Laktoseintoleranz im Alter – Fakten über die Milchzuckerunverträglichkeit
Laktoseintoleranz ist seit einiger Zeit das Thema im Bereich der Ernährungswissenschaften. In Österreich leiden etwa 20% der Bevölkerung an der Unverträglichkeit gegenüber Milchzucker, mit steigendem Alter nimmmt die Zahl dramatisch zu. Leider kusieren im Netz zu diesem Bereich zahlreiche Mythen, Halbwahrheiten und auch absoluter Nonsens. Wir haben daher zwei ausgewiesene Experten ausgiebig zum Thema befragt und dabei durchaus erstaunliche Antworten erhalten.
Laktoseintoleranz im Alter – Artikelübersicht:
- Wie erfolgt die Diagnose?
- Welche Behandlungsmethoden gibt es?
- Worauf muss bei Einnahme von Lactase geachtet werden?
- Welche Milchprodukte sind betroffen?
- Linktipps
Im Interview mit Priv. Doz. Dr. Peter Komericki und der Diätologin Eva Hagl-Lechner versuchen wir die häufigsten Irrtümer über Laktoseintoleranz aufzuklären. Warum etwa die Milchzuckerunverträglichkeit keine Allergie ist, warum Betroffene nicht nur Kuhmilch meiden sollten und warum die Unverträglichkeit gegen Milchzucker mit zunehmendem Alter häufiger auftritt.
Wie häufig tritt Laktoseintoleranz in unseren Breiten auf, warum sind Menschen im asiatischen Raum häufiger betroffen?
Dr. Peter Komericki: Bis zu 20% der Konsumenten entwickeln in unseren Breiten nach dem Kleinkindalter eine Laktoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit), wobei auch dabei Unterschiede in der noch tolerierten Milchmenge zu beobachten sind. Die Laktoseintoleranz ist somit dosisabhängig. In Asien, aber auch Afrika und Südamerika vertragen die meisten Menschen keine Milch, sodass dort die Laktoseintoleranz den natürlichen Zustand bedeutet. Erst eine genetische Variation ermöglichte den Menschen auf der Nordhalbkugel (wo Viehzucht betrieben wurde) den Genuss von Milchprodukten auch im Erwachsenenalter, was früher einen Überlebensvorteil darstellte.
Eva Hagl-Lechner: In der Muttermilch ist Lactose vorhanden, diese kann problemlos aufgenommen werden, die Fähigkeit geht allerdings im Laufe des Lebens verloren. In Österreich sind etwa 15-20% der Bevölkerung betroffen. Global gesehen besteht ein geographisches Nord- Südgefälle: während in Skandinavien nur wenige Menschen betroffen sind liegt die Laktoseunverträglichkeit in Afrika und Asien bei 70%, in manchen Gegenden sogar 100%. Es dürfte mit der Sonneneinstrahlung zusammenhängen. In nordischen Ländern scheint die Sonne viel weniger, daher verfügen die Bewohner über weniger Vitamin D und können so weniger Kalzium einlagern. Als Ausgleich liefert die Milch Vitamin D und Kalzium.
Gibt es hinsichtlich der Häufigkeit einen Unterschied zwischen den Geschlechtern?
Dr. Peter Komericki: Es sind beide Geschlechter gleichermaßen betroffen.
Eva Hagl-Lechner: Nein gibt es nicht. Oft hat es den Anschein, dass Frauen häufiger betroffen sind, das mag vielleicht daran liegen, dass Frauen sich öfter testen lassen.
Was genau ist eine Laktose-Unverträglichkeit und was bewirkt der Lactasemangel beim Betroffenen?
Dr. Peter Komericki: Laktose oder Milchzucker ist ein Bestandteil der Milch und wird durch das Enzym Laktase im Dünndarm aufgespaltet. Wenn Laktase fehlt gelangt die Laktose unverdaut in den Dickdarm, wo durch die dort vorhandenen Bakterien eine Vergärung stattfindet. Dabei entstehen Gase und organische Säuren, was mit Blähungen, Bauchkrämpfen und Durchfall einhergehen kann.
