AADC-Mangel – seltene Erbkrankheit mir schwerwiegenden Folgen

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Aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase

Muskelschwäche und verzögerte Entwicklung beim Säugling oder Kleinkind? Dahinter könnte sich eine seltene Erkrankung verbergen! Beim AADC-Mangel (Aromatischen-L-Aminosäure-Decarboxylase-Mangel) handelt sich um eine schwere genetische Störung, die noch nicht heilbar ist.


In Österreich sind bis jetzt nur wenige Fälle dieser sehr seltenen Krankheit bekannt, das liegt nicht zuletzt daran, dass die Diagnose aufgrund der teilweise unspezifischen Symptome, die bereits im Säuglingsalter auftreten, schwierig ist.

AADC-Mangel – Artikelübersicht:

Was ist AADC-Mangel?

Es handelt sich dabei um eine sehr seltene Erbkrankheit, die sich auf das Gehirn auswirkt, eine geringe Muskelspannung bzw. eine geringe Muskelstärke (Muskelhypotonie) verursacht und die Entwicklung des Kindes beeinflusst. Das Resultat ist für Eltern niederschmetternd: die Kinder sind durch schlaffe Muskeln und geistige Zurückgebliebenheit zu 100 Prozent Pflegefälle.

AADC-Mangel ist noch nicht heilbar. Umso wichtiger ist es, dass die Symptome richtig gedeutet werden und eine frühzeitige Diagnose erfolgt. Sie kann helfen, die Behandlung und Versorgung von Patienten mit AADC-Mangel zu verbessern.

Bei einem Mangel an AADC führt eine Veränderung eines Gens dazu, dass wichtige Signale im Nervensystem nicht mehr transportiert werden. AADC-Mangel vehindert damit bei Betroffenen das normale Wachstum und die einwandfreie “Datenübertragung” des Gehirns, was zu motorischen und autonomen Funktionsstörungen, Entwicklungsverzögerungen und frühzeitigem Tod führt.

Seltener Gendeffekt löst Stoffwechseldefekt aus

Die aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC) ist im Organismus an der Synthese von Catecholaminen und Serotonin beteiligt.

Bei einem Mangel an diesem Enzym kann das aus dem Phenylalanin über Tyrosin gebildete L- Dopa nicht weiter zum Dopamin umgewandelt werden und wird weiter zu Vanillinmilchsäure abgebaut.

Der Überschuß an Vanillinmilchsäure wird im Urin ausgeschieden und kann, obwohl es sich hier um keine organische Säureeinwirkung handelt, mit der Analyse der organischen Säuren erfaßt werden, mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer anschließenden Neurotransmitteruntersuchung.

Neurotransmitterdefekte verursachen schwere neurologische Erkrankungen zumeist im Kindesalter. Wegen begrenzter analytischer Möglichkeiten konnten sie bislang nicht adäquat diagnostiziert werden. Erst seit wenigen Jahren werden in wenigen Laboratorien weltweit Neurotransmitter diagnostisch untersucht.

Seitdem wurden verschiedene angeborene Defekte als Ursache fortschreitender und teilweise im Kindesalter zum Tode führender, neurometabolischer Erkrankungen erstmals identifiziert und zum Teil sehr erfolgreich behandelt.

Zu den Neurotransmittern zählen neben einzelnen Aminosäuren, Purinen und Neuropeptiden sowie dem Acetylcholin insbesondere die Monoamine Serotonin, Dopamin (DA), Adrenalin (A) und Noradrenalin (NA). Störungen der Neurotransmission manifestieren sich klinisch oft frühzeitig als schwere neurologische Erkrankung mit therapieresistenten Krämpfen, Hyperreflexie und extrapyramidalen Bewegungsstörungen.

Oft finden sich eine progrediente psychomotorische Retardierung, muskuläre Hypotome. Ataxie, schwere (familiäre) Verhaltensstörungen, Störungen der Temperaturregulation und okuläre Symptome wie Ptosis, Miosis und okulogyre Krisen.

