Wenn Tiere krank machen: Coronavirus, BSE & Co.
Nicht nur die Rinderseuche BSE kann für uns Menschen gefährlich werden. Eine der großen Seuchen, die Pest, wurde einst von Rattenflöhen übertragen. Die Pest ist wohl die bekannteste “Zoonose” – so werden Krankheiten genannt, die vom Tier auf den Menschen übergehen können. Die Pest ist nämlich genaugenommen eine Krankheit der Nagetiere.
Die großen Pestepidemien Europas – allein zwischen 1347 und 1351 starben an der Pest 30 Millionen Menschen – wurden bekanntermaßen durch Rattenflöhe ausgelöst: Erst saugte der Floh Blut an einer Ratte, nahm dort das Bakterium Yersinia pestis auf, wechselte dann auf einen menschlichen Wirt und infizierte diesen beim nächsten Biss. Auch die “Pest des 20. Jahrhunderts”, AIDS, ist genau genommen eine Zoonose: Ursprünglich war das HI-Virus ein Erreger, der sich in Affen vermehrte, tödliche Symptome löst er im tierischen Wirt kaum aus, oft verläuft die Infektion ohne Symptomatik.
Erst als das Virus – es ist inzwischen für 18 verschiedene Affenarten nachgewiesen, übertragungen auf den Menschen gab es aber nachgewiesenermaßen nur von Schimpansen und Halsband-Mangaben – auf den Menschen wechseln und mutieren konnte, wurde es zum nach wie vor unbesiegbaren AIDS-Erreger. Pessimisten bezeichnen BSE schon als “Pest des 21. Jahrhunderts”: Diese Rinderseuche wird weder von Bakterien noch von Viren hervorgerufen, sondern von missgebildeten Eiweissstoffen, von Prionen.
BSE entstand, weil Schafe, die an Scrapie – einer über Jahrhunderte belegten Schafkrankheit – verendet waren, bei zu niederen Temperaturen zu Tiermehl verarbeitet worden waren. Dieses wurde wiederum als Eiweiß-Zusatznahrung an Rinder verfüttert – die Prionen, welche Scrapie ausgelöst hatten, waren bei der niedrigen Verbrennungtemperatur nicht zerstört worden, und konnten auf die Rinder übergehen.
Über Rinderfleisch-Produkte gelangten sie in den Nahrungskreislauf des Menschen, wo sie eine neue Form der gehirnzerstörenden Creutzfeld-Jakob-Krankheit auslösen können. Ob mit einer CFJ-Epidemie beim Menschen zu rechnen ist, darüber sind sich die Experten uneinig, denn die Krankheit hat eine Inkubationszeit von bis zu mehreren Jahrzehnten.
Beim Ausbruch der Atemwegserkrankung durch das Coronavirus (COVID-19 bzw. SARS-CoV-2) – es gehört zur gleichen Gruppe der Coronaviren wie SARS- und MERS-Virus (ß-Coronaviren) – nimmt an, dass der Vorläufer des neuartigen Coronavirus von Wildtieren (ziemlich sicher einem Säugetier) stammt. Es wird davon ausgegangen, dass sich die ersten Patienten Anfang Dezember 2019 auf einem Markt in Wuhan, in der Provinz Hubei, China, angesteckt haben, der am 1.1.2020 geschlossen wurde.
Viren contra Menschen
Nur wenige Tage braucht dagegen das Grippe-Virus, um Wirkung zu zeigen, und auch die Grippe kann tierischen Ursprungs sein. 1997 wurden in Hongkong über eine Million Hühner getötet, weil einige Menschen an einem neuen, vermutlich in Hühnern mutierten Grippevirus verstorben waren. Leicht mit einer Grippe verwechselt werden kann eine andere “Vogel-Zoonose”: die Papageien-Krankheit oder Psittacose. Sie heißt so, weil sie zuerst bei Psittaciden, also bei Papageien-Vögeln, festgestellt wurde. Heute wird sie richtiger Ornithose genannt, weil sie alle Vogelarten befallen kann.
