizinlexikon
– Bluterguss | Medizinlexikon
– Venenerkrankungen
– So funktioniert eine Behandlung mit Blutegeln (Video servus TV)

Fotocredit: pixabay.com

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