Rorschachtest – Was sagt der Persönlichkeitstest wirklich aus?

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Rorschachtest

Fast hundert Jahre sind die vielleicht berühmtesten Tintenkleckse der Welt. Und schaut man sich an den richtigen Stellen um, mag man meinen, sie hätten nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Nach wie vor wird der Test beispielsweise im US-amerikanischen Justizsystem eingesetzt, um die Entscheidung über Schuld und Unschuld zu erleichtern. Doch was haben uns die Kleckse heute noch zu sagen?


Rorschachtest – Artikelübersicht:

Der Rorschachtest – Was ist das?

  • Bei dem Rorschachtest handelt es sich um einen assoziativen Persönlichkeitstest.
  • Veröffentlicht wurde er erstmalig 1921 von seinem Erfinder Hermann Rorschach
  • Im Rahmen des Tests werden Patienten symmetrische Klecks-Bilder vorgelegt, die sie assoziativ beschreiben sollen.
  • Anhand des Rorschachtests werden noch heute in manchen psychologischen Schulen Persönlichkeitsstrukturen analysiert.
  • Wissenschaftliche Studien lassen Zweifel bezüglich der psychodiagnostischen Nutzbarkeit des Tests aufkommen.

Tintenkleckse. Zuerst einmal sieht man wenig mehr als das, wenn man die Bilder des hundert Jahre alten Rorschachtests betrachtet. Lässt man sie aber länger auf sich wirken, bilden sich allmählich Figuren aus den Klecks-Bildern heraus.

Oft sind es Menschen oder Tiere, aber auch Alltagsgegenstände und sogar komplexe Situationen können vor unseren Augen mithilfe der Testbilder entstehen. Es handelt sich bei ihnen aber nicht um ein Beschäftigungsspiel für Kinder und genauso wenig sollen die Bilder per se die Kreativität anregen.

Sie werden vielmehr seit langer Zeit als ein psychoanalytisches Werkzeug verwendet. Mit ihrer Hilfe sollen tiefe seelische Prozesse der Patienten an die Oberfläche geholt und komplexe Emotionsmuster entschlüsselt werden.

Ob der Persönlichkeitstest – denn als solcher versteht er sich – aber tatsächlich so viel über einen Menschen verraten kann, ist immer mehr zu bezweifeln. Eine zwei Jahre alte Studie will herausgefunden haben, aufgrund welcher neuronaler Prozesse der Test wirklich zu einer so großen Anzahl unterschiedlicher Ergebnisse kommt. Und dies scheint weniger mit Psychologie als mit Mathematik zu tun zu haben.

Die Anfänge

Hermann Rorschach war zu seiner Zeit – dem Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts – nicht der einzige, der mit sogenannten Klecksographien, der Deutung von Klecks-Bildern, arbeitete. Im Gegenteil, schon ab der Mitte des 19. Jahrhunderts begannen Psychiater diese zur Diagnostik psychischer Vorgänge und vor allem psychiatrischer Störungen zu verwenden. Zu wirklichem Ruhm verhalf ihnen aber erst der Mann, nachdem der standardisierte Test heutzutage benannt ist: Hermann Rorschach.

Er veröffentlichte 1921 eine Serie mit symmetrischen Klecks-Bildern, die schon bald nach ihrem Erscheinen auch die Aufmerksamkeit Sigmund Freuds auf sich zog. Dem Erforscher des Unterbewussten kam dieses diagnostische Werkzeug seines Schweizer Kollegens gerade recht. Und bis heute sorgen die zehn Tintenkleckstafeln in dutzenden Reproduktionen für weltweite Resonanz.

Die Auswertung der Bilder-Deutung jedenfalls erfolgt anhand der folgenden fünf analytischen Hauptaspekte: Anwendende Psychotherapeuten sollen demnach zum einen auf die Lokalisierung, also die als wichtig angesehen Teile des Bildes achten.

Wie Farben und Formen gedeutet werden und welcher Inhalt von den betrachtenden Klienten gesehen wird, ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung in der Analyse.

Die Anzahl der in den Bildern gesehenen Personen schließlich wird genauso in die Deutung miteinbezogen wie besondere Reaktionen der Klienten, beispielsweise Verzögerung in der Antwort.

Anhand komplexer Interpretations-Vorgaben meinen Rohrschach-Analysten schließlich das Innere ihrer Klienten entschlüsseln zu können. Bis heute wird dem Test in einigen Milieus noch immer Aussagekraft über Diagnosen und Schuld oder Unschuld der Untersuchten zugestanden.

Umstrittener Persönlichkeitstest

Wie aussagekräftig der Rorschachtest aber wirklich ist, ist schon seit den achtziger Jahren umstritten. In den USA wird der Test trotz allem nach wie vor auch vor Gericht verwendet.

Eine Reihe von Psychologen sieht ihn mittlerweile aber eher als Indikator von Kreativität als als greifbares Diagnose-Werkzeug für psychische Erkrankungen an. Ein Team von der University of Oregon hat nun in einer Studie neuere Erkenntnisse geliefert. Die Forscher beschäftigten sich mit der Anordnung sogenannter Fraktale in den Bildern Rorschachs und fragten sich, ob mit diesen nicht eventuell die anregende Wirkung der Bilder zu erklären sei.

