Fibromyalgie (Faser-Muskel-Schmerz) | Krankheitslexikon

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Fibromyalgie (Faser-Muskel-Schmerz) | Krankheitslexikon

Fotocredit: Kaspars Grinvalds + triocean | Fotolia

Die Fibromyalgie (Faser-Muskel-Schmerz) ist eine schwere chronische, nicht-entzündliche Schmerzerkrankung, von der bis zu 4 % der Bevölkerung betroffen sind – davon etwa 85 % Frauen. Die Krankheit ist derzeit noch nicht heilbar.


Die Schmerzen können auf der Haut, in Muskeln und Gelenken auftreten und von Erschöpfung, Schlaf- und Konzentrationsproblemen begleitet werden.

Typische Symptome sind auch Brennen, Kribbeln oder Taubheitsgefühle. Betroffene können auch an Schlafstörungen, Steifheit am Morgen, Kopfschmerzen, Konzentrationsproblemen (oft als “Fibro-Nebel” bezeichnet) und anderen Symptomen leiden.

Entstehung

Zur Fibromyalgie kommt es dann, wenn sich der Schmerz gewissermaßen verselbständigt und nicht mehr nur lokal an den ursprünglich schmerzhaften Stellen, z. B. der Halswirbelsäule, sondern am ganzen Körper verspürt wird. Zu diesem Zeitpunkt hilft auch die Beseitigung der ursprünglichen Ursache des Schmerzes nicht mehr, um eine Besserung zu erreichen.

Gleichzeitig bestehen oft psychische Symptome, wie z. B. Depressionen, und der Patient fühlt sich ausgesprochen krank. Es ist bekannt, dass es bei Patienten mit Fibromyalgie zu Änderungen der Regelsysteme der Schmerzempfindung im Gehirn kommt. Manche Botenstoffe des Gehirns, wie z. B. Serotonin und Tryptophan werden “herunterreguliert”, während andere, wie die Substanz P – eine bestimmte Schmerztransmittersubstanz – vermehrt vorhanden sind.

Trotz dieser “organischen”, d. h. körperlichen Veränderungen des Gehirns, ist aber immer noch nicht klar, ob die Fibromyalgie letztendlich eine psychosomatische Erkrankung ist, bei der die Veränderungen der Botenstoffe des Gehirns erst sekundär entstehen, oder ob es sich wirklich gewissermaßen um eine Stoffwechselerkrankung des Gehirns mit der Folge von Schmerzen und psychosomatischen Störungen handelt.

Patienten mit Fibromyalgie haben oft bereits in der Vorgeschichte chronische Schmerzen des Bewegungssystems, z. B. durch einen Bandscheibenvorfall, ein Schleudertrauma, Arthritis oder chronische Rückenschmerzen.

Die Beziehung zwischen vorherigen Schmerzen und der Entwicklung von Fibromyalgie ist komplex, und es gibt viele Fälle, in denen die Ursache und der Verlauf der Erkrankung nicht eindeutig auf eine bestimmte Verletzung oder Erkrankung zurückzuführen sind.

Sicher ist aber, dass die schmerzhaften Stellen des Bewegungsystems selber nicht verändert oder gar entzündet sind, sondern erst die veränderte Schmerzempfindung im Gehirn dazu führt, dass der Schmerz im Bewegungssystem empfunden wird. Trotzdem handelt es sich aber um echte und nicht etwa eingebildete Schmerzen.

Symptome

Auch wenn der Schmerz das wichtigste Symptom ist, so gibt es doch eine ganze Reihe weiterer Beschwerden, die den Betroffenen das Leben zur Hölle machen, sie sogar regelrecht von ihrer Außenwelt abschneiden.

Häufig wird der Schmerz als großflächig und fließend beschrieben. Die Patienten haben oft das Gefühl, die schmerzhaften Weichteile seien diffus geschwollen, und kleine Verdichtungen des Unterhautfettgewebes werden als schmerzhafte Knötchen empfunden.

