Chemie in der Kleidung

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Chemie in der Kleidung

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Von unserer Kleidung erwarten wir nicht nur tolles Design um wenig Geld – sie soll überdies die gewünschte Farbe aufweisen, pflegeleicht, knitterfrei, und formbeständig sein.


Doch die Kehrseite der Medaille: Ohne den Einsatz von Chemie sind diese Wünsche nicht zu erfüllen.

Chemie in der Kleidung – Artikelübersicht:

Nahezu alle heutigen Stoffe und Textilien sind in irgendeiner Weise behandelt. Dabei kommen vielfältige Chemikalien zum Einsatz, die die Eigenschaften und das Aussehen der Naturware erheblich verändern.

Die damit verbundene Belastung der Umwelt und auch die gesundheitliche Unbedenklichkeit werden vielfach diskutiert, eine endgültige Kontrolle und flächendeckende Maßnahmen gibt es jedoch nicht.

Zumindest in Österreich hat sich durch zahlreiche Bestimmungen zum Umweltschutz immerhin die umweltgerechte Entsorgung durchgesetzt und wurde der Einsatz der gesundheitsschädlichsten Veredelungschemikalien untersagt.

Wenn daher in Folge von chemischen Behandlungsverfahren die Rede ist, so finden die meisten davon gar nicht in Österreich statt, sondern in Herkunfts- und Verarbeitungsländern wie Indien oder Bangladesh.

In vielen dieser Staaten sind die Bestimmungen zum Arbeitsschutz und zum Einsatz von Chemikalien sowie Umwelt- und Gesundheitsschutzmaßnahmen bei weitem nicht so weit entwickelt wie in Mitteleuropa.

Eine wirksame Kontrolle über die am Ursprungsort zum Einsatz kommenden Mittel ist leider oft nicht möglich. Somit bleiben auch international vereinbarte Grenzwerte und Kennzeichnungsvorschriften wirkungslos.

Natur oder Chemie?

Wer weiß schon, was eine Naturfaser und was eine Chemiefaser ist. So viele neue Namen zieren die Etiketten der Kleidung, da kann man ganz schön durcheinander kommen. Die Grundregel lautet: Pflanze oder Tier liefern natürliche Rohstoffe. Zellulose und Erdöl sind die Basis für Chemiefasern.

Eine Naturfaser ist eine Faser die entweder direkt aus pflanzlichen Rohstoffen (Baumwolle, Hanf, Leinen, Ramie), oder aus tierischen Rohstoffen (Seide, Schafwolle, Tierhaare von: Kamel, Lama, Alpaka, Mohair, Angora) gewonnen wird.

Bei den Chemiefasern werden rein synthetische Chemiefasern, die auf der Basis von Erdölprodukten (Polyester, Polyamid , Elastan, Polyacryl) hergestellt werden, von Chemiefasern auf der Basis von Zellulose (Viskose, Modal, Acetat) unterschieden.

Ist Biobaumwolle besser für die Umwelt?

Biobaumwolle ist mehr als eine Bezeichnung, im Handel ist es eine Kennzeichnung, die besagt, dass die Baumwolle aus ökologischem Anbau stammt. Im Vergleich zur herkömmlichen Baumwolle schont Biobaumwolle durch den ökologischen Anbau den Ackerboden und ist daher in jedem Fall der bessere Weg und hat verglichen mit konventioneller Baumwolle, große Vorteile.

Das Problem: nicht jede Kennzeichnung und jedes Siegel sind in diesem Bereich eindeutig bzw. vertrauenswürdig.

Was man aus dem Lebensmittelbereich kennt, findet auch hier seine Fortsetzung: Hersteller wollen mit allen Mitteln beim Konsumenten den Eindruck von Nachhaltigkeit und schonendem Umgang mit der Umwelt vermitteln und greifen dabei mit immer neuen Siegeln, Logos und Symbolen tief in die Trickkiste. Es ist also auch hier nicht immer alles (so) grün, wie es scheint.

Es gibt allerdings verlässliche und aussagekräftiges Siegel für Bio-Baumwolle. Zu nennen sind das global verbreitete und anerkannte GOTS-Siegel, das Textilien aus Naturfasern zertifiziert. Noch etwas strenger ist das deutsche IVN-Siegel. Auch die Kennzeichnung „kbA“ (= kontrolliert biologischer Anbau) signalisiert verlässlich, dass die Baumwollpflanzen aus Bio-Anbau stammen.