Was aber sind eigentlich Fraktale? Der in den 70er Jahren entstandene Begriff beschreibt bestimmte geometrische Formen, die unter anderem dadurch gekennzeichnet sind, dass sie viel Selbstähnlichkeit besitzen, also aus vielen Kopien ihrer selbst bestehen. Die Wissenschaftler aus Oregon nun wollen bewiesen haben, dass der fraktale Charakter der Rohrschach-Bilder das Erkennen von Figuren-Komplexen beeinflusst.

Reduzierten die Forscher die fraktale Komplexität von Computer-generierten geometrischen Bildern, so erkannten signifikant mehr Menschen sinnhafte Formen. Interessanterweise änderte sich dies bei selbst-bezeichneten kreativen Menschen: Diese bevorzugten Bilder mit einer hohen fraktalen Komplexität und erkannten auch in ihnen sogenannte Trugbilder.

Optische Täuschungen

Folgt man dieser Studie, so sagt der Rorschachtest wohl vor allem etwas über die Fähigkeit der Augen zur optischen Täuschung – oder Pareidolie – aus. Allerdings ist mit ihr allein nicht die Überzeugung der Rorschach-Anhänger von ihrem Test zu entkräften. Denn auch wenn der Test unter anderem auf der Fähigkeit des Auges zu optischer Täuschung beruhen möge, so sehen könnten wir vielleicht doch in den Klecksen das sehen, womit wir uns unterbewusst am meisten beschäftigten.

Diese Überzeugung der Rorschach-Befürworter steht allerdings schon seit den 50er Jahren unter Beschuss. Damals wurde – ebenfalls in den USA – die erste den Rorschach-Test in Frage stellende Studie veröffentlicht. Zwölf der bekanntesten Rorschach-Analytiker wurden damals Probanden gegenübergestellt, über die sie keine weiteren Informationen als ihre Test-Antworten bekamen. Anhand dieser sollten sie eine Diagnose stellen. Dass es sich bei den Probanden durchweg um psychiatrisch völlig unauffällige Individuen handelte, wurde den Testern dabei absichtlich verschwiegen.

In fast allen Fällen wurde den Probanden trotz allem schwere psychiatrische Diagnosen gestellt – anhand ihrer Rohrschach-Ergebnisse. Dieser Studie folgten im Laufe der Zeit noch viele weitere wissenschaftliche Forschungen und nur wenige ließen ein gutes Haar an Rohrschach und seinen Bildern.

Fest steht heutzutage zumindest, dass eine ernst genommene Analyse von Patienten anhand der Rohrschach-Kleckse auf sehr wackeligen Beinen steht. In Österreich und Deutschland ist die Lehre der Rorschach-Kleckse nun auch schon länger aus dem universitären Betrieb verschwunden.

Vermeintliche Objektivität

Vor allem die vermeintliche Wissenschaftlichkeit in der Analyse des Rorschach-Tests wird mittlerweile von vielen Seiten kritisiert. Mit ihr verbunden ist der Name John Exner. Dieser entwickelte in den sechziger Jahren ein System der Standardisierung der Rorschach-Analyse mit dem Namen „Comprehensive System“.

Anhand diverser Variablen und Formeln wollte er so die Interpretation des Tests vereinheitlichen, verhalf ihm aber auch zu einem vermeintlich wissenschaftlichen Anstrich. Tatsächlich scheint diese Analyse allerdings weniger auf Fakten als auf der Erfindung vermeintlich rationaler Analyse-Kriterien verpackt in hochkomplex aussehende Formeln zu beruhen.

Ein Team um den US-amerikanischen Psychologen Lilienfeld verfasste denn auch ein ganzes Buch mit dem Titel „Was ist falsch mit Rorschach?“. Dieses widmet sich in aller Ausführlichkeit der Dekonstruktion des vormals so beliebten Tests und bezeichnet den Rorschachtest konsequenterweise schließlich als moderne Form des Teeblätter-Lesens.

Durch alle Kontroversen hindurch ist aber die bahnbrechende Wirkung festzuhalten, die dem Rorschachtest damals wie heute zu eigen ist. Kein anderer psychologischer Test hat es in dieser Form zu weltweitem Ruhm gebracht und sogar den Sprung in die Alltagssprache geschafft.

Ob der Test allerdings in den folgenden Jahrzehnten noch in der Weise gebraucht werden wird, wie ihn Hermann Rorschach vor hundert Jahren erdacht hat, bleibt wohl zu bezweifeln. Aber vielleicht kann mit ihm ja in Zukunft die Fähigkeit des menschlichen Gehirns zu optischer Täuschung untersucht werden und dem Test so schließlich auch der wissenschaftliche Ruhm zuteil werden, der ihm gebühren mag.

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Quellen:

¹ „Seeing shapes in seemingly random spatial patterns: Fractal analysis of Rorschach inkblots“
² Standard: Wie wir uns vom Rorschach-Test täuschen lassen

= [rebekkakühn] =

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Linktipps

– Persönlichkeitstests
– Die Macht der Träume
– Autogene Psychotherapie
– Online-Therapie

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