Erhöht die Pille das Brustkrebsrisiko?
Ob die Einnahme oraler Kontrazeptiva das Risiko einer Frau, an Brustkrebs zu erkranken erhöht ist nach wie vor nicht eindeutig zu beantworten.
Im Mai 2000 fand die Auftaktveranstaltung nach der Gründung der “österreichischen Gesellschaft für Endokrinologische Onkologie” statt. Die Vereinigung, in der Gynäkologen, Chirurgen, Internisten und Urologen vertreten sind, wurde von der Abteilung für Spezielle Gynäkologie am Wiener AKH unter Univ.-Prof. Dr. Ernst Kubista ins Leben gerufen.
Die Zielsetzung der Vereinigung ist es laut einer Aussendung, die Ursachen für die ständige Zunahme der hormonabhängigen Krebsarten (Brust-, Endometrium- und Prostata-karzinom) interdisziplinär zu erforschen sowie Vor- und Nachteile der Verabreichung von Hormonen auf wissenschaftlich fundiertem Niveau zu behandeln.
“Bisher wird nur auf Basis der Empirie argumentiert: z.B. dass Frauen im Klimakterium nach der Einnahme von östrogenen keine Beschwerden mehr aufweisen”, erklärte Univ.-Prof. Dr. Beda Hartmann, Mitglied der Abteilung für Spezielle Gynäkologie und Vorstand der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung am Krankenhaus Neunkirchen, eines der Hauptmotive für die Gründung der Gesellschaft.
Es fehle in diesem Zusammenhang an genauen wissenschaftlichen Studien.
Langzeitfolgen der Pille beobachtet
Einen Spezialfall der Einnahme von Hormonpräparaten stellt – so die Experten – die Verhütung mit der Pille dar, da es sich dabei um eine Pharmakotherapie an gesunden jungen Frauen handelt.
Mehr als 200 Millionen Frauen haben die “Pille” seit ihrer Markteinführung in den sechziger Jahren verwendet. Immer wieder tauchten Bedenken hinsichtlich eines erhöhten Krebserkrankungsrisikos auf. Nun wurden erstmals im Rahmen einer Analyse, die im angesehenen British Medical Journal publiziert wurde, die Langzeitfolgen beurteilt.
Dabei wurden 46.000 Frauen, von denen rund die Hälfte zu irgendeinem Zeitpunkt mit oralen Kontrazeptiva verhütet hatten, über 25 Jahre hindurch beobachtet.
Als wichtigstes Ergebnis wurde festgestellt, dass keine Unterschiede in der Sterberate festgestellt werden konnten. Frauen, die orale Kontrazeptiva benutzten oder bis zu zehn Jahren vor der Auswertung eingenommen hatten, wiesen sogar im Vergleich zu Nicht-Benutzerinnen ein um 80 Prozent reduziertes Risiko auf, an Eierstockkrebs zu erkranken.
Umgekehrt erkrankten die “Pille”-Benutzerinnen etwas häufiger an Gebärmutterhalskrebs. Ab einem Zeitraum von zehn Jahren nach Ende der Einnahme der oralen Kontrazeptiva waren in beiden Gruppen keine Unterschiede mehr ersichtlich.
Risiko einer Brustkrebserkrankung: Aufklärung ist erfolgreich
Dasselbe gilt für das Risiko einer Brustkrebserkrankung: Während der Einnahme der Pille wiesen die untersuchten Frauen ein minimal erhöhtes Erkrankungsrisiko auf, das nach Absetzen des Präparates beständig sank und nach einem Zeitraum von zehn Jahren mit dem von Frauen, die niemals mit oralen Kontrazeptiva verhütet hatten, vergleichbar war.
Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die Pille, langfristig gesehen, keine negativen Auswirkungen für die Anwenderin beinhaltet und es lediglich zu kleineren Verschiebungen hinsichtlich des Auftretens einzelner Erkrankungen kommt.
