Antibiotikaresistenz: wenn Antibiotika nicht mehr wirken

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Antibiotikaresistenz: wenn Antibiotika nicht mehr wirken

Antibiotika sind Stoffwechselprodukte von Pilzen oder Bakterien, die schon in geringer Konzentration in der Lage sind, das Wachstum von anderen Mikroorganismen zu hemmen oder diese abzutöten.


Diese Eigenschaft macht sie zu den wichtigsten Arzneimitteln zur Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten. Antibiotika zählen daher auch zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Durch resistente Keime bleiben sie allerdings immer häufiger wirkungslos.

Antibiotikaresistenz – Artikelübersicht:

Das Auftreten von Antibiotikaresistenzen beruht auf der Anpassungsfähigkeit der Mikroorganismen, also die gesteigerte Widerstandsfähigkeit von Bakterienstämmen gegen ein Antibiotikum. Sie stellt die Humanmedizin vor enorme Probleme und veranlasst die Pharmaindustrie nun fieberhaft nach neuen Medikamenten zu forschen.

Untersuchungen belegen eindeutig: die Zahl resistenter Keime hat in den letzten zehn Jahren stark zugenommen. Nach Ansicht vieler Experten liegt der Grund, dass viele Antibiotika nicht mehr wirken, vor allem am verantwortungslosen Einsatz dieser Medikamente. Nicht nur in der Humanmedizin, also beim Menschen, sondern ganz besonders auch beim übertriebenen Einsatz in der Vetrerinärmedizin.

Das Problem mit der Resistenz der Bakterien ist lange bekannt – bereits wenige Jahre nach der Anwendung der Antibiotika waren die Menschen mit der Resistenzentwicklung konfrontiert. Reagiert wurde vergleichsweise spät, nur langsam wurde dem verantwortungsvollen Einsatz dieser Arzneimittel Aufmerksamkeit geschenkt.

In Österreich hält AURES – der österreichische Antibiotikaresistenz-Bericht – die Entwicklungen in diesem Bereich jährlich fest. Ziel ist die nachhaltige, vergleichbare und repräsentative Berichterstattung über Daten aus bestehenden österreichischen Datenquellen und deren Vergleich mit internationalen Daten. Der AURES soll damit zur Optimierung des Einsatzes antimikrobieller Substanzen in Österreich beitragen.

Ausgangslage

Es wird grundsätzlich zwischen natürlichen und künstlich hergestellten Antibiotika (abgeleitet von Antibiose – gr. Anti = gegen und bios = Leben) unterschieden. Die meisten heute auf dem Markt befindlichen Antibiotika leiten sich von Naturstoffen, hauptsächlich von Pilzen und Bakterien, ab.

Das bekannteste natürliche Antibiotikum ist das Penicillin, das von Alexander Fleming im Jahr 1928 entdeckt wurde. Er bemerkte die beachtliche Wirkung bestimmter Substanzen, die im Schimmelpilz Penicillium vorhanden sind auf Bakterien. Der Wirkstoff konnte allerdings erst viele Jahre später in so großer Menge gewonnen werden, dass er als Medikament eingesetzt werden konnte.

Es werden drei Wirkungsmechanismen unterschieden:

  • Bakterien werden an der Vermehrung gehindert (bakteriostatisch)
  • Bakterien werden zwar getötet, sind aber weiterhin physisch vorhanden (bakterizid)
  • Bakterien werden getötet, ihre Zellwand wird aufgelöst (bakteriolytisch)

Gegen Viren sind Antibiotika wohlgemerkt wirkungslos.

Wenn ein Bakterium resistent gegen ein Antibiotikum wird, bedeutet das, dass die minimale Konzentration an Antibiotikum (MHK), die ursprünglich das Bakterium im Wachstum gehindert hat, nicht mehr wirkt und das Bakterium nicht mehr am Wachstum gehindert wird. Man geht davon aus, dass Mikroorganismen beinahe gegen jedes Antibiotikum Resistenzen entwickeln können.

