Ess-Störungen: wenn Diäten zur Sucht werden

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Ess-Störungen: wenn Diäten zur Sucht werden

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Latent Esssüchtige sind oft normalgewichtig, finden sich aber zu dick – d.h. die permanente gedankliche und emotionale Beschäftigung mit den Themen Essen und Gewicht steht bei den Betroffenen im Vordergrund.


Essstörungen, zu denen die Magersucht (Anorexia nervosa) und die Ess-Brechsucht (Bulimia nervosa; Bulimie) gezählt werden, zählen daher auch zu den psychosomatischen Erkrankungen. Die Dunkelziffer der Betroffenen ist hoch.

Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind rund 300 verschiedene Diäten auf dem Markt. Nur eine von 200 Personen hält das Diätgewicht länger als ein Jahr. 70% führen ein Diätprogramm nicht zu Ende. 95%, die eine Diät gemacht haben, sind nach 5 Jahren dicker als zuvor (Stern 12/97).

Eine besondere Ausprägung der Diät-Sucht betrifft die Latent Esssüchtigen. Die Betroffenen zeigen ein extrem kontrolliertes Essverhalten und leiden zumeist unter einem verzerrten Körperbild.

Ananas-Diät, Trennkost oder FDH – latent Esssüchtige hangeln sich quasi von einer Diät zur nächsten. Neben einem streng kontrollierten Essverhalten haben sie oft ein verzerrtes Selbstbild. Viele der meist weiblichen Betroffenen sind normalgewichtig oder leicht übergewichtig, halten sich aber für viel zu dick.

Die Beschäftigung mit dem Essen und der eigenen ist für sie ein ganz zentrales Thema. Latent Esssüchtige sind davon überzeugt, ihr normales Gewicht nur mit Hilfe von Diäten aufrecht erhalten zu können.

Durch die permanenten und oft radikalen Hungerkuren setzt oft der gefürchtete Jo-Jo-Effekt ein. Schlagen sie doch mal essensmäßig über die Stränge, wird der Ausrutscher sofort mit Fasten und Diät ausgeglichen. In vielen Fällen ist die latente Esssucht die Vorstufe zur Magersucht oder Bulimie .

Die Diagnosekriterien für latente Ess-Sucht

  • hohe Gewichtsschwankungen innerhalb kurzer Zeit / Jo-Jo-Effekt
  • ständige Auseinandersetzung mit dem Körpergewicht
  • Angst vor einer Gewichtszunahme
  • fehlendes Vertrauen in die eigenen Bedürfnisse und Körpersignale
  • Unvermögen von spontaner Befriedigung des Hungers und des entspannten Genießens
  • Wechsel zwischen Zuviel-Essen und Diät-Halten

Problematisch ist, dass latent esssüchtiges Verhalten in unserer Gesellschaft als ‘normal’ angesehen und entsprechend unterstützt wird. Allein in Deutschland hat jede zweite Frau nach einer Umfrage der Deutschen Angestellten Krankenkasse und des Meinungsforschungsinstitutes forsa bereits Erfahrungen mit Diäten gemacht. 3,4 Prozent der Männer und 9,9 Prozent der Frauen haben sogar mehr als 15 Diäten durchgestanden oder leben praktisch permanent nach einer Diät. Untersuchungen in Österreich zeigen ein ganz ähnliches Bild.

Ess-Sucht – Fettsucht (Adipositas)

Viel zu häufig werden Gefühle wie Traurigkeit runtergeschluckt. Stark sein, heißt die Devise in der heutigen Gesellschaft. Manche Menschen stopfen die Leere, die dadurch entsteht, mit Leckereien – man will sich etwas Gutes tun.

Dass ein Stückchen Schokolade trösten kann, haben viele schon als kleines Kind erfahren… Der Körper wirkt wie ein Panzer, und wer einen Panzer hat, dem kann keiner was. Doch schnell leiden Ess-Süchtige unter ihren Pölsterchen – und die nächste Essattacke ist nicht mehr weit.

Das Essen ist also keine Reaktion auf Hungergefühle, sondern überwiegend ein Ersatz für unerfüllte emotionale Bedürfnisse. Das übermäßige Essen ist ein Weg, mit Ängsten, Überforderung, Nähe, Ärger, Trauer, Wut, Zurückweisungen, innerer Leere, Intimität, Einsamkeit, der Rollenerwartung und Selbstkritik umzugehen. Die Betroffenen fühlen sich dem Essen hilflos ausgeliefert. Beginnen sie erst einmal mit dem Essen, gibt es keine Kontrolle mehr für sie.

Latent esssüchtige Menschen führen eine ständige Auseinandersetzung mit ihrem Körpergewicht. Sie leben in einem Wechsel zwischen zu vielem Essen und Diäthalten. Damit gehen häufig große Gewichtsschwankungen innerhalb kurzer Zeit einher. Latente Ess-Sucht begünstigt den Einstieg in andere Ess-Störungen.

Wenn die Selbstkontrolle eines Tages versagt,kann daraus eine Ess-Sucht oder Bulimie werden. Oder im anderen Extrem: Die positive Reaktion der Mitmenschenauf die Selbstkontrolle spornt die Betroffenen an, noch rigider mit sich zu werden. Dies kann zur Magersucht führen.

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Quelle:

Stangl, W. (2017). Eßstörungen Essstörungen Ess-Störungen.

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Update: 03/2018

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