Das Fachportal Siegelklar der Deutschen Bundesregierung hält eine imposante Auflistung von Biosiegel im Textilbereich samt deren Bewertung für Konsumenten bereit. (Link am Ende des Artikels bei den Quellenangaben).

Fakt ist, dass Pestizide, exzessive Düngung, Gentechnik, Ausbeutung und enormer Wasserverbrauch evidente Probleme im Anbau von Baumwolle sind. Dies betrifft sowohl die Umwelt, die Bauern und Erntehelfer genau so wie die Verbraucher.
Da beim Anbau von Bio-Baumwolle auf den Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln, Kunstdüngern und anderen Agrargiften verzichtet wird, werden Boden und Grundwasser vor Verunreinigungen geschont und Arbeiter bei der Ernte vor Vergiftugen geschützt.

Zwar benötigt auch Bio-Baumwolle viel Wasser, allerdings ist der Wasserverbrauch durch spezielle Anbaumethoden und Nutzung einer dickeren Humusschicht deutlich niedriger als bei konventionellen Pflanzen.

Warum die Verwendung von Biobaumwolle jedenfalls besser ist:

  • geringerer Wasserverbrauch
  • Einsatz von traditionellem Saatgut
  • Gentechnik ist verboten.
  • nur natürliche Methoden zur Düngung und zum Pflanzenschutz – dies schützt die Böden, die Artenvielfalt und die Gesundheit der Arbeiter.
  • Bio-Baumwolle ist üblicherweise auch schonender und verträglicher für die Haut des Konsumenten, der die verarbeitete Baumwolle schließlich als Kleidungsstück unmittelbar am Körper trägt.

Fairerweise muss auch festgehalten werden, dass allein die Nutzung von Biobaumwolle in Bekleidung nicht sämtliche Probleme löst. Immerhin sind Pestizide nicht das einzige Gift-Problem beim einsatz von Baumwolle.

In der weiteren Verarbeitung kommen – etwa zum Bleichen, Färben, Gerben sowie bei der Veredelung im Textildruck oder bei Bestickungen von Naturfasern wie der Baumwolle tausende verschiedene, zum Teil sehr gesundheits- und umweltschädliche Chemikalien zum Einsatz.

Auch über soziale Mindeststandards der Arbeiter sagen Biosiegel in der Regel nichts aus, wenngleich natürlich der Verzicht auf Pestizide im Bio-Anbau bessere Bedingungen für die Arbeiter bedeutet.

Für diesen Aspekt des Problems gibt es – ähnlich der Fairtrade-Siegel – zusätzliche Zertifizierungen wie die Siegel „Fairtrade Cotton“ oder „Fairtrade Textile Production“ und die Mitgliedschaft der jeweiligen Produktionsbetriebe in der Fair Wear Foundation.

Folgende Arten der Textilveredelung lassen sich unterscheiden:

Bleichung

Die Bleichung sorgt für ein besseres Anfärben der Fasern oder für eine Weißfärbung. Alle Fasern werden gebleicht. Dabei kommen Wasserstoffperoxid, Natriumhypochlorit und Natriumchlorit zum Einsatz. Wegen der chemischen Bestandteile ist der Bleichungsprozess erheblich gesundheitsgefährdend. Es bilden sich halogenisierte Kohlenwasserstoffe, z. B. krebserregende und erbgutschädigende Dioxine.

Deodorierung

Ebenfalls auf alle Fasern angewandt wird das Verfahren der Deodorierung, das einen angenehmen Geruch vermitteln soll. Zur Anwendung kommen Kunstharz und Parfüms. Als Folge kann es zu Hautallergien kommen.

Antimikrobielle Ausrüstung

Antimikrobielle Ausrüstung soll die Textilien vor dem Befall von Schimmelpilzen, Fußpilz und Bakterien schützen. Außerdem soll das Material keinen Körpergeruch annehmen. Verwendung findet dieses Verfahren bei allen Fasern. Neben der erheblichen Umweltbelastung verursacht die antimikrobielle Ausrüstung vielfach Hautallergien.