Warum gibt es Resistenzen gegen Antibiotika?

Wenn Antibiotika gegen bakterielle Krankheitserreger nicht mehr wirken, kann dies zahlreiche Ursachen haben. Ein Grund dafür ist zweifellos der sorglose Einsatz dieser Stoffe und die unkritische Anwendung sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin.

Allein in Österreich wurden im Jahr 2018 laut Angaben der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) mehr als 70 Tonnen Antibiotika in der Humanmedizin eingesetzt, dazu kommen noch rund 50 Tonnen für die Veterinärmedizin. In den letzten Jahren ist der Verbrauch weltweit um etwa 65 Prozent gestiegen, so die Ergebnisse einer Studie im Fachjournal PNAS.

Professor Frank Brunkhorst von der Uni Jena: “Wir wissen, dass im ambulanten Bereich viele Virusinfekte mit Antibiotika behandelt werden – was unsinnig ist. Hinzu kommt, dass der Preisverfall der Antibiotika, weil das Patent ausläuft, eben auch dazu beiträgt, dass Ärzte sie viel leichtfertiger verschreiben.” so der Facharzt für Intensivmedizin.

In der Humanmedizin werden die Verwendung von antibakteriellen Wirkstoffen für die Behandlung viraler Infektionen, der ungerechtfertigte Einsatz von Substanzen mit extrem breitem Wirkspektrum, ein zu langer „prophylaktischer“ Antibiotikaeinsatz bei chirurgischen Eingriffen und der Einsatz von Antibiotika bei bloßer Kolonisierung (und nicht Infektion) des Patienten/der PatientIn als die wesentlichen Ursachen des Resistenzproblems angesehen.

Für viele Menschen sind bereits erste Anzeichen etwa eines grippalen Infekts Anlass genug, sich beim Arzt ein Rezept für ein Antibiotikum zu besorgen, um möglichst bald wieder auf die Beine zu kommen.

Es wird davon ausgegangen, dass jedes dritte Antibiotikum bei uns unnötig und fehlerhaft verschrieben wird.

Die schnelle Hilfe via Pille hat jedenfalls tiefgreifende Auswirkungen: Durch eine Art “Gewöhungseffekt” steigt und steigt die Zahl resistenter Keime. Mit diesem Verhalten und den daraus resultierenden Therapieforderungen tragen Patienten (bei Kindern deren Eltern) ebenfalls zur missbräuchlichen Verwendung von Antibiotika bei.¹

Das Auftreten von durch resistente Keime ausgelösten Infektionen führt nicht nur zu einer zeitlichen Verlängerung einer angemessenen Therapie sondern auch zu einem erhöhten Pflegeaufwand. Durch die Vermeidung von Antibiotikaresistenzen wird daher neben der Verbesserung der Versorgungsqualität der Patient innen und Patienten auch ein finanzieller Einsparungseffekt im Gesundheitswesen erzielt.

Maßnahmen gegen Antibiotikaresistenz dringend notwendig

Die zunehmende Antibiotikaresistenz humanpathogener Erreger stellt heute ein Problem dar, welches von allen beteiligten Bereichen (Humanmedizin, Veterinärmedizin, primäre Tierproduktion, Lebensmittelverarbeitung und Lebensmittelzubereitung, Verbrauchern) die Bereitschaft erfordert, in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich die Verantwortung dafür wahrzunehmen, dass die Entstehung und die Weiterverbreitung von antimikrobieller Resistenz hintan gehalten wird.

Die Europäische Union hat inzwischen erkannt, dass sie schnell handeln muss: “New Drugs For New Bugs” heißt ein erster Lösungsansatz, zu deutsch “Neue Medizin für böse Erreger”. Im Rahmen eines millionenschweren Programms soll ein Forschungsverbund, bestehend aus Pharma-Herstellern und Uni-Kliniken in ganz Europa, rasch neue Medikamente entwickeln. Dabei werden ganz neue Ansätze für die Industrie geschaffen, diese scheinen auch dringend notwendig zumal die Pharmakonzerne auf das Problem mit resistenten Keimen bisher sehr zurückhaltend reagiert hat.

