Länderüberblick: Was Österreich aus der Cannabis-Freigabe lernen kann

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Cannabis und die Einstiegsdrogen-Debatte: Was die Wissenschaft sagt – und was Österreich von der Cannabis-Freigabe in anderen Ländern lernen kann.
In Deutschland ist seit dem 1. April 2024 der Besitz und Konsum von Cannabisprodukten für Erwachsene unter bestimmten Bedingungen legal. Die Debatte rund um das neue Gesetz wurde auch in Österreich aufmerksam verfolgt.
Cannabis-Freigabe – Artikelübersicht:
- Was ist Cannabis – und was ist der Unterschied mit und ohne THC?
- Cannabis vs. legale Drogen: Ein Vergleich
- Ist Cannabis eine Einstiegsdroge? Der Stand der Wissenschaft
- Welche Schäden verursacht Cannabis?
- Was macht Cannabis im Körper kaputt?
- Cannabis-Legalisierung: Risiken für Jugendliche und Kinder
- USA als Fallstudie: Was bringt die Cannabis-Liberalisierung wirklich?
- Fazit: Was heißt das für Österreich?
- Linktipps
Immer wieder wird dabei die Frage aufgeworfen, ob Cannabis eine sogenannte “Einstiegsdroge” sei – also den Weg zu härteren Substanzen ebnet.
Die Stiftung Gesundheitswissen hat die aktuelle Studienlage analysiert und stellt zentrale Erkenntnisse zur Verfügung.
Was heißt das für die österreichische Diskussion? Und welche Lehren lassen sich aus internationalen Erfahrungen, insbesondere aus den USA und Deutschland, ziehen?
Was ist Cannabis – und was ist der Unterschied mit und ohne THC?
Cannabis ist der wissenschaftliche Name für die Hanfpflanze. Sie enthält eine Vielzahl chemischer Verbindungen, sogenannte Cannabinoide. Die bekanntesten darunter sind THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol).
THC ist der psychoaktive Bestandteil – also der Stoff, der das “High” verursacht.
CBD wirkt dagegen nicht berauschend und wird vor allem für medizinische Zwecke oder zur Entspannung eingesetzt.
Produkte mit hohem THC-Gehalt sind in der Regel für den Freizeitkonsum gedacht, während CBD-Produkte auch in Österreich frei erhältlich sind, solange sie unter dem gesetzlich erlaubten THC-Gehalt bleiben. Der Anbau von Hanf zu medizinischen Zwecken ist in Österreich seit Jahren möglich, der Freizeitgebrauch jedoch nach wie vor illegal.
Cannabis vs. legale Drogen: Ein Vergleich
Alkohol und Tabak sind in Österreich legal erhältlich, obwohl ihre gesundheitlichen Risiken gut dokumentiert sind.
Laut Statistik Austria sterben jährlich etwa 11.000 Menschen an den Folgen des Rauchens, der Alkoholmissbrauch fordert ebenfalls tausende Todesopfer.
Im Vergleich dazu gibt es kaum Todesfälle, die direkt auf Cannabis zurückgeführt werden könnten.
Dennoch ist Cannabis nicht harmlos. Es kann psychische Störungen, kognitive Einschränkungen und Abhängigkeit verursachen. Besonders gefährdet sind Jugendliche, deren Gehirn sich noch in der Entwicklung befindet.
Zugleich nimmt der Konsum synthetischer Drogen wie Ecstasy oder Kokain auch in Österreich zu. Laut dem Jahresbericht der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) steigt der Anteil junger Erwachsener, die im Laufe des Lebens Erfahrungen mit “Partydrogen” machen.
Ist Cannabis eine Einstiegsdroge? Der Stand der Wissenschaft
Die Idee, dass Cannabis eine “Einstiegsdroge” sei, basiert auf dem sogenannten Gateway-Modell: Wer früh Cannabis konsumiert, greift später mit höherer Wahrscheinlichkeit zu härteren Drogen. Doch laut der Stiftung Gesundheitswissen ist die Studienlage dazu uneinheitlich.
Einige Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen frühem Cannabiskonsum und späterem Konsum von Substanzen wie Kokain oder Heroin.
Doch ein klarer Kausalzusammenhang lässt sich daraus nicht ableiten. Häufig konsumieren Jugendliche zunächst Alkohol oder Tabak, bevor sie Cannabis ausprobieren.
Das heißt: Cannabis ist oft nicht die erste Droge, mit der Jugendliche in Kontakt kommen.
Das Umfeld ist entscheidend
Entscheidend für die Entwicklung eines problematischen Konsumverhaltens ist weniger die Substanz selbst als das soziale Umfeld.
Jugendliche, die in einem Umfeld leben, in dem Substanzkonsum normalisiert ist, haben ein höheres Risiko, selbst Drogen zu konsumieren. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob es sich um Tabak, Alkohol oder Cannabis handelt.
Das heißt: Nicht Cannabis macht automatisch “süchtig nach mehr”, sondern ein permissives Umfeld und mangelnde Aufklärung.
Welche Schäden verursacht Cannabis?
