Blaulichtdiagnose (Fluoreszenzzystoskopie) | Medizinlexikon
Das Harnblasenkarzinom belegt nach dem Karzinom der Prostata den zweiten Rang unter den urologischen Malignomen. Mit Hilfe der sogenannten Blaulichtlicht-Zystoskopie – ein fotodynamisches, vergleichsweise junges Diagnoseverfahren, kann Blasenkrebs sehr viel besser und genauer als mit dem bisherigen Standardverfahren erkannt werden.
Fluoreszenzzystoskopie, auf Deutsch ‘Blaulichtverfahren’ nutzt die Eigenschaft des Tumorgewebes, fotoaktive (fluoreszierende) Substanzen stärker einzulagern als gesundes Gewebe, wodurch der Tumor unter Blaulicht sichtbar wird.
Photodynamische Diagnostik
Photodynamische Diagnostik (PDD) ist ein auf Fluoreszenz basierendes Verfahren, bei dem Gewebeveränderungen, etwa bösartige Tumoren, für den Untersucher besser sichtbar gemacht werden. Dabei werden Fluoreszensfarbstoffe, die sich im veränderten Gewebe besonders anreichern, eingesetzt.
Werden diese Farbstoffe mit Licht einer bestimmten Wellenlänge (also Farbe) angeregt, so senden sie Licht einer anderen Wellenlänge aus. Die so markierten Areale heben sich durch unterschiedliche Färbung von der Umgebung ab. Dieses Prinzip wird z.B. bei der endoskopischen Untersuchung der Luftwege, im Verdauungstrakt und in der Harnblase eingesetzt. Unterschieden werden zwei Arten der Fluoreszenz-Endoskopie: Weißlichtzystoskopie und Blaulichtzystoskopie.
Bei der Fluoreszenz-Endoskopie der Blase wird die Schleimhaut mit einer speziellen Lösung gespült. Zellen von Blasenkarzinomen reichern die Substanz mit hoher Sensitivität an. Unter blauem Licht fluoreszieren sie dann rot, und machen das Ausmaß des Tumors für den Chirurgen klar sichtbar und den Eingriff für den Patienten dadurch sicherer und treffgenauer.
Mit herkömmlicher Endoskopie ist nämlich eine spezielle Tumorart, der Carcinoma in situ (CIS) nicht zu identifizieren, mit dem Fluoreszenzverfahren gelingt das problemlos: Die Sensitivität liegt weit über 95 Prozent. Der Tumor wird dann endoskopisch abgetragen, ohne dass unerkanntes Tumorgewebe zurück bleibt.
Die Hoffnung ist, dass durch diese radikaleren Operationen die hohe Rezidiv- und Reoperationsquote bei Patienten mit Blasenkarzinom sinkt. Insgesamt werden mittels PDD pro Patient mehr Tumoren entdeckt, auch die besonders riskanten flachen intraepitheliale Läsionen vom Typ des Carcinoma in situ.
Interview
Interview mit Prim. Dr. Wolfgang Loidl via www.vielgesundheit.at
Prim. Dr. Wolfgang Loidl ist Leiter der Abteilung für Urologie am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz.
Anmerkung: Häufiger Harndrang, Blut im Urin und Schmerzen beim Wasserlassen. Unspezifische Symptome, die nicht unbedingt auf eine Krebserkrankung hinweisen und doch könnten sie erste Anzeichen dafür sein.
Dr. Loidl: Blasenkrebs ist eine sehr häufige Erkrankung. Sie ist die fünfthäufigste des Mannes und die Frauen sind stark am Aufholen. Frühzeitige Erkennung beim Blasenkarzinom bedeutet, dass man Leben retten kann, die Therapie bei Weitem nicht so ausgeprägt sein muss und im weiteren Verlauf auch mehr Lebensqualität als bei später Erkennung.
Anmerkung: Das Tumorwachstum in der Blase geht in den meisten Fällen von der Schleimhaut aus. Die Wachstumsmuster von Blasentumoren sind sehr unterschiedlich.
Dr. Loidl: Blasenkrebs kann oberflächlich wachsen, sehr groß und voluminös imponieren, sodass man denken könnte, dass es ein sehr schlimmer Prozess wäre. In Wirklichkeit ist dieser sehr gutartig. Er kann jedoch flach, fast unscheinbar und kaum sichtbar mit freiem Auge und in weiterer Folge auch in die Tiefe wachsen. Man spricht von Eisbergtumoren, da nur ein ganz kleiner Teil sichtbar und der Rest bereits in die Blasenwand, oder gar durch die Blasenmuskulatur in ein anderes Organ gewachsen ist.
Anmerkung: Diese können leicht übersehen, beziehungsweise ihre Grenzen bei einer Operation nicht klar erkannt werden. Dies führt wiederum zu sogenannten Rezidiven, dem Wiederauftreten der Erkrankung.
Dr. Loidl: Wir wissen, dass bei der Operation des Harnblasenkrebses Gewebe zurückbleiben kann, weil Ausläufer unsichtbar für das freie Auge und das normal belichtete optische System vorliegen. Daher nehmen wir schon vom Rand Biopsien, um zu wissen, wie krank der Patient wirklich ist und welche Reaktionen wir benötigen um den Patienten zu heilen, beziehungsweise nicht das Wiederaufkommen der Erkrankung zu beschleunigen. Grundsätzlich liegt die Rate des Wiederauftretens beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom, dass nicht in die Muskulatur einwächst zwischen 40 und 60 Prozent.
Anmerkung: Um diese hohe Rückfallrate zu vermeiden erfolgt der Einsatz der Blaulicht-Zystoskopie. Dies ist eine fotodynamische Diagnostik, die hilft Blasenkrebs sehr viel besser und genauer als mit den bisherigen Standardverfahren zu erkennen.
Dr. Loidl: Der eindeutige Vorteil der Blaulicht-Zystoskopie, ist dass man die Blasentumore, die manchmal ja vielfältig vorliegen, viel leichter erkennt. Wir finden Ausläufer, die wir bei der Operation oft nicht sehen, flach dahin wachsen und bei normalem Weißlicht nicht erkennbar sind viel besser und deutlicher. Aufregend ist, dass man auch bei multiplen
Tumoren die kleinen Reste sehr gut erkennt und nicht übersieht.
Anmerkung: Bei der Blaulicht-Zystoskopie wird über einen Katheter eine fotoaktive Substanz in die Blase eingebracht. Der Wirkstoff, wird von den Tumorzellen verstärkt aufgenommen und bewirkt, dass diese unter Ausleuchtung mit Blaulicht rot leuchten.
Dr. Loidl: An dieser Abteilung unseres Instituts wird die Blaulicht-Zystoskopie während der Operation eines Blasentumorpatienten verwendet. Das ist das Um und Auf. Bei jedem ersten Patienten und bei jedem Rezidiv wird diese Methode verwendet, weil wir wissen, dass wir ihnen dadurch die Zeit zum Wiederauftreten verlängern können, die Therapie besser ist und wir Reoperationen verhindern können. Das sind deutliche Vorteile.
Anmerkung: So lassen sich bösartige Veränderungen finden, die sonst übersehen werden könnten und innerhalb des gleichen Eingriffs entfernen.
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Linktipps
– Blaulicht-Fluoreszenzzystoskopie
– Medizinlexikon: Urologe
– Blasenentzündung (Zystitis, Blasenkatarrh)
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