Komplexes Krankheitsbild, schwierige Diagnose

Erste Anzeichen der Krankheit machen sich in der Regel meist bereits zwischen dem zweiten und dritten Lebensmonat bemerkbar, doch die teilweise unspezifischen Symptome machen eine Diagnose schwer.

Eltern sind besorgt, wenn ihr Kind schlaffe Muskeln hat, unter Krämpfen leidet, die Augen unwillkürlich verdreht und in der Entwicklung hinter gleichaltrigen Kindern zurückbleibt, z. B. bei der Kopfkontrolle oder beim Sitzen.

Der Kinderarzt wird bei diesen Symptomen an eine Reihe von möglichen Erkrankungen denken, beispielsweise an Epilepsie (Krampfanfälle) oder Cerebralparese (Bewegungs­störungen durch eine frühkindliche Hirnschädigung). Er wird daher zunächst erst einmal abklären, ob eine dieser eher häufiger auftretenden Krankheiten bei dem Kind vorliegt.

Aber es sollte nicht übersehen werden, dass auch in einigen wenigen Fällen eine schwere Erbkrankheit zu den Symptomen des Kindes führen kann, eben AADC-Mangel.

Ein AADC-Mangel kann sich, wie erwähnt, mit vielen verschiedenen, zum Teil ganz allgemeinen, vermeintlich harmlosen Symptomen zeigen. Auch verläuft die Erkrankung bei den betroffenen Kindern sehr unterschiedlich.

Zumeist treten jedoch die ersten Anzeichen schon beim Säugling auf, im Mittel etwa im Alter von 2,7 Monaten.3 Zu den häufigsten Symptomen, mit denen sich ein AADC-Mangel bemerkbar machen kann, zählen eine geringe Muskel­spannung bzw. eine geringe Muskelstärke (medizinisch: Muskelhypotonie), Bewegungsstörungen, insbesondere unwillkürliche Augenbewegungen, sowie Entwicklungsverzögerungen (z. B. keine altersentsprechende Kopf­kontrolle, kein Krabbeln, Sitzen oder Stehen ohne Hilfe, kein Brabbeln oder Sprechen).

Weitere häufige Symptome, die bei den betroffenen Kindern auffallen könnten, sind übermäßiges Schwitzen, vermehrter Speichelfluss, hängende Augenlider und eine verstopfte oder laufende Nase. Die Symptome können einzeln auftreten und müssen nicht alle zusammen vorliegen.

Problematisch ist, dass eine Reihe von anderen Erkrankungen ähnliche Symptome aufweisen wie ein AADC-Mangel.

Das Beschwerdebild bei AADC-Mangel kann also auf die falsche Spur führen. Die korrekte Diagnose AADC-Mangel wird durchschnittlich erst im Alter von 3,5 Jahren gestellt.3 Daher sollten Eltern und Kinderarzt hellhörig werden, wenn ein Säugling oder Kleinkind eine geringe Muskelspannung hat oder die unwillkürlichen Augenbewegungen auftreten und das Kind zudem die Meilensteine der Entwicklung nicht erreicht:

In einem solchen Fall sollte eine weiterführende Untersuchung auf AADC-Mangel in Betracht gezogen werden. Dafür kann der Kinderarzt Spezialisten beispielsweise Neuropädiater hinzuzuziehen.

Erster Fall in Österreich 2002 diagnostiziert

Bei dem, in Österreich erstmals bekannten Fall handelt es sich um den kleinen Niklas, der im März 2002, in Wien das Licht der Welt erblickt hat. Die Geburt und die ersten drei Lebensmonate haben sich normal verhalten, bis dann seine Kinderärztin festgestellt hat, dass der Kopf im Gegensatz zum restlichen Köper zu schnell gewachsen war. In weiterer Folge konnte Niklas seinen Kopf nicht mehr von selber halten und auch die Hände nicht mehr zu seinem Körper führen.

