Anti-Aging – eine Frage der Ernährung?
Kurz nachdem 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit beendet worden waren, kam die Amerikanerin Besse Cooper zur Welt. Die Frau aus Monroe, Georgia, galt mit nahezu 115 Lebensjahren lange als ältester Mensch der Welt. Kann Ernährung dazu beitragen, ein derartiges Alter zu erreichen? Ein Anti-Aging-Report, der durch den Magen geht.
Wenn von Anti-Aging durch gesunde Ernährung die Rede ist, werden immer wieder zwei Gruppen als Beispiel für vorbildhafte Ernährung angeführt: die Japaner sowie die Einwohner der Mittelmeerinsel Kreta. Während im Fall Kretas Uneinigkeit über den Einfluss der Ernährungsgewohnheiten auf die Volksgesundheit herrscht, sind sich Wissenschaftler im Falle der Japaner einig: deren traditionelle Ernährung kommt dem Idealbild sehr nahe. Wie lange noch, bleibt abzuwarten: Auch Japans Jugendliche entdecken den Reiz von Fast Food und nähern sich falschen Angewohnheiten der Europäer und Amerikaner an.
Trotz Anti-Aging-Food: Der Mensch stößt an seine Grenzen
Anti-Aging-Strategien verfolgen zweierlei Ziele: zunächst soll das biologische Alter des Menschen so weit wie möglich ausgeweitet werden. Zweites Ziel von Anti-Aging ist die Verbesserung der Lebenqualität innerhalb der Lebensspanne durch möglichst spätes Einsetzen von Alterungsfolgen. Während eine Verbesserung der Lebensumstände bis ins hohe Alter ein unendliches Verbesserungspotenzial besitzt, sind der Ausweitung des Lebensalters Grenzen gesetzt: Nach dem Stand der Wissenschaft gilt ein Alter von 120 als maximal erreichbares Ziel.
Richtige Ernährung, so der Tenor der Altersforscher, spiele innerhalb aller Anti-Aging-Maßnahmen eine wichtige, bei weitem aber nicht die Hauptrolle. Sehr allgemein bleiben auch die grundsätzlichen Empfehlungen in Bezug auf Nahrung. Die Nahrungszusammensetzung solle sich „ausgewogen“ gestalten, die Nährwertzufuhr maßvoll bleiben, Übergewicht vermieden werden. Und selbst bei der Frage, ab wann von Übergewicht zu sprechen ist, scheiden sich so manche Geister.
Churchills Wohlstandsbauch – oder doch besser andersrum?
Winston Churchill, der englische Staatsmann, der das für seine Zeit beachtliche Alter von über 90 Lebensjahren erreichte, betrieb nicht nur, wie er stets erwähnte, „no sports“, er war auch in Bezug auf Ernährung kein Kostverächter. Gründe, die ihm die zweifelhafte Ehre zuteil werden ließen, als Ikone von wenig Bewegung und reichlichem Essen zu gelten. Die Erkenntnisse der Wissenschaft können mit dieser Einstellung wenig anfangen. Neben der unbestrittenen Tatsache, regelmäßige Bewegung nütze der Gesundheit langfristig, wird auch maßvollem Essen eine rundum positive Wirkung zugeschrieben.
Innerhalb der Verfechter von reduzierter Nähstoffaufnahme lassen sich zwei Gruppen ausmachen: die Befürworter einer permanenten Kalorienreduktion, sowie Anhänger des „intermittierenden Fastens“, einer nach bestimmten Rhythmen ablaufenden Abwechslung aus Phasen der Normalernährung und Fastenzeiten. Vor allem letztere These will mit Vergleichsstudien an Tieren die Wirkung für den Menschen beweisen – und wird von anders denkenden Wissenschaftlern umso mehr abgelehnt. Aus dem Glaubenskrieg wollen wir uns an dieser Stelle heraushalten. Und festhalten, was unumstritten ist: Die Vermeidung von Übergewicht ist ein wesentlicher Bestandteil erfolgversprechender Anti-Aging-Maßnahmen. Siehe Japan.
Weniger essen – aber wovon?
Bleiben wir bei den Japanern, besser gesagt, bei den Bewohnern der Inselgruppe Okinawa, den „Inseln der Hundertjährigen“. Dort leben nicht nur weltweit die meisten über 100-Jährigen pro Einwohner, auch die durchschnittliche Lebenserwartung ist extrem hoch, Frauen werden im Schnitt über 86 Jahre alt. Und, zuletzt: die Bevölkerung befindet sich in der Regel bis ins hohe Alter in einem exzellenten Gesundheitszustand. Zugeschrieben wird dies unter anderem den Ernährungsgewohneiten.
