Organspende in Österreich: die wichtigsten Infos für Spender und Empfänger

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Organspende in Österreich: Zwischen ethischer Verantwortung und medizinischer Notwendigkeit gibt es viele Fragen, sowohl für die Spender, als auch die Empfänger.
Organspende in Österreich – Artikelübersicht:
- Rechtliche Grundlage: Die Widerspruchsregelung in Österreich
- Organspendezahlen in Österreich: Eine kritische Bestandsaufnahme
- Regionale Unterschiede und Erfolgsfaktoren
- Medizinischer Ablauf: Von der Feststellung des Hirntods bis zur Transplantation
- Welche Organe werden gespendet? Aktuelle Zahlen (2024)
- Wer kann Organspender werden?
- Wer erhält ein Spenderorgan?
- Internationale Vergleiche: Was macht andere Länder erfolgreicher?
- Ethische Aspekte der Organspende
- Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
- Fazit: Die Entscheidung trifft jeder selbst – aber sie rettet Leben
- Linktipps
Die Organspende ist eine der bedeutendsten medizinischen Errungenschaften unserer Zeit. Sie kann Leben retten, wo sonst keine Hoffnung mehr besteht.
Doch trotz fortschrittlicher medizinischer Standards, klarer gesetzlicher Rahmenbedingungen und breiter gesellschaftlicher Akzeptanz bleibt die Zahl der Organspenden in Österreich hinter dem medizinischen Bedarf zurück.
Dieser Beitrag beleuchtet die aktuelle Situation der Organspende in Österreich, erklärt die rechtlichen Grundlagen, geht auf die medizinischen Abläufe ein und liefert zentrale Informationen für potenzielle Spenderwie auch für Empfänger.
Rechtliche Grundlage: Die Widerspruchsregelung in Österreich
In Österreich gilt die sogenannte Widerspruchsregelung (auch “opt-out” genannt), gesetzlich verankert im Organtransplantationsgesetz (OrganTPG).
Demnach ist jede verstorbene Person automatisch potenzielle Organspenderin bzw. potenzieller Organspender, es sei denn, sie hat zu Lebzeiten explizit widersprochen.
Diese Regelung basiert auf einer Empfehlung des Europarats aus dem Jahr 1978 und hat das Ziel, den Zugang zu Spenderorganen zu erleichtern.
Der Widerspruch kann schriftlich beim Widerspruchsregister der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) eingetragen oder – in bestimmten Fällen – auch mündlich dokumentiert werden, etwa durch glaubhafte Angaben naher Angehöriger.
Wichtig: Angehörige haben kein explizites Entscheidungsrecht, sie können jedoch informiert werden und können dem medizinischen Team relevante Informationen zur Einstellung der verstorbenen Person gegenüber einer Organspende liefern.
Organspendezahlen in Österreich: Eine kritische Bestandsaufnahme
Trotz der prinzipiell spendenfreundlichen Gesetzeslage bleibt Österreich mit 16,6 Spender pro Million Einwohner im Jahr 2023 hinter dem europäischen Durchschnitt zurück.
Das war der niedrigste Stand seit 1986. Im Vergleich: Spanien, das weltweit als Vorbildland gilt, erreicht jährlich rund 40 Spender pro Million. In Österreich steigt hingegen die Zahl der Menschen auf der Warteliste kontinuierlich an.
Aktuell (Stand 2024) warten 810 Patient auf ein lebensrettendes Organ. Allein im vergangenen Jahr verstarben 62 Personen, bevor ein passendes Spenderorgan gefunden werden konnte.
Diese Entwicklung ist umso alarmierender, als dass die Wahrscheinlichkeit, in Österreich selbst ein Organ zu benötigen, viermal höher ist als die, eines zu spenden.
Regionale Unterschiede und Erfolgsfaktoren
Ein Blick auf die regionalen Unterschiede zeigt deutlich, wie sehr das Engagement vor Ort den Erfolg beeinflussen kann. Tirol ist hier ein Vorzeigebeispiel: Mit 27,1 Spender pro Million Einwohner lag das Bundesland 2024 deutlich über dem österreichischen Durchschnitt (17).
Laut Stephan Eschertzhuber, Vorsitzender des Österreichischen Transplantationsbeirats, ist dies vor allem dem hohen Engagement der Krankenhausmitarbeiter zu verdanken. Insbesondere in Intensivstationen und Notaufnahmen sind Kenntnisse zur Transplantationsmedizin essenziell, um potenzielle Spender zu erkennen und entsprechende Abläufe einzuleiten.
Medizinischer Ablauf: Von der Feststellung des Hirntods bis zur Transplantation
Die Organspende ist ein hochkomplexer medizinischer und logistischer Prozess.
Im Zentrum steht die Feststellung des Hirntodes – die unumkehrbare Einstellung der Gehirnfunktionen – als Voraussetzung für die Entnahme von Organen bei Verstorbenen. Der Hirntod muss eindeutig und nach streng festgelegten Kriterien von zwei Ärzten unabhängig voneinander festgestellt werden.
Erst danach beginnt die Koordination mit der Transplantationsstelle, die über Eurotransplant – einer internationalen Vermittlungsstelle – erfolgt. Ziel ist es, das am besten passende Organ für die Empfänger in einem sehr engen Zeitfenster zu vermitteln.
