Burnout | Krankheitslexikon

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Burnout | Krankheitslexikon

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Jedes Wochenende das gleiche Bild: Schlapp und müde hängen Sie in den Seilen. Zwei Tage Freizeit mit nur wenig Aktivitäten reichen gerade aus, um wieder Kraft für die nächste Arbeitswoche zu tanken.


Eine Situation, die fast jeder von uns schon erlebt hat – viele auch öfters.

Wenn dieses Gefühl der Müdigkeit und Kraftlosigkeit für Ihren Lebensalltag kennzeichnend ist, dann kann man von den typischen Symptomen des sogenannten Burnouts sprechen. Der Begriff Burnout trat erstmals in den 30-er Jahren im Zusammenhang mit Überlastungsphänomenen bei Profisportlern und Künstlern auf.

Heute beschreibt er aufopferungsvolle, pflichtbewusste und engagierte Personen, die sich geistig und körperlich erschöpfen und deren Persönlichkeit sich in weiterer Folge nachhaltig verändert. Am Anfang des Burnoutprozesses steht Über-Engagement in einem oder mehreren Lebensbereichen wie Beruf, Freizeit und Familie, denn “wer ausbrennt, muss früher einmal gebrannt haben”.

Da wird freiwillig Mehrarbeit geleistet, werden eigene Bedürfnisse verleugnet oder soziale Kontakte reduziert. Körperlich erleben die Betroffenen chronische Müdigkeit, Energiemangel und ständige Anspannung. Es folgt eine Phase aktiver Bewältigungsversuche: Reduzierung des Engagements auf allen Ebenen, d. h. gegenüber Personen oder auch der Arbeit.

“Weg von allem” ist dann die vermeintlich optimale Strategie zur Verbesserung der eigenen Lebensqualität. Dies kann sich in Desillusionierung und Überdruss niederschlagen. Zu Arbeit, Kunden und Kollegen entwickelt sich eine negative, zynische Einstellung. Ein Gefühl mangelnder Anerkennung breitet sich aus, und oft werden erste Zeichen von “Dienst nach Vorschrift” sichtbar.

Später werden wichtige Lebensinhalte und Befriedigungsquellen noch weiter aufgegeben. Es kommt zu Schuldzuweisungen für den unbefriedigenden Zustand gegenüber dem Umfeld. Je nach Stimmungslage und Bewältigungsfähigkeit flieht der Betroffene in Depression oder Aggression.

Klassische Symptome sind abrupte Stimmungsschwankungen, Ruhelosigkeit, Pessimismus, Vorwurfsverhalten oder Intoleranz. Schließlich baut der Betroffene immer mehr ab: Typische Erscheinungen sind unbefriedigende Organisation, verringerte Motivation und Kreativität.

Das emotionale, soziale und geistige Leben verflacht. Traten Schlafstörungen, Magen- und Herzschmerzen oder Verdauungsbeschwerden bislang nur zeitweise auf, sind sie nun als ständige psychosomatische Reaktionen wahrnehmbar.

Alkohol, Kaffee und Tabletten schaffen nur kurzfristig Abhilfe, schaffen in der Realität dafür ein zweites massives Problem.

Der klassische Burnoutprozess mündet in Verzweiflung. Die Spanne reicht von Hoffnungslosigkeit über ein Gefühl der Sinnlosigkeit und Depression bis hin zu existenziellen Ängsten mit Selbstmordgedanken.

Drei typische Zustände kommen meist zusammen, wenn von Burnout gesprochen wird: Emotionale Erschöpfung aufgrund enttäuschter Hoffnung, massive Unzufriedenheit mit der eigenen Leistung und grundlegende Veränderung der Persönlichkeit.

Wer ist gefährdet?

Forschungsarbeiten offenbaren, dass die Hauptgruppen von Burnoutbetroffenen aus Helferberufen (40 %), Lehrern (30 %) und Mitarbeitern in der Verwaltung (10 %) bestehen. Man findet aber auch Anwälte, Polizisten, Manager und Sekretärinnen darunter.