Eva Hagl-Lechner: Es fehlt das Werkzeug (Enzym- Laktase), das den Milchzucker aufspaltet. Der nicht aufgespaltene Milchzucker kommt in tiefere Darmabschnitte und verursacht Blähungen, Bauchschmerzen bis hin zu Durchfällen, aber auch Hautauschläge können auftreten
Warum bekommt früher oder später fast jeder eine Laktose-Unverträglichkeit?
Dr. Peter Komericki: Die Aktivität der Laktase nimmt mit zunehmendem Lebensalter ab, sodass bei etwa 20% der Bevölkerung von einer Milchzuckerunverträglichkeit gesprochen werden kann.
Eva Hagl-Lechner: Weil das Enzym nur in Kindes- und Jugendalter in ausreichender Form vom Körper gebildet wird.
Wie und wo (Facharzt, Allergieambulatorium) erfolgt die Diagnose?
Dr. Peter Komericki: Die Abklärung erfolgt typischerweise durch einen Atemtest in verschiedenen Institutionen (Fachärzte für Innere Medizin, manche Allgemeinmediziner, internistische Abteilungen, Allergieambulatorien,…). Man muss zunächst Laktose zu sich nehmen; in weiterer Folge wird in definierten zeitlichen Abständen mit einem Messgerät, in das man blasen muss, der Wasserstoffgehalt in der Atemluft gemessen. Ein Anstieg des abgeatmeten Wasserstoffs wäre Hinweis auf das Vorliegen einer Laktoseintoleranz.
Welche Behandlungsmethoden gibt es?
Dr. Peter Komericki: Es gibt zwei Möglichkeiten. Erstere besteht in der Konsumation von Laktose-freien Produkten, zweitere in der Substitution von Laktase, dem fehlenden Enzym.
Eva Hagl-Lechner: Zuerst sollte über 4 Wochen eine laktosefreie Diät (Eliminationsdiät) eingehalten werden, die Beschwerden bessern sich rasch. Nach dieser Zeit werden oft kleine Mengen Milchzucker vertragen. Sollte es jedoch noch immer zu Blähungen, Durchfällen kommen, kann man an eine Fruktoseunverträglichkeit denken. Laktosefreie Produkte sowie Sojaprodukte sind eine gute Alternative. Nicht auf Obst und Gemüse vergessen! Eine andere Alternative sind Laktasepräparate.
Kann Laktoseintoleranz auch wieder verschwinden?
Dr. Peter Komericki: Wenn die Laktoseintoleranz Folge einer vorübergehenden Darmerkrankung (Infektion, Entzündung) ist kann mit Gesundung des Darms die Intoleranz wieder abklingen.
Lactase kann in Tabletten-, Lösungs- oder Pulverform gekauft werden – worauf muss man bei der Einnahme achten? Ist eine regelmäßige Einnahme unbedenklich?
Dr. Peter Komericki: Die Präparate müssen vor dem Genuss von laktosehältigen Nahrungsmitteln genommen werden. Auf die entsprechende Beschreibung sei hingewiesen. Die regelmäßige Einnahme ist völlig unbedenklich.
Eva Hagl-Lechner: Es gibt verschiedene Produkte am Markt: Laktase-Pulver, das man über das Essen streut oder Kapseln, die man 10 – 15 min vor einem laktosehältigen Essen einnimmt. Die Einnahme ist völlig unbedenklich, da es sich um ein Enzym handelt, das sonst der Körper selbst bildet.
In welchen „untypischen“ Lebensmitteln ist Milchzucker enthalten, was für Alternativen gibt es in diesem Fall.
Eva Hagl-Lechner: In vielen Fertigprodukten, Keksen, Fertigmenüs, Schokolade, Fertigsaucen, aber auch in Medikamenten .
Gerade im Sommer stellt sich die Frage: Wie kann man trotz Laktose-Unverträglichkeit Eis genießen? Ist Eis aus Ziegenmilch eine Alternative?
