Genmedizin: wie weit kann sie uns helfen?

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Genmedizin birgt viele Chancen aber auch Gefahren

Gentherapie galt lange Zeit als neue Hoffnung im Kampf gegen viele Krankheiten. Die erste Euphorie ist verflogen, der Fortschritt ist freilich da, aber von einer umfassenden Therapiemöglichkeit sind wir noch weit entfernt.


Die Erwartung der erfolgreichen Behandlung vieler Erkrankungen war groß, Genmedizin galt und gilt als Hoffnung zur Heilung vieler Krankheitsbilder. Und noch immer erreichen uns aus den Medien neue Erfolgsmeldungen. Einem Forscherteam gelang es die Adrenoleukodystrophie, eine schwere Gehirnkrankheit, bei zwei Buben zu stoppen. Den Kindern wurden Stammzellen aus ihrem Knochenmark entnommen, in diesen wurde das Gen, das für die Krankheit verantwortlich ist, ersetzt und diese modifizierten Stammzellen wurden schließlich wieder implantiert.

In den USA hilft eine neue Therapie blinden Kindern zu sehen. Bei Patienten im Alter zwischen acht und 44 Jahren mit der Krankheit Amaurosis congenita wurde genetisches Material mit einem Virus an die defekten Augenzellen gebracht. Bei den Kindern zeigten sich die größten Erfolge. Ein Patient erlangte sogar fast vollständig sein Sehvermögen zurück. Auch die Symptome von Parkinson können durch die Injektion von insgesamt 3 Genen deutlich gelindert werden.

Wenig erforschte Therapien als “Notlösung”

Diese Therapieformen sind aber, wie viele andere noch experimentell. Standardisierte Behandlungsmöglichkeiten gibt es bis dato kaum welche. Daher ist die Genmedizin bis heute meist erst dann Methode der Wahl, wenn alle alternativen Behandlungen versagt haben. Beide oben angeführten Therapien zählen zur Gentherapie.

Von Gentherapie spricht man immer dann, wenn Gene in Zellen eines Individuums eingefügt oder manchmal auch entfernt werden mit dem Ziel eine erbliche Krankheit oder einen genetischen Defekt zu bekämpfen. Behandelt werden heute vor allem die Krankheiten, bei der nur ein Gen defekt ist.

Doch auch im Kampf gegen Krebs, bei dessen Entstehung mehrere Gene zusammenwirken, macht die Forschung laufend Fortschritte.

Es gibt unterschiedliche Methoden der Gentherapie. Eine Form und die wahrscheinlich bekannteste ist die Substitutionstherapie. Bei der Substitutionstherapie wird das fehlerhafte Gen ersetzt oder korrigiert. Um Gene in die Zellen des Menschen zu bringen, werden verschiedene Methoden angewandt. Je mehr optimierte Gene in die Körperzellen eingeschleust werden können, desto eher können sie helfen, das Krankheitsbild zu verbessern. Besonders Viren sind effizient um Gene in die Zellen zu implementieren. Wichtig ist natürlich, dass das Virus für den Patienten nicht schädlich ist. Zudem sind psychochemische Methoden zum Gentransfer in Entwicklung.

Eine weitere Behandlungform ist die Supressionstherapie. Bei ihr werden pathogene Genaktivitäten ausgeschaltet. Das Risiko bei der Therapieform ist noch nicht ausreichend erforscht, daher wird sie nur sehr selten angewendet. Die Additionstherapie funktioniert mittels Verstärkung der Funktion des Genes, das heißt zum Beispiel bei einer Immunschwäche kann so die Immunabwehr verstärkt werden.

Risikoreich, aber erfolgsversprechend

Im Allgemeinen ist noch zu wenig über die Nebenwirkungen der Gentherapien bekannt. Besonders bei SCID (schwere kombinierte Immundefekte) hat sich die Gentherapie als erfolgsversprechend erwiesen. Ein Gendefekt setzt dabei das Immunsystem außer Kraft, da die T-Lymphozyten fehlen. Durch Ersetzen der defekten Stammzellen können sich die fehlenden Lymphozyten bilden und Immunabwehr wird aufgebaut. Doch gerade die Behandlung dieser Krankheit ist ein Beispiel dafür, dass Komplikationen durchaus noch vorkommen. Die Therapie ist bereits seit etwa 10 Jahren in Anwendung. Doch erkrankten schon einige Jahre später nach Start der Studien 4 Kinder an einer Form der Leukämie.

2007 kam es erneut zu einer Erkrankung. Schuld waren die Viren, mittels derer die modifizierten Gene eingeschleust wurden. In Tierversuchen wurde festgestellt, dass etwa ein Drittel der Versuchstiere erkrankte. Trotzdem zeigen die oben angeführten Beispiele, wie Genmedizin schon heute heilen kann und geben vielleicht einen kleinen Ausblick, was in den nächsten Jahren noch möglich sein wird. Viele Krankheiten haben ihre Ursache in Gendefekten. Oft sind sie vererbt. Besonders bei Krankheiten, die als nicht heilbar gelten, bietet die Gentherapie eine echte Chance. Allerdings sind wir noch weit davon entfernt davon, alle Möglichkeiten der Genmedizin auszuschöpfen zu können. Führende Experten wie der britische Professor Roy Calne rechnen erst in 20 Jahren damit, dass beispielsweise Organe wie das Herz aus Stammzellen nachgezüchtet werden können.

Diagnosen mittels Gentests

Besonders in der Diagnostik leistet die Genmedizin heute schon einen großen Beitrag. Dem Humangenomprojekt ist es zu verdanken, dass immer mehr Gentests verfügbar sind. Es wurde bereits 1990 ins Leben gerufen um das Genom des Menschen vollständig zu entschlüsseln. Mit dieser Entcodierung können Krankheiten und molekulare Veränderungen identifiziert und besser verstanden werden. Seit 2003 gilt das menschliche Genom als vollständig entschlüsselt und das Projekt konnte abgeschlossen werden. Welchem Gen welche Bedeutung zukommt, ist allerdings noch nicht vollständig geklärt. Bisher sind über 1500 Krankheitsgene bekannt, es werden ständig mehr. In jeder Körperzelle gibt es etwa 25.000 Gene, der menschliche Körper umfasst wiederum 10.000 Milliarden Zellen.

Auch in anderen Bereichen der Genetik wird geforscht. Beispielsweise will die Genmedizin dem Altern den Kampf ansagen. Das Gen MCAt könnte beispielsweise in Zukunft das Aktivitätsniveau alter Menschen erhöhen. Und wer weiß, vielleicht können wir bald ewig leben – aber, wollen wir das wirklich?

[ameis]

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

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Linktipps

– Erbkrankheiten
– Biopharmazeutika – biotechnologisch hergestellte Arzneimittel
– Österreich: jeder Dritte über 15 Jahren leidet an einer chronischen Erkrankung
– Neuroimaging – Bilder aus dem Gehirn
– SMS – Smith-Magenis-Syndrom
– Therapieformen bei Demenzerkrankungen
– Deutsche Gesellschaft für Gentherapie

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