Welche Organe werden gespendet? Aktuelle Zahlen (2024)
Im Jahr 2024 wurden an den vier Transplantationszentren in Österreich insgesamt 637 Transplantationen durchgeführt, davon 579 mit Organen Verstorbener. Die Zahl der Lebendspenden ging im Vergleich zu 2023 von 79 auf 58 zurück. Die transplantierten Organe im Überblick:
- Leber: 68 (davon 3 Lebendspenden), zweitgrößter Standort: Wien (39 Transplantationen)
- Niere: 105 (davon 13 Lebendspenden), zweitgrößter Standort: Wien (97)
- Bauchspeicheldrüse: 11, zweitgrößter Standort: Graz (2)
- Herz: 13, Wien führt mit 37 Transplantationen
- Lunge: 5, Wien mit 101 Transplantationen Spitzenreiter
Auffallend ist der Rückgang bei den Lebendspenden, der möglicherweise auf fehlende Aufklärung, Ängste oder organisatorische Hürden zurückzuführen ist.
Wer kann Organspender werden?
Grundsätzlich kann jede Person, die hirntot ist und keine dokumentierte Ablehnung vermerkt hat, Organspender:in werden. Alter oder bestimmte Vorerkrankungen schließen eine Spende nicht automatisch aus. Die letztendliche medizinische Beurteilung erfolgt durch die behandelnden Ärzte.
Auch Kinder und Jugendliche können Spender sein, sofern die Erziehungsberechtigten zustimmen. Bei Lebendspenden (z. B. Niere oder Leberlappen) müssen enge verwandtschaftliche Beziehungen vorliegen und die Spender müssen umfassend medizinisch wie auch psychologisch betreut werden.
Wer erhält ein Spenderorgan?
Die Zuteilung von Organen erfolgt über Eurotransplant nach medizinischer Dringlichkeit, Wartezeit, Erfolgsaussichten der Transplantation sowie Gewebeverträglichkeit. Die Vermittlung erfolgt anonymisiert.
Besonders kritisch ist die Situation bei Nierenpatienten.
Zwar ermöglicht die Dialyse ein Überleben, doch mit erheblichen Einschränkungen. Eine Transplantation bedeutet hier nicht nur eine deutlich bessere Lebensqualität, sondern auch eine deutliche Verlängerung der Lebenserwartung.
Internationale Vergleiche: Was macht andere Länder erfolgreicher?
Spanien gilt weltweit als Vorzeigemodell. Dort wird die Widerspruchsregelung mit einem besonders effizienten System von Transplantationskoordinatoren in jedem größeren Krankenhaus kombiniert. Zudem existieren intensive Schulungsprogramme für Ärzt und Pflegepersonal.
In Deutschland hingegen gilt die Zustimmungsregelung (“opt-in”), bei der eine explizite Einwilligung notwendig ist.
Dies führt zu deutlich niedrigeren Spenderzahlen: 2023 waren es etwa 11 Spender pro Million Einwohner. Die Schweiz hat erst 2022 in einer Volksabstimmung beschlossen, zur Widerspruchsregelung überzugehen. Damit will man den Spendenmangel aktiv bekämpfen.
Diese Vergleiche zeigen: Die Gesetzeslage ist wichtig, aber allein nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist das Zusammenspiel aus rechtlichen, strukturellen und kulturellen Faktoren.
Ethische Aspekte der Organspende: Freiwilligkeit, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Verantwortung
Die ethische Debatte rund um die Organspende ist vielschichtig. Einerseits steht die Lebensrettung im Vordergrund, andererseits geht es um den Respekt vor dem Körper des Verstorbenen und den freien Willen jedes Menschen.
Kritiker der Widerspruchsregelung argumentieren, dass Schweigen nicht automatisch Zustimmung bedeuten darf. Ohne ausreichende Information bestehe die Gefahr, dass Menschen unwissentlich zu Spendern werden.
Befürworter hingegen betonen die hohe moralische Verantwortung der Gesellschaft, solidarisch zu handeln. Die Widerspruchsregelung sei ein pragmatischer Weg, um Leben zu retten – vorausgesetzt, es gibt transparente Information und niederschwellige Möglichkeiten zum Widerspruch.
In Österreich ist der Zugang zum Widerspruchsregister kostenfrei, einfach und jederzeit möglich. Dennoch ist es entscheidend, dass Menschen aktiv über ihre Haltung nachdenken und diese mit Angehörigen besprechen.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Die größten Herausforderungen in Österreich sind:
- Fehlende Aufklärung in der Bevölkerung und im Gesundheitspersonal
- Logistische Defizite in kleineren Krankenhäusern
- Emotionale Hemmschwellen, das Thema Tod und Spende offen anzusprechen
Lösungsansätze könnten sein:
- Verbindliche Fortbildung für medizinisches Personal zum Thema Organspende
- Informationskampagnen in Schulen, Öffentlichkeit und ärztlicher Praxis
- Ausbau und Vernetzung der Transplantationskoordinatoren in Krankenhäusern
Fazit: Die Entscheidung trifft jede:r selbst – aber sie rettet Leben
Die Organspende ist nicht nur eine medizinische, sondern auch eine zutiefst menschliche Entscheidung.
Wer sich zu Lebzeiten damit auseinandersetzt, kann dazu beitragen, Leben zu retten. In einem System wie dem österreichischen, das auf der Widerspruchsregelung basiert, ist es umso wichtiger, seine Einstellung offen zu kommunizieren – ob dafür oder dagegen.
Nur so kann der Wille der Verstorbenen respektiert und umgesetzt werden. Angesichts der immer länger werdenden Wartelisten ist jeder einzelne Spender und jede einzelne Spenderin ein Hoffnungsträger für viele.
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Quellen:
¹ Organtransplantationsgesetz Österreich | RIS
² Tirol Kliniken | Organspende; Organtransplantation
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Linktipps
– Patientenanwalt: Der Patient und seine Rechte
– Stiefkind Patientenverfügung – nur 4% der Österreicher haben eine
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– Gendermedizin – geschlechtsspezifische Medizin
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