Was ist autogenes Training?
Autogenes Training ist eine 1920 vom deutschen Psychiater Johannes Heinrich Schultz begründete psychotherapeutische Methode der konzentrativen Selbstentspannung zur Behebung psychisch-vegetativer Störungen.
Mittels erlernbarer, auf Autosuggestion beruhender Übungen soll die Beherrschung von sonst nicht willkürlich beeinflussbaren körperlichen und seelischen Funktionen erlangt werden und Störungen wie Verkrampfungszustände oder Schlaflosigkeit behoben werden.
Autogenes Training – Artikelübersicht:
- Autogenes Training: Entspannungstechnik zwischen Tradition und Wissenschaft
- Die Prinzipien des Autogenen Trainings
- Übungen und Ablauf
- In welchen Bereichen wird autogenes Training eingesetzt?
- Wissenschaftliche Evidenz und Kritikpunkte
- Was sind die Voraussetzungen für autogenes Training?
- Linktipps
Autogenes Training: Entspannungstechnik zwischen Tradition und Wissenschaft
Das Autogene Training ist eine Entspannungstechnik, die in den 1920er Jahren von dem deutschen Psychiater Johannes Heinrich Schultz entwickelt wurde. Es zielt darauf ab, durch gezielte Selbstbeeinflussung den Körper in einen Zustand tiefer Entspannung zu versetzen.
Dabei sollen mentale Übungen wie Selbstsuggestion und Konzentration auf bestimmte Körperempfindungen die körperliche und psychische Gesundheit verbessern.
Obwohl das Autogene Training von vielen Anhängern als wirksam angesehen wird, gibt es sowohl Befürworter als auch Skeptiker hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Grundlage und Wirksamkeit.
Die Prinzipien des Autogenen Trainings
Das Autogene Training basiert auf der Idee, dass der menschliche Geist Einfluss auf den Körper nehmen kann, um Entspannung und Wohlbefinden zu fördern. Es umfasst eine Reihe von Übungen, bei denen sich die Person auf bestimmte Formeln oder Sätze konzentriert, um körperliche Empfindungen wie Schwere, Wärme und Ruhe zu erzeugen.
Diese Empfindungen sollen durch die Vorstellungskraft und das Bewusstsein des Einzelnen erzeugt werden.
Autogenes Training kann als eine Form der Selbsthypnose und der Autosuggestion betrachtet werden, es bedient sich auch ähnlicher Elemente wie die Meditation, auch mit bestimmten Übungen des Yoga gibt es methodische Gemeinsamkeiten.
Es basiert auf dem Prinzip der Selbstbeeinflussung des Geistes, um körperliche und mentale Entspannung zu erreichen. Sowohl Selbsthypnose als auch Autosuggestion sind Schlüsselkomponenten dieser Technik.
Die wesentlichen Prinzipien des Autogenen Trainings:
Übungen und Ablauf
Autogenes Training wird zumeist in kleinen Gruppen (seltener im Einzelsetting) in 1 bis 2 wöchentlichen Sitzungen während einer Dauer von 6 bis 10 Wochen vermittelt.
Jede Übung mit ihren verschiedenen Komponenten (z.B. “Schwere”, “Wärme” und “Atemwahrnehmung”) dauert insgesamt 3 bis 5 Minuten und wird meist im Sitzen (zuweilen auch im Liegen) bei geschlossenen Augen durchgeführt.
Die Übungen finden vorzugsweise in einem ruhigen, abgedunkelten Raum oder in einer ruhigen Naturumgebung statt, während des praktischen Trainings schweigt der Therapeut.
Die Übenden konzentrieren sich anfangs auf die Wahrnehmung ihres Gebrauchsarms mit der Leitvorstellung “mein Arm ist schwer”. Sofern 2 bis 3mal täglich zuhause geübt wird, generalisiert die Schwereempfindung auf Arme und Beine, und Wärmeempfindungen werden zusätzlich angesprochen (“Arme und Beine sind schwer”, “Arme und Beine sind warm”, “ich bin ganz ruhig”).
Wenn zuweilen Wärmeempfindungen vor oder zugleich mit der Schwere realisiert werden, wird die individuelle Ausgestaltung der Übung den Empfindungen angepasst.
Jede tagsüber durchgeführte Übung wird intensiv zurückgenommen (“Dynamisierung”). Die Übungsformeln können fortschreitend schlagwortartig verkürzt werden (“Ruhe-Schwere-Wärme”).
Durch die passiv-gelassene Konzentration (“was geschieht, ist gut”) auf entspannungsgekoppelte Vorgänge, automatisiert und intensiviert sich schon bei diesen “psychotherapeutischen Grundübungen” die Entspannung. Zusätzlich können weitere Komponenten (Organübungen) trainiert werden:
Rhythmisch ablaufende Körpervorgänge (Herzschlag, Atmung), ein strömendes Wärmegefühl im Bauchraum (Sonnengeflecht) und eine angenehme Kühle der Stirn werden passiv gelassen fokussiert.