Letztlich ist kein Berufsfeld und keine Person davor gefeit. Drei Grundursachen können unterschieden werden, die zu einem Burnout führen:

  • Übernahme von Erwartungen seitens der Eltern, der Gesellschaft oder des Berufsalltags
  • Angst vor Auseinandersetzung mit sich selbst
  • Ungenügende Bewältigungsstrategien bei Überforderungen in Beruf, Freizeit oder Partnerschaft

Die Massenmedien gaukeln scheinbar nachahmenswerte Verhaltensmuster und Rollenklischees als Idealbilder vor: Die aufopferungsvolle Hausfrau und Mutter mit überzogenem Sauberkeitsmaßstab, die erfolgsverwöhnte Karrierefrau, die sich selbst 150 Prozent Leistung abverlangt, oder der ehrgeizige Manager, der regelmäßig Arbeit mit nach Hause nimmt.

Das kann zu tragischen Fällen führen, wie der Fall des engagierten Notarztes, der übermüdet im Einsatz selbst einen Unfall verursacht, oder der für seine Schäfchen immer Zeit habende Pastor, der andere Ehen meisterlich kittet, dessen eigene aber zerbricht.

Regelmäßig fordern über 800 Zeitschriften – mit entsprechenden modischen Vorbildern – vor allem von Frauen, ewig jung, schlank und erfolgreich zu sein. Für manche Männer gilt auch heute noch das gesellschaftliche Ideal, jeden Samstag das Auto zu waschen und den Rasen auf Wimbledon-Höhe zu halten.

Die Familie bleibt dabei oft auf der Strecke.

Falsche Erwartungshaltung

Der Glaube, dass sich der Wert als Mensch alleine aus Besitz und Leistung ergibt, führt in einen Teufelskreis. Wie ein Hamster im Laufrad gefangen, mit starrem Blick auf perfekte Ergebnisse fixiert, strampelt man zielstrebig dem Burnout entgegen.

Ungünstig kann sich auch eine allzu strenge Verhaftung in der protestantischen Ethik auswirken, indem Lebenssinn und Daseinsberechtigung überwiegend von der Arbeit bestimmt werden.

Als Beispiel dafür kann die rasante Ausbreitung von Funktelefonen angeführt werden. Sie weist manchmal auf das versteckte Bedürfnis des Besitzers hin, seine eigene Bedeutung symbolisch nach außen zu demonstrieren: Man ist allzeit bereit und immer erreichbar. Eine Einstellung, die den Weg in den Burnoutprozess beschleunigen kann.

Manchmal kann auch eine starke Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstbild der Grund für die Flucht vor sich selbst sein.

Die Illusion der eigenen Grandiosität muss um jeden Preis aufrecht erhalten werden, um nicht zu erkennen, dass man nur ein winziges Rädchen im Getriebe der Welt ist. Diese Erfahrung kann direkt zum psychischen Zusammenbruch führen, statt dessen wird das Durchleiden eines möglichen Burnoutprozesses in Kauf genommen.

Die zweite Ursache für Burnout kann in der Angst vor der Auseinandersetzung mit sich selbst liegen. Sie zeigt sich beispielsweise in einer Flucht in die Arbeit (workaholics) oder durch exzessiven Konsum der Freizeitdrogen Internet, Fernsehen, Kino.

Jede Möglichkeit, mit sich in Kontakt zu kommen, wird sorgfältig vermieden – die Leichen bleiben im Keller. Aufkommende Sehnsucht nach intensivem Erleben wird zunehmend durch extremes Freizeitverhalten (Bungee-Springen, S-Bahnsurfen, Abenteuerurlaub u. a.) ausagiert.

Schwierigkeiten, außerhalb des Berufs Wertschätzung und Bestätigung zu finden, führen häufig dazu, dass die Arbeit als einzige Befriedigungsquelle mit zu hohen Erwartungen befrachtet wird. Enttäuschung ist somit vorprogrammiert.

Der dritte Grund für einen Burnout liegt darin, dass man nicht gelernt hat, mit Konflikten und Stresssituationen flexibel umzugehen.

Trotz aller Willenskraft und guter Vorsätze gleitet man immer wieder in gewohnte Verhaltensmuster und scheitert an den alten Lösungsversuchen.

