Arztportale: Chancen & Risiken von Dr. Internet

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Immer mehr Menschen informieren sich im Internet über Krankheitsbilder, Heilungschancen und Vorbeugung. Was einerseits eine erfreuliche Entwicklung hin zum mündigen Patienten fördert, wirft andererseits zahlreiche fachliche und ethische Fragen auf.


Fest steht: Arztportale boomen – dabei sind aber nicht Ärzteverzeichnisse, Ärztesuchen oder Arztbewertungen gemeint, sondern Portale, die ärztliche Leistungen vermitteln. Dazu zählt ärztliche Beratung ebenso, wie das Ausstellen von Rezepten für Medikamente. Österreichischen Ärzten sind derartige Fernbehandlungen laut Ärztegesetz derzeit verboten.

Arztportale – Artikelübersicht:

Die Diskussion darüber, wie sich das Gesundheitswesen in der Zukunft entwickeln soll, wird durch die rasante Entwicklung der digitalen Medien maßgeblich mitbestimmt. Einträge zu den Themen Gesundheit und Medizin zählen zu den am häufigsten gesuchten Begriffen der Online-Enzyklopädie Wikipedia und auch aus dem Datenmaterial, das Google veröffentlicht, lässt sich unschwer erkennen, dass Gesundheit eines der zentralen Themen im Internet ist.

Doch auch hier ändern sich die Verhaltensweisen der User, denn nun zählen nicht mehr allein allgemeine Information und Aufklärung, sondern zunehmend auch “reale” Gesundheitsdienstleistungen wie ärztliche Diagnosen, Therapieratschläge und Medikamentenhandel. Damit muss allerdings eine Vielzahl neuer Fragen beantwortet werden.

Sie betreffen vor allem die Sicherheit der Patienten, die Seriosität der Anbieter, Datensicherheit und Haftungsfragen. Das Problem dabei: nationale Zuständigkeiten können nur schwer auf weltweit verfügbare Leistungen angewendet werden.

Große Bedenken, große Chancen?

Die heimische Ärzte- und Apothekerkammer warnt seit Jahren vor dem zunehmend offensiveren Angeboten in diesem Bereich. Neben ethischer Bedenken, ist es wohl auch die Angst eigene Pfründe abgeben zu müssen, die die Interessensvertretung beharrlich gegen derartige Entwicklungen Sturm laufen lässt. Schließlich geht es um Geld, um viel Geld.

Tatsächlich gibt es durchaus gute Argumente sowohl für, als auch wider liberalerer Rahmengesetze, die Online-Beratungsangebote erleichtern würden. Derzeit regeln nationale Gesetze Erlaubnis oder Verbot derartiger Internetangebote, in der Realität spielt dies freilich kaum eine Rolle, denn Onlinenutzer können länderspezifische Vorgaben leicht umgehen, schließlich heisst das World Wide Web nicht zufällig so.

In Österreich regelt das Ärztegesetz in § 49 Abs 2 wie der Arzt seinen Behandlungsauftrag zu erfüllen hat: „Der Arzt hat seinen Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärzten auszuüben“. Dadurch scheint eine Zulässigkeit der Ferndiagnose, der Distanzbehandlung oder auch nur der Distanzberatung nicht gegeben.

Allerdings wird der Begriff “unmittelbar” heftig diskutiert und mittlerweile unter den Gegebenheiten der modernen Telekommunikation sowie der hochgradig arbeitsteilig organisierten modernen Medizin auch weiter interpretiert.

Telemedizin – also die medizinische Behandlung bei räumlicher Trennung von Arzt und Patient – ist nicht unumstritten. Und das wird bei genaurer Betrachtung schnell verständlich, denn die Sachlage ist tatsächlich nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Die moderne Telemedizin hat nämlich längst auch in heimischen Krankenhäusern Einzug gehalten, wenn etwa hochspezialisierte Starchirurgen aus den USA heimischen Operateuren via Videokonferenz oder Onlie-Streaming bei der OP Tipps geben.

Die Ärztekammer erklärt dennoch, dass Fernbehandlungen im Internet laut österreichischem Ärztegesetz unzulässig und Haftungsfragen nach wie vor völlig ungeklärt seien.

Doch auch wenn in Österreich Online-Medikation und Behandlung bis dato verboten sind, so ändert dies nichts an der regen Nachfrage an Onlinesprechstunden, Ärzte-Chats und zahlungspflichtigen Online-Untersuchungen auf einschlägigen Arztportalen. Wenn nicht im Inland, dann werden die Dienstleistungen halt im Ausland nachgefragt.

Und dass die Nachfrage groß ist, erscheint auch durchaus plausibel: Leiden wie Haarausfall und Erektionsprobleme bei Männern, Verhütungsmittel und Pille danach bei Frauen sind unangenehm und mit Tabus behaftet und werden wegen des hohen Schamfaktors nicht gerne persönlich vorgebracht. Neben der Anonymität und dem unbürokratischen Service locken Arztportale zudem auch oftmals mit günstigeren Preisen bei Medikamenten.