Anstatt nämlich neue Antibiotika zu entwickeln, haben sich die Hersteller offenbar auf die Produktion lukrativerer Medikamente konzentriert. Aus der Vermarktung von Arzneimitteln gegen chronische Krankheiten – etwa Alzheimer oder Parkinson versprach sich die Pharmaindustrie natürlich mehr Profit: Wenn Sie 30 Jahre lang eine “Drug” nehmen, rechnet sich das viel besser, als wenn Sie nur 10 Tage lang ein Antibiotikum nehmen müssen”, erklärt Prof. Frank Brunkhorst.

Mit der neuen Initiative möchte die EU nun eine Art “Win-Win-Situation” für alle Beteiligten schaffen: Während der Patient möglichst schnell über neue, wirksame Medikamente verfügen soll, stellt die EU den Pharma-Konzernen eine Patent-Verlängerung in Aussicht – so dass diese am neu entwickelten Medikament länger verdienen können.

In Österreich fand am 15.11.2013 ein Symposium zum 6. Europäischen Antibiotikatag statt, welches sich mit der Thematik der Antimikrobiellen Resistenz im Human- und Veterinärbereich und mit dem Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung der Antimikrobiellen Resistenz beschäftigte.

Ziel der nationale Initiative zur Eindämmung der Resistenz gegen antimikrobielle Substanzen war es, gemeinsam mit dem Lebensmittel- und Veterinärbereich den NAP – AMR (= Nationaler Aktionsplan – Antimikrobielle Resistenz) bis Ende 2013 zu erarbeiten, welcher Maßnahmen enthält, um insbesondere Hygiene, Infektionsprävention und Diagnostik von Infektionskrankheiten zu verbessern.

Außerdem soll die Bevölkerung im Bereich der Berichterstattung und Information besser über die Entstehungsmechanismen von Antibiotikaresistenz informiert werden.

Alternative Lösungsansätze im Kampf gegen resistente Bakterien und Superbugs

Unter sogenannten „Superbugs“ versteht man Bakterien, gegen die es kaum mehr Medikamente gibt, also Krankheitserreger, die gegen die meisten Antibiotika resistent geworden sind. Doch was könnten zukünftig – abgesehen von der Einhaltung von Hygienegrundregeln und einer richtigen Antibiotikaverschreibung – wirksame Ansätze im Kampf gegen multiresistente Keime sein? Ein Überblick (DER STANDARD v. 30.9.2020):

  • Phagentherapie 2.0
  • Phagen sind eine Gruppe von Viren, die auf Wirtszellen spezialisiert sind und so gezielt zum Einsatz kommen könnten.

  • Neue Antibiotika via AI
  • Künstliche Intelligenz (AI) kann dabei behilflich sein mittels Algorithmen neue Antibiotika aus riesigen Molekülpools zu ermitteln.

  • Snapps
  • Snapps (Structurally nanoengineered antimicrobial polypeptide polymers) sind künstlich hergestellte Moleküle (Antimikrobielle Peptide) zur bekämpfung von Superbugs.

  • Drachenblut
  • Blut und Speichel der indonesischen Kommodovarane enthalten offenbar Proteine, die möglicherweise zu Immunität gegen viele Bakterienarten führen könnten.

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Quellen:

¹ Andersson DI, Hughes D (2010) Antibiotic resistance and its cost: is it possible to reverse resistance? (Nature Reviews Microbiology 8: 260-271)
² AURES: Resistenzberichte Österreich

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Linktipps

– Was sind Antibiotika
– Der richtige Umgang mit Antibiotika
– Phagen als Arzneimittel gegen bakterielle Infektionen
– Riskante Antibiotika-Schnellschüsse
– Tuberkulose – Ursache, Symptome & Therapie

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