Phobien: Angst vor allem und jedem

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Phobien: Angst vor allem und jedem

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Als Phobie bezeichnet man eine Furcht und die damit verbundene Vermeidung eines Objekts, einer speziellen Situation oder einer Aktivität; Personen, die unter Höhenangst oder Furcht vor Spinnen leiden, kennt jeder.


Aber wussten Sie, dass es Menschen gibt, die panische Angst vor Clowns haben (Coulrophobie)? Oder dass Papaphobie die Angst vor dem Papst ist? So witzig manche Phobien auch klingen, so sehr sind sie ernst zu nehmen, denn für Betroffene sind diese Ängste alles andere als lustig. Phobien gehören zu den häufigsten psychischen Störungen – geschätzte 10 bis 30 % der Bevölkerung leiden darunter.

Der Treffpunkt für Coulrophobiker ist übrigens Ihateclowns.com. Sie alle verbindet eines: ihre Panik vor Clowns. Da schreibt eine Betroffene, dass sie einen Weinkrampf bekam, als ein als Clown Verkleideter kürzlich vor dem örtlichen Supermarkt Werbezettel verteilte.

Die Liste der – für Außenstehende – reichlich seltsame Phobien scheint fast unendlich. Phobien zählen zur Gruppe der Psychosen – rund 600 Phobien finden sich auf einschlägigen Listen im Internet, von A wie Ablutophobie (Angst vor dem Waschen) bis Z wie Zoophobie (Angst vor Tieren).

Was für Nicht-Phobiker fast lächerlich erscheint, ist für die Betroffenen bitterer Ernst. “Eine Phobie schränkt denjenigen, der darunter leidet, in seinem Leben ein”, erklärt die Kunsttherapeutin Annemarie Heindl, die beruflich oft mit Phobikern zu tun hat. Denn Angst an sich sei nichts Schlechtes, sie schützt uns vor Gefahren – von einer Angststörung oder Phobie spricht man erst, wenn sie den Betroffenen beeinträchtigt.

Regenwürmer & Schmetterlinge – was alles Angst bereiten kann

Auch Heindl hat während ihrer Laufbahn schon Bekanntschaft mit außergewöhnlichen Ängsten gemacht. “Eine Klientin hatte Panik vor Regenwürmern. Sie konnte keine Erde anfassen, aus Angst, dass ein Wurm darin war. Bei Regen ging sie kaum mehr nach draußen.

Sogar Autofahren bei Regen fiel ihr schwer, weil sie den Gedanken, Regenwürmer zu überrollen, nicht ertragen konnte.” Eine andere Klientin hatte derartige Angst vor Schmetterlingen, dass sie regelrecht davonlief, sobald sie eines der Tiere sah.

Verschobene Angst

Für die Entstehung solcher Phobien gibt es keine allgemein gültige Erklärung, die Auslöser können vielfältig sein. Einerseits kann ein traumatisches Erlebnis, das direkt mit dem Objekt der Angst zusammenhing, die Phobie auslösen.

Ein weiteres Erklärungsmodell ist die so genannte Verschiebung, bei der die Angst vor etwas Bestimmtem auf ein anderes Objekt projiziert wird.

“Ein Kind kann zum Beispiel Angst davor haben, von der Mutter verlassen zu werden. Stattdessen entwickelt sich aber eine Furcht vor der Dunkelheit, da diese mit der Trennung verbunden wird. Auch als Erwachsener kann sich diese Person dann noch immer vor der Dunkelheit fürchten”, sagt Heindl. Der Betroffene hat die ursprüngliche Angst oft tief in seinem Unterbewusstsein vergraben.

Ausweg Therapie

Eine Möglichkeit, die Angst zu bekämpfen, stellt die Therapie dar. Mit ihrer Hilfe können die vergrabenen Ursprünge sozusagen freigelegt – und damit verarbeitbar gemacht – werden. Das Erlebte wird verbal verarbeitet. Die plötzliche, direkte Konfrontation mit dem Objekt der Angst – umgangssprachlich als “Schocktherapie” bekannt – sieht Heindl kritisch: “Auf keinen Fall sollte das ohne Einverständnis des Betroffenen geschehen.

Erst muss man sich mit der Thematik auseinandersetzen; im Falle der Wurmphobikerin zum Beispiel mit dem Lebensraum dieser Tiere und ihrem Platz im Kreislauf der Natur. Danach kann man denjenigen mit Bildern von Regenwürmern konfrontieren, mit Plastikwürmern – die echten Tiere stehen erst ganz am Ende des Prozesses.”

Von einer gänzlichen “Heilung” kann jedoch in den seltensten Fällen gesprochen werden. Aber: “Das Ziel ist, dass der Betroffene nicht mehr darunter leidet”, sagt Heindl. Der Wurmphobiker wird sich weiterhin vor Würmern ekeln, aber es schränkt sein Leben nicht mehr ein. Und die Coulrophobikerin kann wieder in Ruhe einkaufen gehen.

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[joschö]

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

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Linktipps

– Was ist Angst?
– Agoraphobie – Ursachen, Symptome, Hilfe
– Schulangst – Schulphobie
– Flugangst (Aviophobie)
– Erklärvideo: Was bedeutet eigentlich Muffensausen?
– Erklärvideo: Warum zittern wir vor Angst?
– Psychotherapeutischer Bereitschaftsdienst Wien

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