Die dadurch verlorene Zeit wird mit höherer Arbeitsgeschwindigkeit oder Überstunden ausgeglichen.

Mangelndes Vertrauen zu Kollegen, übermäßiges Kontrollbedürfnis und die Unfähigkeit, Nein zu sagen, gehören ebenfalls zu den klassischen Verhaltensweisen, die unnötige Arbeitsbelastungen verursachen und schließlich einen Burnout unterstützen.

Technische Neuerungen in Verwaltung und Fertigung sind ein weiterer Risikofaktor, wenn sie nicht von angemessenen Organisations- und Weiterbildungsmaßnahmen begleitet werden.

Die Mitarbeiter versuchen gegebenenfalls, diesen Mangel und den zusätzlichen Druck durch Vorgesetzte durch Mehreinsatz zu kompensieren. Diese Belastungen werden in Rezessionszeiten durch Maßnahmen zur Erhöhung der Produktivität (Entlassungen, Arbeitszeitverkürzung) verstärkt. Chronische Überlastung und Burnoutsymptome stellen sich automatisch ein.

Schließlich wirken Unzufriedenheit und Überlastung im Beruf wie ein Sog auf das Privatleben. Bislang leicht vor sich hin schwelende Beziehungsprobleme lodern aufgrund der erhöhten Sensibilität auf.

Man steckt den Partner sogar mit seiner Lethargie an und wundert sich, dass erhoffte “Hilfsmaßnahmen” wie z. B. erhöhte Aufmerksamkeit oder liebevolle Zuwendung ausbleiben. Die Doppelbelastung von Frauen durch Beruf und Familie ohne angemessene Unterstützung durch Partner oder Kinder heizt die Situation noch mehr an.

Ein weiterer Weg in das Burnout-Syndrom ist das angestrengte Bemühtsein mancher Singles, lieber heute als morgen den richtigen Lebenspartner zu finden. Auf der aufreibenden Suche nach ihrem Idealpartner brennen sie aus.

Es gibt eine Reihe von ungünstigen Faktoren, die den Burnoutprozess fördern können: Ängstlichkeit, mangelndes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle, hochgesteckte Ziele, überzogenes Anerkennungsbedürfnis oder unflexible Bewältigungsstile.

Dabei stehen Mitarbeiter in Sozial- und Dienstleistungsberufen mit hoher Arbeitsbelastung, geringer Anerkennung und häufigem Klientenkontakt an erster Stelle, wenn es um Risikogruppen geht.

Auch Berufsfelder mit schnellem technischem Wandel und wettbewerbsorientiertem Arbeitklima begünstigen den Burnoutprozess.

Vorbeugung und Heilung

Achtsamkeit und körperliche Sensibilität sind geeignete Mittel, um drohende Überforderung frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Körperliche Symptome wie Müdigkeit, Energielosigkeit oder Verspannung, die den Burnoutprozess begleiten, können rechtzeitig wahrgenommen werden. Eine praktische Möglichkeit, die oft verschüttete Feinfühligkeit zurückzuerlangen, sind alle Tätigkeiten, die wieder Kontakt zum Körper schaffen.

Dabei ist an Sport (keine Wettkämpfe), Entspannung und Meditation (Feldenkrais, Yoga, Eutonie, Tai Chi), aber auch an Gartenarbeit oder lange Spaziergänge zu denken. Außerdem sorgt Bewegung für körperliche Müdigkeit und guten Schlaf.

Informationsstellen:

Burnout Care Center, KH Goldenes Kreuz, Wien
Hotline -Tel.: 0650/98 300 82 (Mo/Do 18.00 – 19.00 Uhr)

Institut für Burnout und Stressmanagement (IBOS), Wien
Tel.: 01/406 57 16

Wiener Landesverband für Psychotherapie
Tel.: 01/890 80 00
Internet: www.pips.co.at/wlp/

Burgenländischer Landesverband für Psychotherapie
Tel.: 02682/630 10

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Quellen:

¹ Netzwerk BurnOutNet
² Das Burnout-Syndrom

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

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[Verfasst 06/2009, Update: 10/2023]

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