Weiterhin kann der Übende dazu angeleitet werden, mit “formelhafte Vorsatzbildungen” persönliche Leitsätze zu bilden, die auf Symptomreduktion oder Persönlichkeitsreifung abzielen und bei therapeutischem Vorgehen im Rahmen umfassender Behandlungspläne besonders wichtig sind.
Die grundlegenden Übungen des Autogenen Trainings umfassen:
In welchen Bereichen wird autogenes Training eingesetzt?
Die Wirkung des autogenen Trainings wird seit Beginn des 20. Jahrhunderts erforscht und experimentell bestätigt.
Eine Wirksamkeit wurde bei ängstlichen und nervösen Störungen, Schlafstörungen und psychosomatisch bedingten Krankheitssymptomen bis hin zu leichten depressiven Verstimmungen und auch bei der Rauchentwöhnung nachgewiesen.
Es kann des weiteren zur Gedächtnissteigerung eingesetzt werden. In der Medizin und Psychotherapie ist autogenes Training ein anerkanntes Verfahren zur Behandlung von Angstzuständen und wird im Sportbereich seit vielen Jahren zur Leistungssteigerung verwendet. Auch zur Reduktion chronischer Schmerzen wird es erfolgreich eingesetzt.
Wissenschaftliche Evidenz und Kritikpunkte
Die wissenschaftliche Forschung zum Autogenen Training ist gemischt. Einige Studien deuten darauf hin, dass diese Methode zur Stressreduktion und Verbesserung des Wohlbefindens beitragen kann. Es gibt, wie erwähnt, Berichte über positive Effekte auf Schlafstörungen, Angstzustände, Schmerzmanagement und Blutdruckkontrolle.
Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen sowie bei bestimmten medizinischen Zuständen scheint das Autogene Training positive Auswirkungen zu haben.
Jedoch sind auch Kritikpunkte und skeptische Stimmen zu berücksichtigen:
Was sind die Voraussetzungen für autogenes Training?
Das Autogene Training ist zweifellos eine faszinierende Technik, die auf einer tiefen Verbindung zwischen Geist und Körper beruht.
Trotz gemischter wissenschaftlicher Evidenz und Kritikpunkten gibt es zahlreiche Berichte über positive Erfahrungen und verbessertes Wohlbefinden bei Anwendern.
Obwohl es nicht für jeden gleichermaßen wirksam sein mag, können Menschen, die von dieser Methode profitieren, eine erhöhte Entspannung, Stressreduktion und möglicherweise verbesserte Gesundheit erfahren.
Autogenes Training setzt seelische Gesundheit, Lernbereitschaft und ein gewisses Maß an Selbstdisziplin voraus. Menschen, die an einer akuten Psychose, an Schizophrenie oder depressiven Psychosen leiden, ist das autogene Training nicht geeignet.
Auch bei Hirnabbau und Demenzen wie der Alzheimer-Krankheit ist die Methode nicht wirksam – hier ist ärztliche Behandlung angezeigt.
Das autogene Training sollte nur unter qualifizierter Anleitung durchgeführt werden. Falsche Durchführung des autogenen Trainings kann die Symptome, die man damit beseitigen oder lindern möchte, verschlimmern.
Es ist wichtig, dass Einzelpersonen, die am Autogenen Training interessiert sind, ihre Erwartungen realistisch halten und die Technik unter fachkundiger Anleitung erlernen.
Die Wahl zwischen verschiedenen Entspannungsmethoden sollte auf individuellen Bedürfnissen, Vorlieben und wissenschaftlicher Evidenz basieren, um das Beste für die persönliche Gesundheit und das Wohlbefinden zu erreichen.
——
Quellen:
¹ Entspannungsverfahren: Autogenes Training (Neurologen und Psychiater im Netz)
² Autogenes Training reduziert chronische Schmerzen – Autogenic Training for Reducing Chronic Pain: A Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Controlled Trials (Kohlert, A., et al. in International Journal of Behavioral Medicine; 2021) DOI: 10.1007/s12529-021-10038-6
Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)
Linktipps
Autogenes Training als Entspannungstechnik
Balancing: das natürliche Anti-Stress-Programm
Klangmassage: Entspannungstherapie durch Töne & Schwingungen
Ki-Do – Trendsportart aus Österreich
Alles zum Thema Alternativmedizin
ÖGATAP (Österr. Gesellschaft für Autogenes Training und Allgemeine Psychotherapie)
[Verfasst 01/2011, Update: 08/2023]