Die Kneipp-Kur

1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (26 Bewertungen, Durchschnitt: 3,81 Sterne von 5)
Kneipp Kur

Fotocredit: lev dolgachov & gandalf | Fotolia

Als Kneipp Kur bzw. Kneippen bezeichnet man die vom Pfarrer Sebastian Kneipp entwickelte Wassertherapie zur Stärkung des Immunsystems. Die Wurzeln dieser therapeutischen Technik gehen auf Pfarrer Sebastian Kneipp (1821 – 1897) zurück, der als Student an Tuberkulose erkrankte und durch seine Selbstbehandlung geheilt wurde.


Heute wird mit dem Begriff der Kneipp-Therapie häufig nur die Wassertherapie gemeint. Neben der Wasseranwendung sind die Verwendung von Heilpflanzen, ausreichende Bewegung sowie die Empfehlung einer einfachen Kost und einer strengen Lebensordnung weitere Grundpfeiler der Kneipp-Therapie.

Anwendung

Die Anwendungen der Kneipp-Therapie erfolgen entweder in Form von Kuren oder Heimanwendungen, vor allem als Prophylaxe.

Als ganzheitliches Therapiekonzept wird die traditionelle Methode nicht nur in Kureinrichtungen sondern auch in Arztpraxen sowohl zur Vorbeugung und Therapie von Funktionsstörungen als auch zur Behandlung organischer Erkrankungen und Beschwerden eingesetzt.

Bei der Hydrotherapie unterscheidet man zwischen Waschungen, Güssen, Wickel mit Heusackauflagen, Kräuterbädern und der Sauna.

Die unterschiedlich temperierten Wasseranwendungen werden nach dem Zustandsbild des Patienten bestimmt, wobei auch versucht wird, chronobiologischen Gesichtspunkten zu folgen.

Durch die Abfolge von Kalt- und Warmwasseranwendungen erreicht man nicht nur eine Durchblutungsverbesserung des gebadeten Körperteiles, sondern auch der mit dem entsprechenden Segment verbundenen inneren Organe sowie der gesamten Körperoberfläche. Die Phytotherapie wird nicht nur im klassischen Sinne als Anwendung von Tees und Kräutersäften verordnet, sondern auch in Form von Heusackpackungen, Bädern und Inhalationen.

Charakteristische Merkmale

Der Mensch steht immer als unlösbare Einheit von Leib und Seele im Mittelpunkt. Man trainiert und übt die Harmonisierung aller leiblichen und seelisch-geistigen Funktionen.

Das Ziel: Abhärtung, geringere Störanfälligkeit, größere Belastbarkeit, bessere Anpassung an die unterschiedlichen Anforderungen des Lebens, Information und Anregung zur Erhaltung oder Wiedergewinnung der Gesundheit mit dem Ziel einer umfassenden aktiven Gesundheitspflege.

Therapie

Die Kneipp-Therapie beruht auf fünf Säulen bzw. Wirkprinzipien:

  • Hydrotherapie (Wasseranwendungen)

    Die Kneipp-Hydrotherapie ist in ihren Wirkungen großteils erforscht und gehört zum Fachgebiet der physikalischen Medizin. Sie umfasst Waschungen, Güsse, Voll- und Teilbäder, Wickel, Auflagen und Packungen, Taulaufen, Wassertreten und Schneegehen.

    Die Kneippanwendungen werden kalt, im Wechsel (warm/kalt) oder warm verabreicht. Bei kalten Wasseranwendungen gilt das Prinzip: warm – kalt – warm. Das heißt, kalte Wasseranwendungen dürfen nur bei warmem Körper verabreicht werden, nach der kurzen kalten Anwendung erfolgt eine Wiedererwärmung durch Bewegung oder Bettruhe.

    Kneipp versuchte, mit kleinsten Reizen die größtmöglichen Effekte zu erzielen. Im Vordergrund steht meist der thermische Reiz. Dieser wird über eigene Rezeptoren wahrgenommen und löst über verschiedene Ebenen des vegetativen Nervensystems Reflexvorgänge aus. Der wichtigste Effekt erfolgt im Bereich des Gefäßsystems im Sinne eines Gefäßtrainings.

  • Phytotherapie (Pflanzenheilkunde)

    Die Verwendung von Heilpflanzen ist heute moderner denn je. Die Wirksamkeit vieler Arzneipflanzen konnte dank wissenschaftlicher Forschung nachgewiesen werden.

    Die Pharmaindustrie verwendet die Inhaltsstoffe von manchen Heilkräutern als Ausgangsbasis für hochwirksame Medikamente. Mild wirkende Heilkräuter werden heute von gesundheitsbewussten Menschen zur Heilung banaler Erkrankungen und zur Unterstützung ärztlicher Therapie verwendet: in Form von Teemischungen, Säften und Elixieren, als Salben, für Einreibungen und Badezusätze.

    Sebastian Kneipp: “Das Wasser heilt und die Kräuter helfen”, und über das Kombinieren von Wasseranwendungen und Helkräutertees: “Wenn ein Pferd den verfahrenen Karren nicht aus dem Dreck ziehen kann, dann spanne ein zweites dazu”.

