Was bedeuten die Wirksamkeitsangaben bei Coronaimpfstoffen wirklich?

1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (13 Bewertungen, Durchschnitt: 3,62 Sterne von 5)
Was bedeuten die Wirksamkeitsangaben bei Coronaimpfstoffen wirklich?

Fotocredit: AdobeStock

Neueste Studiendaten geben immer mehr Aufschluss über die tatsächliche Wirksamkeit der unterschiedlichen Coronaimpfstoffe. Die Covid-Vakzine wirken sogar noch besser, als es die Herstellerangaben suggerieren.


Das hat aber keine wissenschaftliche Gründe, sondern basiert auf einen Denkfehler. 95% Wirksamkeit der Impfung bedeutet also nicht 5% Erkrankungen. Hier die Erklärung, warum das so ist.

Corona-Impfung – Artikelübersicht:

Auch Experten können ins Schleudern geraten, wenn sie die Zahlen aus wissenschaftlichen Studien in konkrete, verständliche Information übersetzen sollen, dabei ist die Erklärung eigentlich recht simpel.

Die Daten aller drei Vakzine, die in der EU im Einsatz sind, überzeugen – genau deswegen wurden sie auch zugelassen.

Dennoch tun sich auch Experten in der Kommunikation schwer, schrieb nun Prof. Olliaro vom Oxford Centre for Global Health Research im renommierten medizin-wissenschaftlichen Journal The Lancet Infectious Diseases und erklärte die Wirksamkeitszahlen und ihre Bedeutung.

Verwirrende Zahlen, ein Denkfehler und viel Skepsis

Es schwirren viele Zahlen durch die Medien, demnach wäre der mRNA-Impfstoff von Biontech und Pfizer zu über 90 Prozent wirksam, der der Firma Moderna sogar zu 94,5 Prozent und der Vektorimpfstoff von AstraZeneca auch “bis zu rund 90 Prozent”.

Diese Zahlen vermitteln leider einen falschen Eindruck. Denn sie verleiten zu einem Denkfehler und suggerieren eine Aussage, die so gar nicht getroffen wird.

Denn die Hersteller haben ihre eigene Definition von “Wirksamkeit” (engl. “efficiency”).

Die Wirksamkeitsangaben basieren nämlich nicht auf der Gruppe der Ge­impften, sondern auf jener der Infizierten. Diese Wirksamkeitsangabe ist also eine relative Angabe.

Die Studienergebnisse bedeuten nicht, dass 95% der Geimpften vor Covid-19 geschützt sind. Sie sagen vielmehr aus, dass von allen Personen, die im Rahmen der Studie positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, 95 Prozent in der Placebogruppe waren – den Impfstoff also gar nicht bekommen hatten. Das ist etwas ganz anderes – aber nicht unbedingt schlechter.

Die Impfstoffe wirken, aber wie wirksam sind sie genau?

Im Falle vom Hersteller Pfizer/BionTech basieren sie auf ihrer klinischen Studie mit 43.548 freiwilligen Teilnehmern. Die Wirksamkeit des Vakzins auf mRNA-Basis wird mit etwa 95 % angegeben.

Biontech berichtete jedenfalls, dass von den über 43.000 Menschen Teilnehmern, etwa die Hälfte davon wurde geimpft wurde, die andere erhielt ein Placebo erhielt. Als nach Verabreichung der zweiten Dosis dann insgesamt 170 bestätigte COVID-19 Fälle in der Studienpopulation und zwar acht Fälle in der Impfgruppe und 162 Fälle in der Placebogruppe (die nicht den Impfstoffkandidaten erhalten hatten) erreicht waren, wurde die Studie veröffentlicht.

Diese Zahl zeigt an, wie viele Fälle symptomatischer COVID-19-Erkrankungen durch die Impfungen verhindert werden.

Berechnet wird dies mit 100 × (1 – Erkrankungsrate mit Vakzin/Erkrankungsrate mit Placebo). Konkret wird dies, wenn man eine Bevölkerungsgruppe ansieht, die der in der klinischen Studie untersuchten Gruppe ähnelt. Betrachtet wird eine kumulative COVID-19-Erkrankungsrate über einen Zeitraum von 3 Monaten, die beispielsweise bei etwa 1 % ohne Vakzin liegt, wie in den Placebo-Armen der hier betrachteten Impfstudien gesehen wurde.