Der Konsum von Cannabis kann kurzfristige und langfristige gesundheitliche Folgen haben. Zu den akuten Risiken zählen:
- Konzentrationsstörungen
- verlangsamte Reaktionszeiten
- Angstzustände und Panikattacken
- Psychosen, insbesondere bei hoher Dosierung oder bei genetischer Veranlagung
Langfristig kann es zu folgenden Schäden kommen:
- erhöhtes Risiko für Depressionen und Angststörungen
- Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung
- verminderte Lernfähigkeit
- Abhängigkeit
- erhöhtes Risiko für Psychosen
Was macht Cannabis im Körper kaputt?
Cannabis wirkt auf das sogenannte Endocannabinoid-System des Körpers. Dieses ist an der Regulierung von Stimmung, Schmerzempfinden, Appetit und Gedächtnis beteiligt.
THC dockt an die entsprechenden Rezeptoren im Gehirn an und beeinflusst so die neuronale Kommunikation. Besonders im jugendlichen Gehirn kann dies langfristige Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung haben.
Auch die Atemwege werden belastet – besonders beim Rauchen. Studien zeigen eine erhöhte Rate an Bronchitis und Atemwegserkrankungen bei regelmäßigem Konsum.
Wie gefährlich ist täglicher Cannabiskonsum?
Täglicher Cannabiskonsum ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen verbunden. Studien zeigen, dass das Risiko für eine Cannabisabhängigkeit mit der Häufigkeit des Konsums steigt. Laut internationalen Untersuchungen entwickeln rund 9 % aller Konsumenten eine Abhängigkeit, bei täglichem Konsum liegt der Anteil bei rund 25 %.
Auch kognitive Einschränkungen wie eine geringere Problemlösungsfähigkeit und Konzentrationsprobleme sind bei täglichem Konsum häufig. Wer bereits psychisch vorbelastet ist, etwa durch eine familiäre Veranlagung für Schizophrenie, trägt ein besonders hohes Risiko.
Cannabis-Legalisierung: Risiken für Jugendliche und Kinder
Obwohl das deutsche Gesetz nur für Erwachsene gilt, warnen Experten vor indirekten Folgen für Jugendliche und Kinder. Die größte Sorge: Eine zunehmende Normalisierung von Cannabis in der Gesellschaft.
Wenn Erwachsene öffentlich und scheinbar folgenlos konsumieren, steigt die Gefahr, dass Jugendliche das Verhalten imitieren. Die Stiftung Gesundheitswissen weist darauf hin, dass es keinen risikofreien Cannabiskonsum gibt – insbesondere nicht für Minderjährige.
Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet, weil ihr Gehirn noch in der Entwicklung ist. Früher und regelmäßiger Konsum kann die schulische Leistungsfähigkeit und die emotionale Reife beeinträchtigen. Zudem zeigen Studien, dass der Konsum im Jugendalter das Risiko für spätere Abhängigkeit deutlich erhöht.
USA als Fallstudie: Was bringt die Cannabis-Liberalisierung wirklich?
In den USA haben inzwischen zahlreiche Bundesstaaten Cannabis legalisiert. Was zeigen die Erfahrungen dort?
Eine Studie des National Institute on Drug Abuse (NIDA) aus dem Jahr 2022 legt nahe: In Bundesstaaten mit legalem Cannabis ist der Konsum unter Erwachsenen gestiegen, unter Jugendlichen jedoch nicht signifikant.
Allerdings zeigen andere Untersuchungen, dass in einigen Regionen wie Colorado oder Kalifornien der Anteil junger Menschen, die Cannabis konsumieren, leicht gestiegen ist. Zugleich sind Krankenhausbesuche wegen psychischer Krisen infolge von Cannabis-Intoxikationen häufiger geworden.
Ein weiteres Problem ist die steigende Potenz von Cannabisprodukten. Heute enthält Cannabis oft ein Vielfaches an THC im Vergleich zu früheren Jahren – was das Risiko für psychische Nebenwirkungen erhöht.
Trotzdem sehen viele Experten auch positive Aspekte: Der Schwarzmarkt wird zurückgedrängt, es gibt bessere Kontrolle der Produktqualität, und die Polizei wird entlastet.
Fazit: Was heißt das für Österreich?
Auch wenn Deutschland die Cannabislegalisierung umgesetzt hat, bleibt Österreich vorerst bei einer restriktiven Haltung. Die Diskussion sollte jedoch faktenbasiert geführt werden.
Cannabis ist keine harmlose Substanz, vor allem nicht für Jugendliche. Die Vorstellung, dass es automatisch zur Einstiegsdroge wird, ist wissenschaftlich nicht belegt. Entscheidend ist das soziale Umfeld, die Aufklärung und der verantwortungsvolle Umgang.
Für Österreich bedeutet das: Anstatt einer unreflektierten Übernahme von Legalisierungsmodellen ist eine umfassende Aufklärung über Risiken und ein starker Fokus auf Jugendprävention notwendig.
Sollte es zu einer ähnlichen Gesetzesänderung kommen, müssten Begleitmaßnahmen wie Zugangsbeschränkungen, Qualitätskontrolle und Monitoring-Programme von Beginn an mitgedacht werden.
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Quellen:
¹ Cannabis – Risiken für Jugendliche (Stiftung Gesundheitswesen)
² Cannabis-Legalisierung in den USA
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Linktipps
– Was ist der Unterschied zwischen THC und CBD?
– Cannabis als Medizin
– Cannabis und Gesundheit
– Medizinisches Cannabis: welche Sorten, für welche Anwendung?
– Medizinisches Cannabis: Anbau & Pflege von Hanfpflanzen