Patientensicherheit: mündiger Patient und ärztliche Aufklärung

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Patientensicherheit: mündiger Patient und ärztliche Aufklärung

Viele Berufe und Einrichtungen spielen zusammen, damit die Gesundheit von Patientinnen und Patienten wiederhergestellt werden kann. Daneben ist Patientensicherheit die wichtigste Aufgabe im Gesundheitssystem.


Diese Aufgabe wird im Krankenhaus im erweiterten Rahmen der Qualitätssicherung/Riskmanagement wahrgenommen. Trotzdem bleibt die moderne Medizin stör- und fehleranfällig.

Das zentrale Thema der ersten Tagung der Plattform Patientensicherheit (ANetPaS) im Wiener Krankenhaus Hietzing war die ärztliche Aufklärung und ihre Auswirkungen auf das Arzt-Patientenverhältnis. Die ärztliche Aufklärung ist ein zentrales rechtliches Problem bei der Ausübung des ärztlichen Berufes. Oberstgerichtliche Entscheidungen zur ärztlichen Aufklärung nehmen zu und werden oft heftig öffentlich diskutiert.

Dadurch sind die Ärzte stark verunsichert und sehen in der Aufklärung ein großes Haftungsrisiko. Die Angst vor der mangelnden Aufklärung führt oft zu einer Beeinträchtigung des Arzt-Patienten Verhältnisses. Dabei bedeutet mehr Sicherheit für die Patienten auch mehr Sicherheit für die Angehörigen medizinischer Berufe. Als Bestandteil der Qualitätssicherung in der Medizin ist Patientensicherheit jedenfalls unablässig.

Aufklärung aus Patientensicht

Der Gesetzgeber bzw. die Judikatur gehen immer vom mündigen Patienten aus. Die Frage ist, ob es diesen mündigen Patienten tatsächlich gibt. Ist ein kranker Mensch, der vor einer Heilbehandlung, einem Eingriff etc. steht und unter Umständen Angst hat oder verunsichert ist, in der Lage alle Fakten, die ihm der aufklärende Arzt mitteilt, tatsächlich wahrzunehmen?

Vor einem medizinischen Eingriff soll ein Patient möglichst umfassend durch den behandelnden Arzt aufgeklärt werden. Er soll Chancen und Risiken selbst abwägen können und als mündiger Patient im Gespräch mit dem Arzt eine eigenverantwortliche Entscheidung für seine Behandlung treffen – so die von Juristen und Ethikern gern vorgebrachte idealtypische Beschreibung. Im Spitalsalltag gibt es häufig genug Situationen, in denen die Aufklärung anders abläuft:

Sachverhalte müssen vereinfacht dargestellt werden, rechtliche Vorgaben zur Aufklärung über auch seltene Komplikationen verkomplizieren die Darstellung, Patienten sind durch ihre Krankheit verunsichert und nicht zuletzt der Zeitdruck bestimmt die Situation.

Welche Anforderungen können in einer solchen Situation vernünftigerweise an Ärzte gestellt werden? Wie viel kann man einem Patienten bei immer komplexer werdenden Eingriffen überhaupt an Information zumuten? Und welche Folgen haben Aufklärungsfehler und Überaufklärung für Haftung, ärztliches Ansehen und auch für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient?

MMag. Dr. Christine Hofer vom Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen (BIQG) stellte die Aufgaben und zwei ausgewählte Projekte dieses Instituts vor, welches zur Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) gehört. Das BIQG ist gerade dabei ein Gesundheitsportal im Internet einzurichten, welches Informationen zu Krankheiten, Prävention und Gesundheitsförderung, Leistungen des Gesundheitswesens u.a. enthalten wird. Es wird sich dabei um verständliche, zielgruppengerechte und qualitätsgesicherte Informationen handeln, die in Kooperation mit zahlreichen Playern des Gesundheitswesens erstellt wurden.

Der Arzt und Angehörige von Gesundheitsberufen – das zweite Opfer

Der letzte Teil der Tagung befasste sich mit dem Problem, wie es einem Angehörigen eines Gesundheitsberufes geht, der womöglich einen Fehler gemacht hat. Second Victim, das zweite Opfer: Damit ist die sekundäre Verletzung von Ärzten, Krankenpflegern oder Hebammen im bei unerwünschten Vorfällen gemeint.

Zu diesem Thema referierte Prof. Dr. Dieter Conen (Präsident der Stiftung Patientensicherheit) und stellte dar, dass die emotionale und gesundheitliche Belastungssituation von Ärzten durch die Beteiligung an Zwischenfällen und Fehlern oft erheblich ist. Es stellt sich daher die Frage, wie kann man Angehörige von Gesundheitsberufen im Umgang mit Zwischenfällen bestmöglich unterstützen bzw. wie kann man das so genannte “Second Victim” durch angemessene Reaktion und Kommunikation nach Fehlern verhindern?

Der Aufbau so genannter peer support groups, die Kollegen nach unerwünschten Ereignissen unterstützen, wäre beispielsweise eine notwendige Maßnahme in Krankenhäusern, um die körperliche und seelische Gesundheit von Mitarbeitern auf Dauer zu erhalten. Außerdem sei ein Arzt, der zu seinem Patienten ehrlich ist, besonders wichtig für den Prozess der Heilung.

Auch Univ.-Doz. Dr Klaus Ratheiser und Adelbert Bachlechner, die beide jahrelange Erfahrung im Intensivbereich im Krankenhaus haben, bestätigen, dass sowohl die Gesellschaft als auch die Dienstgeber dieses Thema noch zu wenig beachten.

Sie schildern anschaulich, wie es Angehörigen von Gesundheitsberufen geht, wenn ein unerwartetes Ereignis eintritt, wie diese oft mit Schuldgefühlen kämpfen, den Eindruck haben, versagt zu haben und wie massiv diese emotionalen Folgen nach solchen Ereignissen sein könnten. Die volle Einsatzfähigkeit nach schweren Traumatisierungen in der Arbeit kann zunächst durch gute Teamarbeit und Kommunikation und durch professionelle Aufarbeitung gewährleistet bleiben.

Über die Plattform Patientensicherheit

Die Plattform Patientensicherheit (ANetPAS) ist ein unabhängiges nationales Netzwerk, das sich aus hochkarätigen Einrichtungen und Experten des österreichischen Gesundheitswesens zusammensetzt, die sich mit Patientensicherheit und Qualitätssicherung beschäftigen. Die Plattform wurde 2008 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit, Frauen und Jugend am Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien, errichtet und ist als Collaborating Partner ins europäische Netzwerk EUNetPaS eingebunden.

Der Plattform Patientensicherheit unter der Leitung von Dr. Maria Kletecka-Pulker vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin und Dr. Brigitte Ettl, ärztliche Direktorin am Krankenhaus Hietzing, gehören Experten an, die sich mit Patientensicherheit und Qualitätssicherung beschäftigen. Im Mittelpunkt steht die Förderung der Patientensicherheit in Österreich durch Forschung, Information und Koordination von Projekten.

Für konkrete Anliegen von Patientinnen und Patienten, wie etwa rechtliche Fragen rund um Schadensfälle, wenden Sie sich bitte an die jeweiligen Patientenanwaltschaften in ihrem Bundesland..

>> Patientenanwaltschaften in Österreich (mit Kontaktdaten + Links)

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