Allergie und Krebs – geringeres Krebsrisiko für Allergiker?
Seitdem Studien ergeben haben, dass Allergiker seltener an bestimmten Krebsarten erkranken, wird von den Krebsforschern eifrig nach Möglichkeiten gesucht, sich dieses Phänomen zunutze zu machen. Verantwortlich für das geringere Krebsrisiko von AllergikerInnen sind Immungloboline (IgE), also eine spezielle Klasse von Antikörper.
Die Immunglobuline spielen eine wichtige Rolle beim Schutz des Organismus gegen allergische Reaktionen und andere Krankheitserreger. AllergikerInnen ist das Immunglobulin E (IgE) bestens bekannt. Ist es doch diese Klasse von Antikörpern, die eine wesentliche Funktion bei den leidigen Immun-Überreaktionen einnimmt. Auch OnkologInnen kennen das IgE gut. Zahlreiche umfassende Studien zeigen nämlich, dass Personen mit erhöhten IgE-Werten signifikant seltener an bestimmten Krebsarten erkranken. Oder mit anderen Worten: AllergikerInnen haben ein geringeres Krebsrisiko.
Antikörper gegen Tumore
“Tatsächlich richtet sich das IgE, das im Laufe einer Allergie gebildet wird, nicht gegen einen Krebstumor, sondern gegen den allergieauslösenden Stoff wie zum Beispiel Pollen”, erläutert Studienleiterin Prof. Erika Jensen-Jarolim, Leiterin des Instituts für Pathophysiologie der Medizinischen Universität Wien. “Dass IgE trotzdem auch gegen Tumore wirkt, ist eher ein erfreulicher Nebeneffekt der hohen Wirksamkeit dieser Klasse von Antikörpern. Unser Ziel war es nun, diese für Allergien typische Klasse von Antikörpern mit einer direkten Wirksamkeit gegen Tumore zu versehen. Gleichzeitig sollte der Körper mittels aktiver Immunisierung zu einer dauerhaften Produktion des IgE angeregt werden.”
Wissenschaftern ist nun der Versuch gelungen den Körper mittels aktiver Immunisierung zu einer dauerhaften Produktion des IgE anzuregen um gegen Tumorzellen vorgehen zu können. Hochwirksame IgE-Antikörper, die sich gegen Tumore richten, können nun nach einer aktiven Immunisierung im Körper selbst hergestellt werden. Entscheidend für diesen im Tiermodell erzielten Erfolg ist die geschickte Kombination zweier bereits etablierter experimenteller Methoden. Die Ergebnisse werden nun in Cancer Research publiziert und sind Teil einer vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Arbeit.
Eine aktive Immunisierung gegen bestimmte Tumore – gelang der Gruppe um Prof. Jensen-Jarolim bereits vor einiger Zeit in Mäusen. Doch auf Grund der gewählten Art der Immunisierung (Injektion unter die Bauchdecke) gehörten die produzierten Antikörper zur IgG-Klasse. Eine Art von Antikörpern, die eine deutlich geringere und kürzere Wirkung gegen Tumore zeigen als IgE-Antikörper. Damit nun aber die Immunisierung die gewünschte Aktivierung von IgE hervorruft, machte sich Prof. Jensen-Jarolim ein anderes erfolgreiches Ergebnis ihrer Arbeitsgruppe zu Nutze, welches im Rahmen eines weiteren FWF-Projekts über Nahrungsmittel-Allergien erzielt wurde. Dieses Ergebnis belegt, dass es Nahrungsmittel-Peptide schaffen, IgE-abhängige Immunreaktionen zu provozieren, wenn sie den sauren Bedingungen im Magen widerstehen.