Im 5 Lebensmonat haben bei Niklas die sogenannte oculogyren Krisen begonnen. Hierbei handelt es sich um ein krampfhaftes Verdrehen der Augen (oculus: Auge und Gyro: ich drehe) und er wurde auf antiepileptische Therapie gesetzt.

Da diese jedoch keinen Erfolg gebracht hat, wurde Niklas an Dr. Bernert von der Kinderklinik der Wiener Universitätsklinik (AKH) überwiesen, wo weitere Untersuchungen stattgefunden hatten. Diese Untersuchungsergebnisse wurden unter anderem auch an die Kinderklinik nach Zürich gesandt, welche im Dezember 2002, die aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase Defizienz (AADC-Mangel) diagnostizierte.

Da es weltweit nur sehr wenige bekannte Fälle gibt, möchten die Eltern von Niklas auch auf diesem Weg versuchen, nicht nur Kontakt zu anderen betroffenen Eltern aufzunehmen, um Erfahrungen mit dem Umgang dieser Krankheit auszutauschen, sondern auch die Bevölkerung mehr für Krankheiten und Behinderungen sensibilisieren.

Der AADC-Mangel zählt zu den sehr seltenen Erkrankungen, er betrifft nur einen von 116.000 Menschen.

Aktuell kann ein AADC-Mangel nicht geheilt werden, es gibt jedoch Behandlungsmöglichkeiten, die einige der Symptome der betroffenen Kinder lindern können. Wichtig ist vor allem eine frühzeitige Diagnose – sie kann dabei helfen, die Behandlung und Versorgung der kleinen Patienten mit AADC-Mangel zu verbessern.

Phenylalanin

gehört zu der Gruppe der aromatischen Aminosäuren. Bei der Seitenkette handelt es sich um einen Phenylring an einer Methylengruppe. Strukturell leitet sie sich vom Alanin ab, daher auch der Name Phenylalanin. Bei Phenylalanin handelt es sich, wie auch bei Tryptophan, um eine stark hydrophobe Aminosäure. Sie zählt zu den für den Menschen essentiellen Aminosäuren.

Tyrosin

ist eine aromatische Aminosäure. Sie unterscheidet sich von Phenylalanin durch eine Hydroxylgruppe. Dadurch ist sie deutlich polarer als Phenylalanin und auch Tryptophan. Darüber hinaus verleiht die Hydroxylgruppe Tyrosin eine höhere Reaktivität, als die Aminosäuren mit inerten Resten aufweisen.

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Quellen:

¹ Manegold C et al. J Inherit Metab Dis. 2009; 32(3): 371-380.
² Brun L et al. Neurology. 2010; 75(1): 64-71.
³ Consensus guideline for the diagnosis and treatment of aromatic l-amino acid decarboxylase (AADC) deficiency (Wassenberg T et al. Orphanet J Rare Dis. 2017; 12(1):12.) doi:10.1186/s13023-016-0522-z

Hinweis: Familien, Eltern, pflegende Angehörige und Interessierte Laien finden auf der Website www.aadc-mangel.at weitere Informationen rund um die sehr seltene Krankheit. Das Informationsportal wird von PTC Therapeutics Austria GmbH betrieben, das als biopharmazeutisches Unternehmen Therapieansätzen (z.B. Gentherapie) bei seltenen und schweren Erkrankungen entwickelt.

Linktipps:

– Kinderärzte Österreich: Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde
– Smith-Magenis-Syndrom (SMS) | Krankheitslexikon
– Seltene und vernachlässigte tropische Krankheiten
– Krankheiten erfinden: es soll Krankheiten geben, die gibt’s gar nicht
– Erbkrankheiten
– Kindergesundheit

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Dieser Artikel wurde 09/2021 aktualisiert.

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