Blutgerinnung | Medizinlexikon

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Blutgerinnung

Blut gilt als menschliches Lebenselixier, würde es nicht unseren Körper durchströmen, gäbe es keinen Kreislauf, keine Sauerstoffversorgung im Gehirn und in den Organen und auch nicht den Transport vieler lebenswichtiger Blutbestandteile. Um nach einer Verletzung übermäßigen Blutverlust zu verhindern, verfügt der Körper mit der Blutgerinnung über eine lebenswichtige Schutzfunktion zur Blutstillung (Hämostase).


Medizinlexikon: Blutgerinnung – Artikelübersicht:

Die überlebenswichtige Eigenschaft von Blut, nämlich zu verklumpen, sobald es den Körper verlässt um den Blutverlust bei Verletzungen zu stoppen und die Wunde zu verschließen, funktioniert übrigens sogar unter Wasser.

Konsistenz

Die Konsistenz des Blutes ist von der Natur her so aufgebaut, dass Blut zirkulieren kann. Bei offenen Wunden können Blutplättchen kleine Blutungen allerdings auf natürlichem Weg verschließen. Dazu müssen allerdings folgende Zellen und Substanzen optimal zusammenspielen:

  • Blutplättchen (Thrombozyten – sie werden im Knochenmark gebildet)
  • Blutgerinnungsfaktoren (in der Leber gebildete Eiweißstoffe im Blutplasma)
  • Blutgefäßwand

Blutgerinnung

Die Blutgerinnung ist ein hochkomplexer gegenregulierter Prozess, der sich in zwei Teilvorgänge aufteilen lässt, die aber miteinander in Wechselwirkung stehen. Die Gefäßwand der Blutgefäße, die Blutplättchen (die so genannten Thrombozyten) und die Gerinnungsfaktoren (im Blut gelöste Eiweiße) spielen so zusammen, dass Gefäßdefekte abgedichtet und Blutungen gestoppt werden.

Gleichzeitig sorgt der zweite Schenkel des Blutgerinnungssystems dafür, dass der Gerinnungsvorgang nicht über das Ziel hinausschießt und es zu großflächigen Verklumpungen (Thrombenbildungen) und damit zur Verstopfung ganzer Teile des Gefässsystems kommt.

Der Prozess funktioniert selbst unter Wasser, auch wenn er zweifellos unter diesen Umständen länger dauert, da etwa bestimmte Enzyme ausgeschwemmt werden. Der klassische Schnitt im Finger schließt sich also auch unter laufendem Wasser, allerdings langsamer, weshalb es nicht sinnvoll ist, die offene Schnittwunde unter das Wasser zu halten.

Störung der Blutgerinnung

Die Störung der Blutgerinnung hat entsprechend weitreichende Folgen: wenn das Blut zu langsam gerinnt besteht Verblutungsgefahr, wenn es zu schnell gerinnt besteht die Gefahr der Verstopfung von Blutgefäßen (Blutgerinnsel), in diesem Fall spricht man beim Patienten von Thromboseneigung.

In der Labormedizin gibt es mittlerweile aber eine Reihe von Untersuchungsverfahren zur Analysen der Blutgerinnung um Gerinnungsstörungen festzustellen, aber auch etwa vor Operationen und zur Überwachung einer gerinnungshemmenden beziehungsweise blutverdünnenden Therapie. Univ. Prof. Dr. Paul Alexander Kyrle von der medizinischen Universität Wien war federführend an internationalen Studien der letzten Jahre beteiligt, die ihr Hauptaugenmerk auf die Blutgerinnung bei sogenannten Verschlusskrankheiten richteten.

Interview mit Univ. Prof. Dr. Paul Alexander Kyrle

Dr. Kyrle: Die Blutgerinnung ist ein System, das den Menschen davor schützt zu verbluten, im Rahmen von Verletzungen und Operationen, aber auch im Alltag Blutungen zu bekommen und daran zu versterben. Das Blutgerinnungssystem besteht aus den Blutplättchen (Trombozyten) und den Gerinnungsfaktoren (plasmatische Gerinnung), welche zusammen wirken damit Blutungen vermieden oder gestoppt werden.