Mit Vakzin würden 95 % dieser sonst erfolgten Erkrankungen nicht auftreten. Also würden tatsächlich nur etwa 0,05 % der geimpften Menschen an COVID-19 erkranken. Landläufig interpretiert man dagegen schnell, dass 95-%ige Wirksamkeit bedeutet, dass 5 % aller geimpften Menschen dennoch erkranken – versus 0,05 % Erkrankte mit der korrekten Bedeutung.

Zur Angabe der Wirksamkeit wird der Anteil der COVID-19-Fälle – also der Infizierten – in der Impfgruppe dividiert durch den Anteil der COVID-19-Fälle in der Kontrollgruppe.

Es handelt sich bei der Impfstoffwirksamkeit folglich um einen Vergleich des Risikos zwischen Geimpften und Ungeimpften. Wenn beispielsweise halb so viele Geimpfte erkranken wie Ungeimpfte, errechnet sich die Impfstoffwirksamkeit auf 50 Prozent

Im Falle der Pfizer/BionTech Studie heisst das: Wenn man diese zwei Zahlen, 162 und 8 Infizierte, ins Verhältnis setzt, kommt man auf die 95-prozentige “relative Wirksamkeit”, die von Pfizer/Biontech genannt wird. Man kann davon aber eben nicht eins zu eins auf die “Wirksamkeit in der Realität”, also die “absolute Wirksamkeit”, schließen.

Und die Angabe bezieht sich dezidiert auf die Reduktion von Infektionen, nicht aber von schweren Erkrankungen oder gar Todesfällen.

95 %: Falsch verstanden 5.000 Erkrankte von 100.000, tatsächlich nur 50 Kranke

Diese genaue Beschreibung der Erkenntnisse aus den Impfstudien ist auch bedeutsam für die weitere Vorhersage, beispielsweise wenn es um Risikoreduktion bei Populationen geht, die stärker exponiert sind, höheren Infektionszahlen ausgesetzt sind oder ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen haben.

Prof. Olliaro fasste dies noch einmal in konkreten Zahlen zusammen: Wenn eine Bevölkerung von 100.000 Menschen geimpft ist mit Schutz für 95 % dieser Personen, dann würden 5.000 Menschen im Zeitraum von 3 Monaten erkranken.

Dies, schreibt er, entspricht fast der gesamten COVID-19-Erkrankungsrate in Großbritannien. Tatsächlich werden aber statt 1000 COVID-19-Fällen in der Gruppe von 100.000 Menschen ohne Impfung nur 50 Menschen von 100 000 Menschen mit Impfung erkranken.

Konkreter Vergleich der Impfstoff-Wirksamkeit

Wir zeigen hier die Wirksamkeit der Corona-Vakzine im Vergleich auf: Bei 100 000 Menschen ohne Impfung und Annahme von 1 % Erkrankten entspricht dies 1000 Menschen mit COVID-19. Wären diese 100 000 Menschen geimpft, wäre die Zahl der Erkrankten stattdessen:

  • BioNTech/Pfizer: 50 (Wirksamkeit 95 %)
  • Moderna: 59 (Wirksamkeit 94,1 %)
  • Oxford/Astra-Zeneca: 590 – 243 (Wirksamkeit 41,0–75,7 %)

Die Zahl von Infektionen mit der Entwicklung von COVID-19-Symptomen wird demnach um 41-75 % bis zu 95 % reduziert. Neuere Daten zeigen allerdings eine deutlich höhere Wirksamkeit zur Vermeidung schwerer Verläufe/Krankenhausbehandlungen bei den Impfstoffen auf.

————–

Quellen:

¹ What does 95% COVID-19 vaccine efficacy really mean?
Publication: The Lancet Infectious Diseases
Scientist: Piero Olliaro
Date: Feb. 17, 2021
DOI: https://doi.org/10.1016/S1473-3099(21)00075-X

² Wie wirksam sind die Corona-Impfstoffe? (BR24)

³ DeutschesGesundheitsPortal.de

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

--------------------------

Linktipps

– Wie funktioniert impfen? Erklärvideo
– Corona-Impfung: Kein Einfluss auf Spermien
– Corona-Impfung: Wie gut schützt der Booster?
– Passive Impfung: Antikörper-Therapie gegen Schwere Covid-19 Verläufe
– Coronavirus-Varianten: Wie gut schützen Impfungen gegen Delta?
– Was Sie über Astra Zeneca wissen müssen – zum Download
– Corona-Reinfektion: Gefährlicher als gedacht
– Was ist ein Placebo, was ist der Placebo-Effekt?

Das könnte Ihnen auch gefallen …