Angst vor dem Zahnarzt – Tipps gegen Zahnbehandlungsphobie
Das mulmige Gefühl vor dem Zahnarztbesuch kennt wohl jeder, denn angenehm sind die Behandlungen wahrlich nicht. Wenn sich aber die Angst vor einem Zahnarztbesuch zur Panik auswächst, sprechen Mediziner von einer sogenannten Zahnbehandlungsphobie, oder auch Dentalphobie – der krankhaften Angst vor dem Zahnarzt. Bereits seit 1997 ist die Zahnbehandlungsphobie eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannte psychosomatische Erkrankung, doch die Ursachen sind noch nicht völlig geklärt.
Angst vor dem Zahnarzt – Artikelübersicht:
- Zahnbehandlungsphobie
- Ursachen von Zahnbehandlungsphobie
- Überforderte Ärzte
- Narkose, Hypnose, Psychotherapie
- Verhaltensregeln für Ärzte
- Zahnbehandlungsphobie – Linktipps
In den europäischen Industriestaaten leiden Schätzungen zufolge rund 10% der Erwachsenen an Zahnbehandlungsphobie. Damit ist aber nicht das mulmige Gefühl gemeint, das fast jeden beim Anblick des Behandlungsstuhls oder beim Summen des Bohrers befällt. Die Betroffenen sehen sich schlicht außerstande, zum Zahnarzt zu gehen – manchmal dreißig Jahre lang. In Extremfällen schlucken Betroffene lieber Unmengen von Schmerztabletten und sehen ihren Zähnen beim Faulen zu als zum Zahnarzt zu gehen.
Die Betroffenen nehmen Schmerzen und den völligen Verfall ihrer Zähne in Kauf – und damit einen dramatischen Verlust an Lebensqualität. Aus Scham wagen sie es kaum noch zu lachen oder den Mund zu öffnen. Trotzdem werden sie mit ihrer Angst nicht ernst genommen. „Für seine Zahnarztphobie muss sich niemand schämen“, betont Zahnarzt Dr. Michael Leu, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahnbehandlungsphobie. „Sie betrifft auch Extremsportler, Skirennfahrer und Führungskräfte.“
Zahnbehandlungsphobie – die krankhafte Angst vor dem Besuch beim Zahnarzt
Eine Zahnbehandlungsphobie bezeichnet eine übersteigerte, krankhafte Angst vor jeder Zahnbehandlung. Diese Angst führt fast immer zu einer jahrelangen Vermeidung zahnärztlicher Behandlungen und ist oft so ausgeprägt, dass Betroffene selbst dann nicht zum Zahnarzt gehen, wenn es bitter nötig ist. Dabei sind sich die Betroffenen nicht bewusst, dass starke Zahnprobleme, die jahrelang unbehandelt bleiben, unter Umständen sogar lebensgefährlich sein können.
Die Zahnarztphobie, wie die Zahnbehandlungsphobie auch häufig bezeichnet wird, zählt als spezifische Phobie zur Gruppe der einfachen Phobien. Zahnarztphobiepatienten unterscheiden sich von Patienten mit “herkömmlicher” Angst vor dem Zahnarztbesuch neben einem extrem hohen Angstausmaß, vor allem durch die strikte Vermeidung des Zahnarztbesuches. Dabei können alle möglichen Objekte und Situationen, die mit der Zahnbehandlung assoziiert werden als angstauslösend dienen. Der Übergang von der normalen zur phobieartigen Angst kann übergehend sein.
Ursachen der Zahnbehandlungsphobie
Negative Erfahrungen in der Kindheit und traumatische Erlebnisse während einer Zahnbehandlung sind häufige, aber nicht alleinige Ursache der Zahnbehandlungsphobie. Der drohender Verlust der Selbstkontrolle und das damit verbundene Gefühl ausgeliefert zu sein können ebenso Faktoren sein, wie die Angst vor unbekannten und unvorhersehbaren Abläufen während einer Zahnbehandlung. Auch Erzählungen aus dem sozialen Umfeld können zu unterschiedlich stark ausgeprägter Zahnarztangst führen.
Tatsächlich liegen aber noch viele Ursachen im Dunkeln, jüngere Forschungsergebnissedeuten auch die Möglichkeit einer genetische Veranlagung an: Traumatische Erlebnisse in der Kindheit scheinen bei entsprechend veranlagten Menschen zur ständigen Überaktivierung der Stresszentren im Gehirn zu führen.
Gepeinigte Patienten, überforderte Ärzte
Wer seinen ganzen Mut zusammen nimmt, erlebt nicht selten ein Fiasko. „Für Phobiepatienten sind die Tage vor einem Zahnarzttermin eine emotionale Katastrophe“, beschreibt Andrea Herold ihre Erlebnisse.
Andrea Herold fühlte sich jahrelang wie im Gefängnis. „Schon die Geräusche und Gerüche einer Zahnarztpraxis waren für mich die Hölle“, erzählt die 48-jährige Leipzigerin. „Ich habe alles vermieden, was damit zusammenhängt und fühlte mich meiner Angst komplett ausgeliefert.“ 23 Jahre lang war sie nicht beim Zahnarzt, ihre Zähne waren trotz guter Pflege in einem katastrophalem Zustand.