Anti-Schmutz Ausrüstung

Die Anti-Schmutz Ausrüstung soll das Verschmutzen der Kleidung verhindern bzw. für eine leichte Ablösung von Schmutz sorgen. Dieses Verfahren wird bei synthetischen Chemiefasern angewandt und ist durch den Einsatz von fluorierten Kohlenwasserstoffen umweltbelastend. Die chemischen Substanzen, die eingesetzt werden, sind Fluorverbindungen und polymere Fluorcabonharze.

Färbung

Die Färbung wird auf alle Fasern angewandt und soll die Farbenvielfalt der Produkte erhöhen. Gerade die Färbung ist in hohem Masse umwelt- und gesundheitsbelastend. Neben Hautallergien sind Farbstoffe auch oft krebserregend. Das gilt z. B. für Benzidinfarbstoffe. Beim Färben entstehen außerdem große Mengen schadstoffbelasteten Abwassers.

Beim Färben werden u. a. folgende Chemikalien verwandt: Azofarbstoffe, Benzidinfarbstoffe, Anthrachinomfarbstoffe. Sie enthalten Schwermetalle wie Chrom, Zink, Blei und Kupfer in unterschiedlichen Anteilen. Färbehilfsmittel sind z. B. Di- und Trichlorbenzol, Butylbenzoat, Methylkresolate, Orthophenylphenol.

Filzfrei-Ausrüstung

Die Filzfrei-Ausrüstung soll das Filzen von Wolle verhindern. Das wird am Etikett durch das Wort “Superwash” angezeigt. Erreicht wird dies mit dem Einsatz von Chlorlösung, Polyamid-Epichlorhydrinharz und Enzymen. Die Filzfrei-Ausrüstung produziert große Mengen von Abwasser. Durch die Polyamid-Harze werden krebserregende Dichlorpropanole (DCP) freigesetzt.

Hochveredelung und Pflegeleicht-Ausrüstung
Die Hochveredelung oder Pflegeleicht-Ausrüstung soll das Einlaufen und Knittern verhindern. Es wird bei zellulosischen Natur- und Chemiefasern und bei Mischungen aus synthetischen Fasern eingesetzt. Es besteht starker Krebsverdacht und es kommt zu Hautreizungen und Allergien. Die Umwelt wird stark belastet durch die eingesetzten Chemikalien, wie Harnstoff-Formaldehyd, Melamin-Formaldehyd und Dimethylglyxalharnstoff.

Hydrophobierung

Alle Fasern können durch Hydrophobierung wasserabweisend ausgerüstet werden. Dazu werden Paraffine, Aluminium- und Zirkonsalze, Silikonemulsionen, Fluorcarbonharze, PTFE und Bienenwachs eingesetzt. Insbesondere durch den Einsatz von FCKW und Flußsäure wird die Umwelt stark belastet.

Mercerisierung

Die Mercerisierung verleiht zellulosischen Fasern dauerhaften Glanz. Eingesetzt werden Natronlauge und Ammoniak, die durch die Produktion großer Abwassermengen die Umwelt belasten.

Optische Aufhellung

Um ein strahlendes Weiß zu erreichen werden optische Aufheller eingesetzt. Angewandt werden kann dieses Verfahren bei allen Fasern, die weiß oder pastellfarben sind. Die Gewässerbelastung ist groß. Außerdem kommt es immer wieder zu Hautallergien. Es werden Stilben-, Pyrazolin- und Benzazol-Derivate angewandt.

Sanforisierung

Bei zellulosischen Natur- und Chemiefasern kann das Einlaufen durch Sanforisierung verhindert werden. Dieses Verfahren ist rein mechanisch und nimmt das Einlaufen natürlicher Textilien vorweg. Es entstehen keine gesundheitlichen Schädigungen und Umweltbelastungen.

UV-Schutz

Durch den UV-Schutz soll bei Baumwolle, Viskose und Polyester die Durchlässigkeit der UV-Strahlen verringert werden. Bisher sind keine Schädigungen bekannt. Die eingesetzten Chemikalien sind: Titandioxid, Chlorotriazin, Benzotriazol.

Machen Textilien krank?