Die Schmerzen halten über lange Zeit, meist über Jahre an und können bei manchen Patienten durch körperliche Aktivitäten oder auch Krankengymnastik bzw. Massage verstärkt werden.

  • Schmerzen in Muskeln und Bindegewebe im gesamten Körper, in einer Körperhälfte oder verschiedenen Regionen, die ständig vorhanden sind oder regelmäßig wieder auftreten
  • bestimmte Druckpunkte auf der Körperoberfläche schmerzen bei Berührung (sogenannte tender points)
  • Schlafstörungen
  • Probleme im Magen-Darm-Trakt
  • Herz-, Kreislauf- und Atembeschwerden
  • Gefühlsstörungen auf der Haut
  • kalte Hände, vermehrtes Schwitzen
  • Zittern der Hände
  • Depressionen

Beschwerden, die eigentlich gar nicht recht zusammenpassen wollen. Und dennoch treten sie bei einer Fibromyalgie auf, ohne dass wir bis heute genau wissen, warum das so ist.

Diagnose

Genau deshalb ist es auch so schwierig für viele Ärzte, die richtige Diagnose zu stellen, weil etwa gerade bei Frauen “in der Nähe der Wechseljahre” nun einmal sehr gerne auf eben diesen Lebensabschnitt als Auslöser für so manch unklare Symptome getippt wird. Auf Fibromyalgie-Betroffenen lastet daher oft ein hoher Leidensdruck.

Die Fibromyalgie wird generell oft erst spät erkannt, da die Diagnose schwierig ist und die Symptome vielfältig und unspezifisch sind.

Die Folgen sind fatal für die Betroffenen: sie müssen manchmal jahrelang mit ihren Beschwerden leben, fühlen sich nicht ernst genommen, verzweifeln, schotten sich gegenüber ihrer Umwelt ab.

Laut einer Analyse aus dem Praxisregister der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin dauert es im Durchschnitt 16 Jahre, bis die Diagnose gestellt wird. Viele Menschen mit Fibromyalgie werden falsch behandelt, da Ärzte die Erkrankung nicht erkennen, was zu einer Verzögerung der richtigen Diagnose führt.

So schwierig diese Palette an Symptomen auch zu deuten ist – wenn der behandelnde Arzt an eine Fibromyalgie denkt, kann er durch gezielte Untersuchungen die richtige Diagnose stellen – und das ziemlich schnell.

Die “klassische Rheuma-Diagnostik” liefert bei der Fibromyalgie leider keinerlei brauchbare Ergebnisse. Sowohl Röntgenaufnahmen als auch Blutuntersuchungen zeigen gar nichts, sind völlig normal, sehen aus wie bei jedem Gesunden auch.

Das gleiche gilt für die körperliche Untersuchung. Die Gelenke sind nicht geschwollen, die Bewegungsfähigkeit erhalten – dennoch sind die Schmerzen da. Umso wichtiger ist es für den Arzt, den Betroffenen intensiv zuzuhören und die Beschwerden wirklich ernst zu nehmen – keine leichte Aufgabe im Zeitalter der “Fünf-Minuten-Medizin”.

Was allerdings auffällig ist, sind die bereits erwähnten Schmerz-Punkte bzw. Druckpunkte, die sogenannten “tender points“.

Die können durch den Arzt gezielt aufgesucht werden. Reagieren diese Punkte schon bei leichtem Druck mit Schmerzen, wird die Fibromyalgie als Ursache immer wahrscheinlicher. Auch stehen gezielte Fragebögen zur Verfügung, die diese scheinbar unzusammenhängenden Beschwerden miteinander in Verbindung bringen und damit die Diagnose weiter absichern.

Am wichtigsten ist aber, dass an die Fibromyalgie überhaupt gedacht wird und eben nicht die Wechseljahre oder irgendwelche andere Hormonumstellungen für diese Symptome verantwortlich gemacht werden.