Viele schaffen es, ihre Panik zunächst zu unterdrücken. Doch ein falsches Wort, eine unbedachte Reaktion des Zahnarztes, und die mühsam aufrechterhaltene Fassade stürzt ein: Der Patient erleidet eine Panikattacke mit Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüchen und Übelkeit. „Schon eine einfache Untersuchung des Mundraums kann die Grenzen des Erträglichen überschreiten“, sagt Herold.
Da in der zahnmedizinischen Ausbildung keine psychosomatischen Grundlagen vermittelt werden, fühlen sich Zahnärzte von den heftigen Reaktionen oft überfordert. So gerät die Situation schnell außer Kontrolle: Der Patient flüchtet aus der Praxis und meidet die Situation für viele weitere Jahre. „Wir Zahnärzte sind im Prinzip Handwerker“, sagt Leu. „Nur wenige haben ein Gespür dafür, wie es dem Patienten geht und wählen ihre Worte so, dass sich die körperlichen Reaktionen beruhigen.“
Tipps: Narkose, Hypnose, Psychotherapie – was hilft am besten?
Damit sich besonders ängstliche Patienten während der Behandlung entspannen können, setzen Zahnärzte verschiedene Verfahren ein – von empathischer Zuwendung und Entspannungsübungen über medizinische Hypnose und Akupunktur bis zu Beruhigungs- und Narkosemitteln.
Bei Zahnbehandlungsphobie kann auch eine Verhaltenstherapie, die zumeist auch von der Krankenkasse bezahlt wird, sinnvoll sein. Im Rahmen dieser Therapie erlernen betroffene Patienten Strategien, die Angst so zu beherrschen, dass eine Behandlung beim Zahnarzt wieder möglich ist (70 % Erfolg). Letztendlich kann die Angst als psychische Erkrankung nachhaltig allerdings nur durch psychotherapeutische Therapieansätze gebessert oder geheilt werden.
Doch bis Patienten von diesen vielfältigen Möglichkeiten profitieren können, müssen Zahnarztphobiker manche Hürde nehmen. „Für viele ist es bereits eine große Überwindung, sich über die bestehenden Möglichkeiten zu informieren“, erklärt Andrea Herold, die inzwischen selbst Betroffene – auch Patienten aus Österreich – berät und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Zahnbehandlungsphobie ist. „Manche brauchen Jahre, bis sie sich trauen, in einem Phobiepatientenberatungsbüro anzurufen.“ In vielen Gesprächen versucht sie, schrittweise das Vertrauen bei Patienten aufzubauen
Erst wenn Vertrauen aufgebaut ist, sehen sich die Patienten in der Lage, einen Termin beim Zahnarzt zu vereinbaren. Beim Erstgespräch ist dessen Feingefühl besonders gefordert. „Der Patient braucht das Gefühl, respektiert und ernst genommen zu werden“, betont Leu, der mit der Deutschen Gesellschaft für Zahnbehandlungsphobie e.V. ein Netzwerk mit Zahnärzten und Anästhesisten aufgebaut hat, die sich auf Zahnarztphobie spezialisiert haben. In Österreich finden Sie an folgender Adresse zahnärztliche Spezialisten für Zahnarztangst.
Verhaltensregeln für Ärzte
Folgende einfache Verhaltensregeln können Ärzte nutzen um ihren Patienten zu helfen.
- Information
- Verkürzen der Leidenszeit
- Schmerz- und Beruhigungsmittel
- Mitgefühl
Wie jeder andere Arzt auch, sollte der Zahnarzt vor der Behandlung darüber informieren, was er grundsätzlich vorhat, und vor jedem einzelnen Behandlungsschritt nochmals ankündigen, was als Nächstes passiert. Auf diese Weise lässt sich ein Erschrecken während der Behandlung vermeiden, etwa beim Einschalten des Bohrers. Vereinbaren Sie mit dem Patienten ein “Stoppsignal”, wenn es zu schmerzhaft oder unangenehm wird. Damit lässt sich auch dem Gefühl, der Situation hilflos ausgeliefert zu sein, gut vorbeugen.
Die Leidenszeit erreicht bei vielen Patienten bereits im Wartezimmer einen ersten Höhepunkt: hier können Zahnärzte ein allzu klinisches Ambiente vermeiden und Ablenkung beispielsweise durch Zeitschriften, Musik oder Fernsehen anbieten. Spezialisierte Zahnärzte bieten im Wartezimmer aber auch während der Zahnbehandlung Musik und Filme an.
Für viele ängstliche Patienten stellen Analgetika eine Hilfe dar. Hier ist größtmögliche Sensibilität gefragt um die Balance zwischen unangemessener und sinnvoller Verabreichung zu halten. Auch wenn mancher die Behandlung ohne sie durchstehen würde, sollte der Wunsch nach schmerzlindernden Mitteln erfüllt werden.
Auch wenn es übertrieben klingt, indem der behandelne Arzt Mitgefühl zeigt, kann er dem Patienten Ängste nehmen. Indem er während der Behandlung regelmäßig nachfragt, ob sie für den Patienten erträglich ist, zeigt er, dass er die Ängste ernst nimmt und bringt so etwas Lockerheit in die angespannte Situation.
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Quellen:
– Deutsche Gesellschaft für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde
– Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
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Linktipps
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