So fütterte das Team um Prof. Jensen-Jarolim Mäusen ein Peptid, das starke Ähnlichkeit mit einem Tumor-Peptid hat. Gleichzeitig wurde die Ansäuerung im Magen reduziert und so die Verdauung des Peptids verhindert. Tatsächlich trat in der Folge eine Art allergische Reaktion gegen dieses tumorähnliche Peptid auf – die Mäuse produzierten tumorspezifische IgE-Antikörper. Damit gelang weltweit die erste aktive IgE-stimulierende Tumorimpfung.
Impfung gegen Krebs?
Hier tut eine begriffliche Abgrenzung Not: Das Wort Impfen hat sich, teilweise als nicht ganz genaue Übersetzung aus dem Englischen, für höchst unterschiedliche Entwicklungen in der Krebsmedizin eingebürgert: für Verfahren, bei denen eine “Vakzine” (Impfstoff) oder ein “Antiserum” (Aufreinigung spezifischer Antikörper, die aus dem Blutserum immunisierter Säugetiere oder Menschen gewonnen werden) zur Krebsvorbeugung gespritzt werden, wie auch für solche, die zur Verhinderung von Rückfällen oder Metastasen oder sogar zur Behandlung bereits entstandener Tumoren erprobt werden werden medial mit dem Wort Impfen bezeichnet.
Tatsächlich verdient ein einziges Verfahren in diesem Sammelsurium diese Bezeichnung. Im Sinn einer Schutzimpfung vor Viren als Krankheitserregern, kann sie tatsächlich helfen, dass bestimmte Krebsarten in Zukunft vielleicht gar nicht mehr so häufig auftreten.
Weltweit werden etwa 15 Prozent aller Krebserkrankungen durch Viren verursacht. Möglicherweise sind die winzigen Krankheitserreger sogar an der Entstehung von sehr viel mehr Tumorerkrankungen beteiligt. Impfungen gegen Krebs auslösende Viren spielen insgesamt vor allem in Ländern der Dritten Welt eine große Rolle – dort werden insgesamt bis zu 80 Prozent der Krebsneuerkrankungen auf Infektionen unter anderem mit Viren aus der Hepatitis-Gruppe oder mit den Papillomviren zurückgeführt.
Laut Deutschem Krebsinformationsdienst ist ein gezielter Einsatz von Antikörpern gegen Tumore weitaus schwieriger als die Abwehr von Bakterien oder Viren. Antikörper brauchen ein unverwechselbares Merkmal, um ihre Ziele exakt identifizieren zu können. Dass dies selbst bei der normalen Immunabwehr gegen Krankheitserreger nicht immer funktioniert, zeigt das Beispiel Schnupfen: Die Viren tarnen sich so geschickt, dass das menschliche Immunsystem trotz jährlich wiederkehrender Attacken immer wieder auf das neue mit den Angreifern fertig werden muss..
Krebszellen sind trotz aller Veränderungen jedoch nicht einmal fremd im Körper. Um so schwieriger, in den letzten Jahren aber auch zunehmend erfolgreicher gestaltet sich die Suche der Krebsforscher nach besonderen Merkmalen auf der Oberfläche von Krebszellen, gegen die sich gezielt Antikörper richten ließen. Diese “Impfungen” dürfen auf keinen Fall zu unspezifisch sein, also beispielsweise auch sehr intensiv gegen die Oberflächenmerkmale von gesunden Zellen wirken.
Auch wenn viele Krebspatienten, die durch Berichte in Zeitungen oder im Fernsehen auf diese Form der Immuntherapie aufmerksam wurden, auf die Therapie mit Antikörpern setzen, spielen Antikörper derzeit eine noch viel größere Rolle in der Krebsdiagnostik als in der Behandlung. Bisher verfolgte Forschungsansätze haben nämlich gezeigt, dass die Antikörperstrategie als alleinige Therapie eher gegen Krebszellen erfolgreich zu sein scheint, die sich noch nicht im Gewebe festgesetzt haben, sondern sich gerade erst in der Blut- oder Lymphbahn verbreiten.
Foto: Prof. Erika Jensen-Jarolim
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