  • Ernährungstherapie (Vollwertkost)

    Die von Kneipp gelobte “einfache, nahrhafte Kost” steht im Einklang mit den heutigen Erkenntnissen der modernen Ernährungslehre. Empfehlenswert ist eine vollwertige Mischkost mit viel Obst, Gemüse, Getreide- und Milchprodukten nach dem Motto “Mehr von der Pflanze, weniger vom Tier”.

  • Bewegungstherapie

    Obwohl Bewegung dem Menschen durch die körperliche Betätigung allein schon eine Anregung des Stoffwechsels, eine bessere Durchblutung der Muskulatur und eine Verbesserung der Gelenksbeweglichkeit bringt, kommen erst bei regelmäßigem Bewegungstraining die wichtigsten Vorsorgeparameter zum Tragen:

    Systematischer Kraftaufbau bringt nicht nur erhöhte Muskelkraft, sondern stärkt auch das Knochen- und Gelenksystem, regelmäßiges Ausdauertraining bietet den besten Schutz gegen Herz-Kreislaufprobleme, Koordinationsübungen verbessern Geschicklichkeit, Gleichgewicht, Haltung und Bewegungsgefühl, und Entspannungsübungen ermöglichen Stressabbau.

  • Ordnungstherapie (Psychohygiene und Erziehung zur Gesundheit)

    Lebensordnung und Gesundheitsbildung muss als wichtigster Bestandteil der Kneipp’schen Lebens- und Heilweise angesehen werden. Sie umfasst eine ausgewogene, natürliche Lebensführung, die der Einheit von Körper, Geist und Seele gerecht wird.

    Über die physischen und psychischen Belange des einzelnen Menschen hinaus ruft uns die Ordnungstherapie auch zur Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe sowie zum Streben nach sozialer und ökologischer Ordnung auf.

Heute stellt die Implementierung der evidenzbasierten Medizin (EbM) in die internistische Praxis eine große Herausforderung für die Kneipp-Therapie dar.

Während es in den 1980er und 1990er Jahren zahlreiche präklinische, humanphysiologische und einige klinische Studien gab, die die Kneipp-Therapie als wissenschaftlich anerkannt auswiesen, hat der Perspektivenwechsel in der Medizin hin zur EbM in den frühen 2000er Jahren zu einem Forschungsdefizit im Bereich der klinischen Studien geführt.

Der Forderung nach wissenschaftlicher Evidenz stand ein Mangel an belastbaren Daten und eine insgesamt heterogene Studiensituation bzw. Studienqualität gegenüber.

Zuletzt sind Forschungsaktivitäten in diesem Bereich in den letzten Jahren sukzessiv angestiegen und zeigen deutliche Hinweise auf die Wirksamkeit.

Nach wie vor als unzureichend erforscht wird von Medizinern die Kneippsche Hydrotherapie, die als Reiz- bzw. Regulationstherapie bei zahlreichen Indikationen eingesetzt wird, bezeichnet.

Zum Behandlungsspektrum gehören akute und chronische Erkrankungen, die Stärkung des Immunsystems, aber auch die Abhärtung gegen Stress und Erhöhung der Resilienz sowie im Allgemeinen die Verbesserung der Lebensqualität. Aktuell wird von verschiedenen Forscherteams untersucht, ob naturheilkundliche Therapieansätze auch bei Long-COVID (COVID „coronavirus disease“) hilfreich sein können.

Informationsstellen:

VERBÄNDE UND VEREINIGUNGEN

Österreichischer Kneippbund:

Präsident: Prof. Mag. pharm. Bernd MILENKOVICS
E-Mail: [email protected]
Bundessekretariat: A-8700 Leoben, Kunigundenweg 10
Tel.: 03842/21718 Fax: DW 19
E-Mail: [email protected]
Österreichischer Kneippbund

Österr. Kneippbund, Landesverband Wien:

Vorsitzende: Dipl.-Kos. Friederike Zelenka
A-1070 Wien, Neubaugasse 66/2/2/18,
Tel.: 01/526 75 08
E-Mail: [email protected]
Landesverband Wien

Österreichischer Heilbäder- und Kurorteverband:
A-1010 Wien, Josefsplatz 6
Tel.: 01/512 19 04
E-Mail: [email protected]
www.oehkv.at

Weitere umfangreiche Informationen bieten zum beispiel die Kneipp Traditionshäuser der Marienschwestern Aspach – Bad Kreuzen – Bad Mühllacken: www.kneippen.at.

———

Quellen:

¹ Effekte der Kneipp-Therapie: Ein systematischer Review der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse (2000-2019) [PMID: 33049739 DOI: 10.1159/000510452]
² Was ist gesichert in der Kneipp-Therapie? Die internistische Sicht (L-Ehnert & Ch. Geiser in Inn Med (Heidelb); 2022; 63(12): 1229–1236.) DOI: 10.1007/s00108-022-01423-8
³ Kneippen: Mit kalten Güssen fit gegen Infekte (NDR Ratgeber)

--------------------------

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

Linktipps

– TEM – Traditionelle Europäische Medizin erlebt eine Renaissance
– Vorbeugender Gesundheitsurlaub – worauf zu achten ist
– Wohltuendes Fußbad: die perfekte Pflege und Entspannung
– Biorhythmus & Organuhr – die innere Uhr
– Kneipp-Bund Deutschland e.V.

Das könnte Sie auch interessieren …