Die Zutaten des täglichen Anti-Aging-Menüs kennt man auch in Europa, seit Asia-Läden begonnen haben, dem Wirtshaus das Geschäft abzugraben: vor allem Fisch, hingegen wenig Fleisch, schon gar keine dunklen Sorten, dafür Sojaprodukte wie Tofu, Nori-Blätter, Obst und grüner Tee. Als Stärkelieferanten dienen, wie in Japan üblich, Reis, aber auch Süßkartoffeln. Jeder dieser Rohstoffe wurde auf seine Anti-Aging-Wirkung untersucht, Fisch gilt als hauptverdächtig, langes Leben zu fördern – Beweise sind (noch) ausständig.
Zaubersalze und andere Wundermittel
Eine Aufstellung aller behaupteten Anti-Aging-Mittel zu verfassen, sprengt den Rahmen des Möglichen. Scheint es doch die Verlockung des schnellen Geldes zu sein, die aus unbedeutenden Substanzen Botschafter unendlichen Lebensglücks macht. Beispiel: Hunza-Salz, das für die angeblich unermesslich alten Bewohner des himalayischen Hunza-Tals verantwortlich sein soll. Urteil von Verbraucherschützern: Täuschung des Konsumenten.
Vitamine, vornehmlich Vitamin C, sollen dazu beitragen können, mit dreistelligem Lebensalter unverdrossen in eine lange Zukunft blicken zu können. Doch auch hier stehen die Beweise aus – und allenthalben haben sich die jeweiligen Gegner in Stellung gebracht. Wie auch auf dem Gebiet der verschiedenen Diäten: Jeder Autor führt seitenweise aus, warum just die von ihm selbst entworfene Nahrungszusammenstellung langes Leben geradezu herausfordert.
Maßvolle, ausgewogene Ernährung – plus ein Glas Rotwein?
Was kann uns also die Wissenschaft mit auf den Weg geben, auf dass ein langer, segensreicher Lebensweg vor uns stehe? Unbestritten ist die Sinnhaftigkeit, Übergewicht zu vermeiden – ob durch permanente Reduktion oder regelmäßiges Fasten ist nicht entschieden. Maßvolle, ausgewogene Mischkost mit der Bevorzugung pflanzlicher gegenüber tierischer Nahrung wirkt sich auf jeden Fall positiv auf die Lebenserwartung aus, Fisch dürfte in dieser Hinsicht der gesündere Eiweißlieferant sein als Fleisch.
Abschließend eine weitere Facette aus der bunten Welt der Anti-Aging-Diskussion: Seit Jahren wird darüber debattiert, wie sich Rotwein auf die Lebenserwartung auswirkt. Resveratrol¹, ein im Rotwein enthaltener Stoff, soll den Alterungsprozess stark einbremsen und nahezu wundersame Heilkräfte in sich bergen. Die Diskussion trennt nicht nur Weintrinker und Weinmuffel. Auch Ärzte und Naturwissenschaftler aller Disziplinen melden sich regelmäßig auf beiden Seiten zu Wort. Die Beweise sind vorgebracht, ein Urteil steht aus.
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¹ Update: Das Geschäft mit Resveratrol als Lebensmittelzusatz ist durchaus relevant: Allein in den USA werden damit laut Studie an die 30 Millionen US-Dollar umgesetzt. Doch die in den letzten Jahren in Resveratrol gesetzten großen Hoffnungen vieler Mediziner dürften nicht ganz so berechtigt gewesen sein, wie vermutet. Die Annahme, dass das antioxidativ wirkende Polyphenol – das vor allem in Rotwein, Schokolade und Granatäpfeln verstärkt vorkommt – das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder gar Krebs reduzieren würde, konnte von US Wissenschaftern nicht bestätigt werden. Zwar wirkt der sekundäre Pflanzenstoff tatsächlich antioxidativ, also die Zellen schützend, und dies wurde auch in Studien nachgewiesen. Der Haken daran: bei diesen Untersuchungen handelte es sich nur um Zell- oder Tierstudien.
In der neuen Studie der Johns-Hopkins-Universität (Baltimore, USA) wurde nun erstmals in großem Umfang und einen Zeitraum von mehreren Jahre die Konzentration der Stoffwechselprodukte von Resveratrol im Urin gemessen um einen etwaigen Zusammenhang zwischen Konsum und Gesundheit aufzuzeigen. Dies gelang allerdings nicht zeigte sich nicht: Weder bei jenen Personen, die im Untersuchungszeitraum starben, noch bei den erkrankten Versuchspersonen ließ sich ein Zusammenhang zu einem niedrigen Resveratrollevel herstellen – genauso wenig, wie sich bei den gesunden Menschen ein hoher Spiegel nachweisen ließ. Die Ursachen für die nachgewiesenen positiven Effekte beim Konsum von Rotwein & Co. sind damit allerdings wieder unklar. (Stand: Mai 2014)
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Linktipps
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– Maulbeeren – Superfood in schwarz, rot und weiß
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– Gefahren des Anti-Aging/Buchkritik