Doch all dies kann nicht verschleiern, dass bei derartigen Online-Angeboten der “behandelnde” Arzt den Patienten niemals persönlich körperlich untersucht. Die handelnden Ärzte verlassen sich ausschließlich auf die Angaben der Patienten. Solange es eine gültige Kreditkarte gibt, läuft also das Geschäft.

Egal ob es um Genitalwarzen, Geschlechtskrankheiten, Bluthochdruck oder Raucherentwöhnung geht, je nach Beratung kommen bestimmte Tarife zur Anwendung. Für ein Rezept für die Pille werden ab neun Euro und für ein Potenzmittel – einer der Bestseller – 29.- Euro Gebühr fällig. Die notwendigen Rezepte werden unterschrieben und per Post innerhalb von zwei Tagen nach Österreich geschickt.

Dr. Ed & Co. – Online-Arztportale boomen

Online-Arztportale wie „DrEd“, „Medgate“ oder „DrThom“ versprechen umfassende, schnelle und unbürokratische Hilfe. Im Rahmen einer virtuellen Sprechstunde wird man untersucht und behandelt und erhält am Ende sogar ein Rezept – ohne auch nur ein Wort mit dem virtuellen Gegenüber sprechen zu müssen oder seinem Arzt je ins Gesicht geblickt zu haben.

Dabei ist die Gefahr naturgemäß groß, dass sich Patienten mit falschen Angaben Lifestyle-Medikamente wie Potenzmittel erschummeln, wodurch für sie ein nicht kalkulierbares Gesundheitsrisiko (in diesem Fall Herzprobleme) entsteht.

Dem Erfolg derartiger Institutionen tut dies freilich keinen Abbruch. Das Unternehmen Dr.Ed etwa ordiniert unter dem deutschen Chefarzt Jasper Mordhorst seit April 2012 auch in Österreich und kann bereits auf abertausende Patienten – also Kuden – verweisen.

Die Online-Praxis hat ihren Sitz in London und erhielt im Juli 2011 die Zulassung zur Patientenversorgung. Sie wurde von David Meinertz und Amit Khutti zusammen mit den deutschen Ärzten Sebastian Winckler, Facharzt für Allgemeinmedizin und eben Dr. med. Jasper Mordhorst, Facharzt für Innere- und Allgemeinmedizin, gegründet.

Das Unternehmen beruft sich auf die am 24. April 2011 in Kraft getretene EU-Richtlinie zur Patientenmobilität, wonach Patienten ihre medizinischen Leistungserbringer innerhalb des europäischen Raumes frei wählen können. Wegen des Online-Therapieverbots in Österreich und Deutschland, betreibt das von britischen Aufsichtsbehörden zugelassene Unternehmen die Praxis von London aus.

Dr.Ed kooperiert – etwa für die Analyse von Urinproben – mit bestimmten Laboren, zudem besteht eine Kooperation mit einer deutschen Versandapotheke. Dabei kann der Patient wählen, ob das Unternehmen das Rezept an diese Versandapotheke zur Auslieferung der Medikamente weiterleitet oder an ihn nach Hause sendet, wo er es selbst in einer Apotheke einlösen kann.

Wer die Dienste von Dr.Ed in Anspruch nehmen will, muss über eine Kreditkarte verfügen und sich online registrieren, wobei eine „virtuelle-Patientenakte“ angelegt wird, über die Arzt und Patient vertraulich miteinander in Kontakt treten und kommunizieren können.

Diese Online-Patientenakte ist passwortgeschützt und auch nur über eine sichere Internetverbindung zu erreichen. Dennoch besteht natürlich generell die Gefahr, dass, beispielsweise über Hackerangriffe, vertrauliche Daten entwendet werden können.

*Update 08/20

Das Portal Dr. Ed ist mittlerweile offline und bietet keine Bewertungen mehr an.

Fazit

Auch wenn es sehr leichtfertig erscheint, medizinische Hilfe in dieser Art und Weise einzuholen, so kann man auch das derzeitige Behandlungssystem nicht aus der Verantwortung für derartige Entwicklungen entlassen: immer häufiger werden Patienten auch bei persönlichen Konsultationen in Ordinationen von den Ärzten – aus Zeit- oder Kostendruck – nicht körperlich untersucht.

Oftmals reduziert sich die ärztliche Konsultation auf die elektronische Eingabe der Patientendaten und der Krankengeschichte, sowie der Medikationsempfehlung.

Wen soll es also wundern, dass Patienten sich nach Alternativen umsehen? Freilich sollte sich dennoch jeder vor Augen führen, dass das Risiko einer Fehldiagnose bei telemedizinischen Behandlungen ungleich höher liegt als bei konventionellen Untersuchungen.

Denn eine fundierte Diagnose und ausreichende medizinische Behandlung ohne eine körperliche Untersuchung des Patienten kaum möglich ist. Und ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten – eigentlich die Grundlage jeder Behandlung – kann nur aufgrund eines persönlichen Kontakts geschaffen werden.

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Quellen:

¹ Rechtsfragen der medizinischen Online-Beratung; RA Dr. Clemens Thiele
² Online-Arztportale: Mausklick mit Nebenwirkungen?

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