Hartmann, der die Details der Studie im Rahmen der Konferenz präsentiert: “Auf Grund geänderten Lebensstils und anderer Einnahmegewohnheiten können derartige Ergebnisse nicht eins zu eins auf heutige Verhältnisse umgelegt werden. Entscheidend ist aber, dass keine gravierenden Nachteile für die ‘Pille’-Benutzerinnen festgestellt werden konnten.”
In einer Studie aus dem Jahr 2003 kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die gegenwärtige oder frühere Einnahme oraler Kontrazeptiva nicht mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko einhergeht.
Eine Untersuchung im New England Journal of Medicine aus dem Jahr 2018 kommt wiederum zum Ergebnis, dass die Verhütung mit der Antibabypille das Risiko für Brustkrebs marginal erhöht. Gleichzeitig warnen Ärzte jedoch davor, die Pille leichtfertig abzusetzen.
Hingegen steigert laut Deutscher Krebsgesellschaft eine Hormonersatztherapie das Brustkrebsrisiko nachweislich, wenn sie länger als fünf Jahre durchgeführt wird, insbesondere bei Präparaten, die sowohl Östrogen als auch Gestagen enthalten. Wenn die Hormone abgesetzt werden, sinkt das Risiko innerhalb weniger Jahre wieder auf das durchschnittliche Niveau.
Pflanzliche Östrogene
Besonders schwer unter Wechselbeschwerden leiden Brustkrebspatientinnen. Bei ihnen erfolgt oft auch eine Antihormontherapie. Univ.-Prof. Dr. Ernst Kubista, Leiter der Abteilung für Spezielle Gynäkologie, präsentiert im im Rahmen der Konferenz verschiedene Alternativstrategien der Behandlung des Knochenabbaus bei solchen Patientinnen, darunter Bisphosphonate, Kalzium und Vitamin D3, selektive östrogen-Rezeptor-Modulatoren und Kalzitotinpräparate.
Bei extremen menopausalen Beschwerden kann nach Aufklärung der Patientin und unter entsprechender Kontrolle auch die Substanz Tibolon (Liviel) eingesetzt werden, da es sich dabei um ein gewebespezifisches Hormon handelt, das je nach Gewebe eine östrogene, gestagene oder androgene Wirkungen entfaltet.
Maßgeschneidertes Therapiekonzept
Kubista: “Bisher stand lediglich die Krebserkrankung im Vordergrund, ohne auf die Nebenwirkungen der Krebstherapie im Hinblick auf das Wohlbefinden der Patientin und die menopausalen Symptome einzugehen. Eine Brustkrebspatientin in der Menopause benötigt ein maßgeschneidertes Therapiekonzept, das von einem endokrinologisch ausgebildeten Onkologen überwacht werden muss.”
Schließlich gibt es eine natürliche Alternative mit pflanzlichen Hormonen (Phytohormone) zur herkömmlichen Hormonsubstitution im Wechsel. Es handelt sich dabei um sog. “Phytohormone”, die in Soja und in der von Bienen produzierten Substanz Propolis vorkommen und hormonähnlich wirken. In mehreren Studien wurde untersucht, ob die Einnahme dieser Substanzen das Brustkrebsrisiko verringert.
Die diesbezüglichen Ergebnisse sind nicht eindeutig, es konnte hingegen gezeigt werden, dass Phytohormone als “natürliche SERMs” (Selektive östrogen-Rezeptor-Modulatoren) zur Behandlung klimakterischer Beschwerden eingesetzt werden können, ohne das Risiko einer Krebserkrankung zu erhöhen.
Univ.-Prof. Dr. Teresa Wagner von der Abteilung für Spezielle Gynäkologie an der Wiener Universitäts-Frauenklinik: “Durch ihre Fähigkeit, östrogenrezeptoren selektiv zu binden, können die sogenannten beta-Rezeptoren, die im Gehirn, im kardiovaskulären System (Herz-Kreislauf-System) und im Knochengewebe angesiedelt sind, selektiv angesprochen werden, ohne aber die alpha-Rezeptoren, die sich vor allem im Brustgewebe und im Uterus befinden, zu stimulieren.” Damit gibt es keine Gefahr für die Förderung von Krebs.
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Linktipps
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