Was ist der Auslöser für Fibromyalgie?

Die genaue Ursache von Fibromyalgie ist noch nicht vollständig verstanden, und es gibt keine eindeutigen Auslöser.

Es wird jedoch angenommen, dass eine Kombination von genetischen, neurologischen, immunologischen und Umweltfaktoren eine Rolle spielen kann.

Hier sind einige der Vermutungen und Aspekte, die mit der Entwicklung von Fibromyalgie in Verbindung gebracht werden:

  • Genetik: Es gibt Hinweise darauf, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen könnten. Menschen, bei denen enge Verwandte Fibromyalgie haben, haben möglicherweise ein höheres Risiko, die Erkrankung zu entwickeln.
  • Störungen im zentralen Nervensystem: Einige Forscher glauben, dass Veränderungen in der Funktionsweise des zentralen Nervensystems, insbesondere im Bereich der Schmerzverarbeitung, bei Fibromyalgie eine Rolle spielen könnten. Dies wird als “zentrale Sensibilisierung” bezeichnet.
  • Infektionen und Traumata: Einige Fälle von Fibromyalgie wurden nach Virusinfektionen oder – wie bereits weiter oben angesprochen – körperlichen Traumata berichtet. Es wird vermutet, dass diese Ereignisse das Immunsystem aktivieren und zu einer Reaktion führen könnten, die schließlich zur Entwicklung von Fibromyalgie beiträgt.
  • Stress und psychologische Faktoren: Stress und psychologische Belastungen können die Symptome von Fibromyalgie verschlimmern, obwohl sie nicht als Hauptursache gelten. Menschen mit Fibromyalgie erleben oft einen Teufelskreis von Schmerzen, Schlafstörungen und Stress.
  • Hormonelle Ungleichgewichte: Einige Studien haben darauf hingewiesen, dass hormonelle Veränderungen, insbesondere im Zusammenhang mit den Hormonen des Stresssystems wie Cortisol, eine Rolle spielen könnten.
  • Diese alles sind allerdings bloß mehr oder weniger begründete Annahmen, die Forschung zu Fibromyalgie ist weiterhin im Gange und neue Erkenntnisse können dazu beitragen, ein umfassenderes Verständnis der Ursachen und Mechanismen dieser Erkrankung zu entwickeln.

    Was löst einen Fibromyalgie Schub aus?

    Ein “Fibromyalgie-Schub” bezieht sich auf eine Verschlechterung der Symptome, bei der die Schmerzen und anderen mit Fibromyalgie verbundenen Beschwerden zunehmen.

    Es gibt keine einheitlichen Auslöser für Fibromyalgie-Schübe, und sie können von Person zu Person unterschiedlich sein.

    Einige Faktoren, die mit dem Auftreten von Schüben in Verbindung gebracht wurden, sind:

    • Physischer oder emotionaler Stress kann bei vielen Menschen mit Fibromyalgie zu einem Schub führen. Stressmanagement-Techniken können helfen, die Auswirkungen zu minimieren.
    • Einige Menschen mit Fibromyalgie berichten, dass Wetteränderungen, insbesondere kaltes oder feuchtes Wetter, ihre Symptome verschlimmern können.
    • Auch Überanstrengung, übermäßige körperliche Aktivität oder Anstrengung, insbesondere wenn sie nicht regelmäßig ausgeübt wird, kann zu einem Schub führen. Auf der anderen Seite kann auch zu wenig Bewegung zu Verschlechterungen führen.
    • Akute Infektionen oder andere gesundheitliche Probleme können ebenfalls einen Schub auslösen oder die Symptome verschlimmern.
    • Schlafstörungen sind ein häufiges Merkmal von Fibromyalgie, und schlechter Schlaf kann zu Schüben führen.
    • Bei einigen Frauen können hormonelle Veränderungen, wie sie während des Menstruationszyklus auftreten, einen Einfluss auf die Symptome haben.

    In welchem Alter bekommt man Fibromyalgie?