Eva Hagl-Lechner: Eventuell auf Wassereissorten zurückgreifen, manchmal wird auch schon laktosefreies Eis angeboten oder man nimmt vor dem Eisgenuss 1-2 Laktasekapseln und genießt sein Lieblingseis! Eis aus Ziegen oder Schafmilch ist keine Alternative, da diese Milch auch Lactose enthält.
Ist jedes Milchprodukt automatisch (unabhängig vom spendenden Tier) für Laktoseintolerante ungeeignet? Bzw. hat jedes Milchprodukt ausreichend Laktose, um Beschwerden hervor zu rufen?
Dr. Peter Komericki: Jedes tierische Milchprodukt enthält mehr oder weniger Laktose. Das Ausmaß der Beschwerden hängt vom Grad der Intoleranz, dem tatsächlichen Laktosegehalt des konsumierten Produkts und der verzehrten Menge ab. Kokos- oder Sojamilch enthalten keine Laktose.
Eva Hagl-Lechner: Nein, das kommt darauf an wie ausgeprägt die Unverträglichkeit ist. Manche Personen vertragen kleine Mengen Milchprodukte mit einem mittleren Laktosegehalt (1-4,5g /100g) wie z.B.: Topfen, Buttermilch, Sauermilch. Fast bis ganz laktosefrei sind Hart- und Schnittkäsesorten wie Parmesan, Emmentaler Tilsiter, Bergkäse, Mozzarella, Butter. Da die Unvertäglichkeit sehr individuell ist, muss der Betroffene selbst herausfinden, was vertragen wird.
Ist Rohmlich gleich unverträglich wie pasteurisierte Milch?
Eva Hagl-Lechner: Laut Literatur ist Rohmilch besser verträglich, da der noch enthaltene Lactobazillus die Verdauung von Laktose unterstützt. Aus der Praxis kann ich dazu leider nichts sagen, da meine Patienten Rohmilch sehr selten bis nie trinken.
Was heißt “laktosefrei”? Wann ist ein Lebensmittel ohne Laktose? Wie werden Milchprodukte laktosefrei gemacht?
Eva Hagl-Lechner: Laktosefrei bedeutet: es befindet sich keine Laktose in den Lebensmittel. Von Natur aus keine Laktose haben Fleisch, Fisch, Früchte, Gemüse, Reis, Getreide, Teigwaren. Frisch kochen statt Fertigprodukte ist ratsam. Bei laktosefreien Milchprodukten wird in der Molkerei der Milchzucker mit Laktase aufgespalten – die Produkte schmecken süßer, da Einfachzucker eine höhere Süßkraft haben.
Wie verhält es sich mit Medikamenten, die Laktose enthalten?
Dr. Peter Komericki: Der Laktose-Gehalt in Medikamenten ist in den meisten Fällen zu gering, um Probleme zu verursachen.
Kann man Laktasepräparate und andere Medikamente, die man als Betroffener nehmen muss/soll, steuerlich absetzen oder von der Kasse rückerstattet bekommen?
Dr. Peter Komericki: Laktasepräparate sind per definitionem keine Medikamente sondern diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, profan gesprochen Nahrungsergänzungsmittel. Eine Rückerstattung durch gesetzliche Kassen gibt es für gewöhnlich nicht, möglicherweise erstatten manche Zusatzversicherungen die Kosten.
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Priv. Doz. Dr. Peter Komericki
von der Klinischen Abteilung für Umweltdermatologie und Venerologie der Universitäts Hautklinik Graz, Facharzt für Haut & Geschlechtskrankheiten, seit 1998 Mitglied der Arbeitsgruppe Allergologie der ÖGDV und seit 2009 Vorstandsmitglied der Arbeitsgruppe STD und dermatologische Mikrobiologie der ÖGDV. Forschungsschwerpunkte: Allergologie, insbesondere Kontaktallergologie, Nahrungsmittelintoleranzen, Venerologie, insbesondere HPV-assoziierte Erkrankungen, allergologische und venerologische Labormedizin
Eva Hagl-Lechner
Diätologin und Ernährungsexpertin
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Linktipps
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