Ornithose wird durch Chlamydien hervorgerufen – beim Menschen können Erreger dieser Art auch eine Geschlechtskrankheit bewirken. Bei einer Ornithose-übertragung zeigen sich Symptome einer Grippe oder Lungenentzündung, doch die üblichen Antibiotika bleiben wirkungslos, es muss speziell gegen Chlamydien behandelt werden. übertragen werden diese durch den Speichel der Vögel, gegebenenfalls auch durch Federstaub, weil beim Putzen Chlamydien aufs Gefieder gelangen können.
Befallene Vögel zeigen Niesen, tränende Augen, Röcheln, Durchfall. Die Infektion kann aber auch ohne deutliche Symptome verlaufen. Die Ornithose ist gar nicht so selten, zur übertragung auf den Menschen muss aber ein intensiver Kontakt bestehen: So ist etwa eine Ansteckung möglich, wenn ein sehr zahmer Papagei Nüsse von den Lippen seines Besitzers nimmt.
“Zufällige” Ansteckungen sind nicht nachgewiesen, betroffen waren bislang ausschließlich Vogelhalter, die engen Kontakt zu ihren Lieblingen hatten. Auch Reptilien können Krankheitserreger übertragen: “Leguane küsst man nicht!” wurde vor nicht allzu langer Zeit in den USA gewarnt. Es hatte einige Fälle von Salmonellen-Infektionen gegeben, wobei die Keime von als Haustiere gehaltenen Echsen oder Schildkröten stammten.
Auch hier ist aber Intimkontakt nötig gewesen und ein besonderer Erreger – denn in den meisten Fällen sind jene Salmonellen-Arten, die Tiere beherbergen, für den Menschen harmlos. Eigentlich können nur sehr wenige Tier-Erkrankungen für Menschen Risiken beherbergen, dennoch wird gerade in jüngster Zeit vehement mit der “Haustier-Bakterienangst” für Desinfektionsmittel geworben: Bunte Reklamespots sollen signalisieren, dass selbst der Haushund von gefährlichen Keimen nur so wimmelt. Hygiene-Experten warnen vor solcher Hysterie: Im Durchschnittshaushalt sind Desinfektionsmittel ganz und gar überflüssig, normale Hygiene reicht völlig aus.
Der Kuss der Tiere
Im Gegenteil, der übermäßige Gebrauch von Desinfektionsmitteln kann die Entstehung von resistenten und damit wirklich gefährlichen Keimen sogar fördern. Grundsätzlich gilt: Ein gesundes Haustier – egal welcher Art – macht nicht krank. In jüngster Zeit machen sich Wissenschafter sogar wieder für tierische Parasiten stark. Früher war’s ganz selbstverständlich, dass sich Kinder hin und wieder – etwa beim Spielen in verunreinigtem Sand – mit Hunde-Wurmeiern infizieren.
Nicht sehr appetitlich, gewiss, aber mit ein bißchen Wurmtinktur war der Befall gleich wieder vorbei. Fürs Immunsystem dürfte so ein harmloser Parasiten-Kontakt wahrscheinlich sogar von Vorteil gewesen sein: In den USA wird Morbus Crohn, eine schwere, chronische Darmentzündung, mittlerweile darauf zurückgeführt, dass das für Parasitenabwehr programmierte Immunsystem aus “Arbeitsmangel” das eigene Gewebe angreift.
Gezielte Wurminfektionen sollen die Immunabwehr nun auf den “rechten Weg” zurückführen. Weniger spektakulär sind Untersuchungen in österreich. Sie haben aber definitiv gezeigt, dass Kinder, die auf dem Land aufwachsen, und noch ab und zu im Stall spielen, weitaus weniger häufig an Allergien leiden als keimfreie Stadtkinder. Fazit: In seltenen Fällen können Tiere krank machen, in der Regel machen sie aber ganz im Gegenteil gesund. – Andrea Dee
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Linktipps
– Coronavirus: Keine Ansteckungsgefahr durch Haustiere (COVID-19)
– BSE – Der lange Weg in die Krise
– ärzte raten: Kein Hirn, kein Mark
– Dünger ohne Tiermehl
– Furcht vor Rinderwahn auch in anderen Tieren
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