    Fibromyalgie kann in jedem Alter auftreten, aber es tritt häufiger bei Menschen im Alter zwischen 30 und 60 Jahren auf. Es betrifft jedoch Menschen jeden Alters, einschließlich Kinder und älterer Erwachsener. Der Gipfel der Diagnose liegt oft zwischen dem mittleren Erwachsenenalter und der Menopause, und Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

    Es ist wichtig zu betonen, dass Fibromyalgie keine altersspezifische Erkrankung ist, und es gibt Fälle, in denen Menschen in ihren 20ern oder sogar noch jünger mit Fibromyalgie diagnostiziert wurden.

    Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Symptome von Fibromyalgie oft schleichend beginnen können und sich im Laufe der Zeit entwickeln. Die Diagnose kann jedoch in jedem Alter gestellt werden, wenn die charakteristischen Symptome vorhanden sind und andere mögliche Ursachen für die Symptome ausgeschlossen wurden.

    Therapie

    Die Behandlung von Fibromyalgie konzentriert sich in der Regel auf die Linderung von Symptomen.

    Dies kann Medikamente, Physiotherapie, Bewegung, Stressmanagement, Schlafverbesserung und andere Ansätze umfassen.

    Es ist wichtig zu beachten, dass die Behandlung von Fibromyalgie oft individuell angepasst werden muss, da die Symptome von Person zu Person variieren können.

    Häufig sind Schmerzmittel und Antirheumatika komplett unwirksam. Auch Krankengymnastik und Massage können zwar bei manchen Patienten helfen, bei anderen Patienten aber das Krankheitsbild sogar noch verschlimmern.

    Bisher gibt es keine spezifische Behandlung für FMS. Die Europäische Liga gegen Rheuma und die Mehrheit der internationalen Empfehlungen zur Behandlung von FMS behaupten, dass eine psychoedukative Intervention der erste Schritt in der FMS-Behandlung für eine angemessene Symptombehandlung sei. Wissenschaftliche Studien hierzu sind jedoch rar, vielfältig und mit widersprüchlichen Ergebnissen.

    Am erfolgreichsten dürften nach Patientenberichten wohl kombinierte Therapieansätze mit psychosomatischer Therapie, physikalischen Anwendungen und einer intensiven Patientenschulung sein.

    Menschen mit Fibromyalgie können von einer multidisziplinären Herangehensweise profitieren, bei der verschiedene Fachleute, wie Rheumatologen, Neurologen, Psychologen und Physiotherapeuten, zusammenarbeiten, um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten.

    Abseits der medikamentösen Behandlung (etwa mit Amitriptylin, Trimipramin, Doxepin oder Tramadol – Fluoxetin, Sertralin und Citalopram sind sog. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) und der Akupunktur, werden folgende physikalische Therapien durchgeführt:

    • Akupressur
    • Laser-Schmerztherapie
    • Schröpfmassage
    • Patientenschulung
    • Ganzkörper-Kältetherapie bei minus 110 °C
    • Ganzkörper-Wärmetherapie
    • Osteopathie
    • Qi Gong
    • Tai Chi und Tai Chi Chuan (Taijiquan)

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    Quellen:

    ¹ Temporomandibular Disorders and Fibromyalgia Prevalence: A Systematic Review and Meta-Analysis (P. Yakkaphan et al. in J Oral Facial Pain Headache. 2023 Nov 17;37(3):177-193.) DOI: 10.11607/ofph.3260
    ² FMS-Forum Prof. Dr. Dr. Bauer (Infos zu Behandlungsmethoden)

    Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

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    Linktipps

    – Akupunktur hilft bei Fibromyalgie
    – Was ist Rheumatologie?
    – Muskel-Skelett-Erkrankungen im Arbeitsalltag
    – Interstitielle Cystitis – die chronische Blasenentzündung
    – Schmerztherapie bei Kindern

    [Verfasst 04/2016, Update: 11/2023]

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