Anmerkung: Bei erhöhten Risikofaktoren wie z.B. der Herzrhythmusstörung (Vorhofflimmern), wo die Schlaganfallhäufigkeit massiv erhöht ist, oder bei einer bestehenden Thrombosegefahr kann es notwendig werden in die Blutgerinnung aktiv mittels Medikamenten einzugreifen.

Dr. Kyrle: Die trombotischen Erkrankungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt. Das sind zum Beispiel Herzinfarkt, Schlaganfall, Venen-, Thrombosen- und Lungenembolien. Dabei kommt es zu einer verstärkten Gerinnbarkeit des Blutes und die Blutgefäße verschließen sich durch Blutgerinnsel.

Anmerkung: Daher gilt es in solchen Fällen die Blutgerinnung zu hemmen. Eine Maßname, die seit Jahrzehnten in der Medizin Anwendung findet.

Dr. Kyrle: Es gibt im Grunde zwei Möglichkeiten die Blutgerinnung zu hemmen: Die Blutplättchen mit der Acetylsalicylsäure zu hemmen und die Gerinnungsfaktoren.

Anmerkung: Das sind die in den letzten fünfzig Jahren bisher eingesetzten Vitamin-KAntagonisten. Hier gibt es aber erhebliche Nachteile.

Dr. Kyrle: Sie haben ein kleines therapeutisches Fenster. Wenn man die Dosis nur ein bisschen ändert, verändert sich die gerinnungshemmende Wirkung sehr und das Blut wird zu dünn oder bleibt zu dick. Das heißt schon kleine Änderungen in der Dosis haben eine sehr große Wirkung. Das andere ist, dass andere Medikamente und die Diät die Wirkung dieser Vitamin-K-Antagonisten beeinflussen und daher ein Monitoring notwendig ist. Das heißt der Patient muss mindestens alle vier Wochen zum Arzt gehen, muss dort eine Blutabnahme haben und die Therapie muss überprüft werden.

Anmerkung: Verständlich, dass die Forschung weltweit nach besseren und wirksameren Medikamenten suchte.

Dr. Kyrle: Es hat sich in den letzten Jahren Entscheidendes auf dem Gebiet der Blutgerinnung getan. Es sind neue Medikamente entwickelt worden, die direkt in das Blutgerinnungssystem eingreifen. Die alten Medikamente haben mehrere Gerinnungsfaktoren gleichzeitig beeinflusst, die Neuen hemmen einen einzigen Faktor und sind deshalb auch steuerbar. Sie haben auch den Vorteil, dass sie nicht eines Monitorings unterliegen, dass heißt man muss keine vierwöchigen Kontrollen bei diesen Medikamenten durchführen.

Anmerkung: Großangelegte Studien zeigten, dass sich damit eine wesentliche Zahl der Schlaganfälle reduzieren ließe und auch andere potentielle Gefäßverschlusserkrankungen vermeidbar wären.

Dr. Kyrle: Die Venenthrombose und die Lungenembolie sind unterschätzte Erkrankungen. Hier kommt es im Jahr zu 20.000 Fällen in Österreich (vor allem bei älteren Menschen) und man muss davon ausgehen, dass jedes Jahr 5.000 Leute an einer Lungenembolie sterben. Und auch hier gibt es neue Daten mit neuen Medikamenten, bei denen die Behandlung der Thrombose und der Lungenembolie besser ist als mit den herkömmlichen blutverdünnenden Medikamenten.

Anmerkung: Ein bisher großes Problem war auch, dass die Vitamin-K-Antagonisten vor geplanten Operationen sehr frühzeitig abgesetzt werden mussten. Zwar ist das notwendig, weil der Patient bei einer Operation eine normale Blutgerinnung braucht, aber damit ist die Thrombosegefahr wieder erhöht.

Dr. Kyrle: Die alten Medikamente haben eine relativ lange Halbwertszeit gehabt, das heißt man musste sie schon eine Woche vorher absetzen. Die neuen kann man am Tag vor dem Eingriff absetzen, die Wirkung ist weg und die Op kann dann sicher durchgeführt werden.

Anmerkung: Nebenwirkungen haben sich bei Langzeitstudien nicht gezeigt. Der neue Wirkstoff soll mittels Tablette täglich eingenommen werden.

Quelle: www.vielgesundheit.at


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