Was bei einer Untersuchung der Universität Bayreuth festgestellt wurde, ist alarmierend: Fast jedes dritte Kleidungsstück, das wir tragen, ist mit Dioxinen und Furanen belastet und weist unter Umständen darüber hinaus noch weitere Giftrückstände auf, die auf die Haut übergehen und das Immun- und Hormonsystem angreifen können.

Ein immer größerer Teil der Kleidung, die wir tragen, wird im Ausland hergestellt. Damit diese den Transport unbeschadet übersteht, wird sie nicht selten mit Schimmelblockern und Pilzvernichtern “geschützt”. Diese sind oft auch nach mehrmaligem Waschen noch vorhanden.

Insgesamt können “behandelte” Textilien zu allergische Reaktionen (etwa starken Hautreizungen) führen und sogar krebserregend sein. Für den Verbraucher ist es freilich schwierig zu erkennen, ob ein Kleidungsstück chemisch belastet ist – das kann übrigens bei preiswerten und teuren Produkten vorkommen.

Die “Riechprobe” ist als erster Anhaltspunkt hilfreich – ein intensiver, stechender Geruch lässt beispielsweise auf einen hohen Chemieanteil schließen, ist allerdings kein endgültiger Beweis. Der neu erworbene “Fummel” sollte vor dem ersten Anziehen unbedingt gewaschen werden, auch wenn der stolze Besitzer es sicher kaum erwarten kann, das gute Stück zur Schau zu tragen.

Nur so ist sichergestellt, dass wasserlösliche chemische Rückstände entfernt werden und die Haut nicht unnötig belastet wird. Die Bekleidungsindustrie indes gibt verstärkt Gutachten in Auftrag und lässt umfangreiche Analyseverfahren durchführen, um giftige Textilien aus dem Verkehr zu ziehen.

Worauf sollte man beim Kleiderkauf achten?

  • Neue Kleidung vor dem ersten Tragen unbedingt mehrfach waschen!
  • Tragen Sie weit geschnittene Textilien, die nicht auf der Haut scheuern oder reiben.
  • Tragen Sie direkt auf der Haut weiße, ungefärbte oder pastellfarbene Textilien, da sie weniger Farbstoffe enthalten.
  • Öffnen Sie beim Bügeln die Fenster: Die feuchte Wärme kann eventuell in der Kleidung vorhandenes Formaldehyd freisetzen, was zu einer Reizung der Atemwege führen kann.
  • Kaufen Sie keine Kleidung, die den Hinweis “Separat waschen” oder “Farbe blutet aus” trägt, da die nicht fixierten Farbstoffe nicht nur im Waschwasser landen, sondern auch – z.B. durch Schwitzen – auf die Haut gelangen können. Bevorzugen Sie deshalb bei hautnaher Kleidung echt gefärbte Stücke, erkennbar an dem Pflegesymbol für 60-Grad-Wäsche.
  • Suchen Sie einen Hautarzt auf, wenn Sie beim Tragen neuer Kleidung einen Juckreiz verspüren oder Hautausschlag feststellen.
  • Fertigen Sie keine Kleidungsstücke aus Vorhang- oder Dekostoffen an, da für Textilien dieser Art noch weniger strenge Bestimmungen gelten.
  • Kaufen Sie Qualität statt Masse, denn Billigprodukte werden nicht selten mit Umweltbelastung bezahlt; öko- und sozialverträglich hergestellte Textilien mit dem Portemonnaie.
  • Lassen Sie chemisch gereinigte Textilien mindestens einen Tag auslüften

Wer gesunde Kleidung kaufen will, kann sich dabei vor allem auf ein Sicherheitslabel verlassen: den Öko-Tex-Standard 100. Es wurde vom Hohensteiner Forschungsinstitut entwickelt und untersucht Kleidung vor allem auf Schadstoffe, die bei der Produktion entstanden sind (vor allem Farbe).

Wer also ein Hemd oder T-Shirt mit dem Öko-Tex-Label auf der Packung kauft, kann sicher sein, seiner Haut nichts Schädliches anzutun.

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Quellen:

¹ Die Öko-Tex Initiative
² Biobaumwolle – Warum ökologische Kleidung?
³ Fachportal Siegelklar – Auflistung von Biosiegel im Textilbereich

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Linktipps

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