Was tun bei Harninkontinenz?

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Was tun bei Harninkontinenz?

Harninkontinenz bedeutet unwillkürlichen Harnverlust tagsüber oder auch nachts. Oft sind schon junge Frauen überdurchschnittlich häufig betroffen, wobei das Risiko mit zunehmenden Alter steigt. Bei Frauen sind oft Schwangerschaft und Geburt die Ursache, bei Männern spielt häufig die Prostata eine Rolle. Doch was tun bei Harninkontinenz?


Harninkontinenz – Artikelübersicht:

Harninkontinenz hat viele Ursachen

Blasenschwäche, wie die Inkontinenz im allgemeinen Sprachgebrauch häufig genannt wird, kann verschiedene Ursachen haben. Inkontinenz ist ein sehr intimes und unangenehmes Problem, das sollte Betroffenen aber keinesfalls vom Gang zum Arzt abhalten. Wichtig ist es nämlich herauszufinden um welche Form von Inkontinenz es sich handelt – einerseits, um der Ursache auf die Spur zu kommen, andererseits, um die optimale Therapie zu finden. Behandlungsmöglichkeiten gibt es mittlerweile genug, allerdings gibt keine pauschalen Therapieempfehlungen bei Inkontinenz.

Wir haben mit Univ. Prof. Dr. Engelbert Hanzal, Leiter der gynäkologischen Ambulanz der Medizinischen Universitätsfrauenklinik Wien, darüber gesprochen, welche Formen der Blaseninkontinenz es gibt und wie sie behandelt werden können.

Harninkontinenz – Interview mit Univ. Prof. Dr. Engelbert Dr. Hanzal

 

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Blasenschwäche ist ein weit verbreitetes Leiden. Gerade Frauen leiden oft darunter, körperlich und meist noch stärker psychisch. Nach wie vor gilt sie als Tabu-Krankheit …

Dr. Hanzal: Man weiß aus Erfahrung, dass sich Menschen im fortgeschrittenen Stadium der Inkontinenz zurückziehen und nicht mehr an sozialen Aktivitäten teilnehmen. Das ist schade, weil den Betroffenen geholfen werden kann.

Anmerkung: Die Therapie basiert auf drei großen Säulen: Physiotherapeutische Maßnahmen, medikamentöse oder operative Möglichkeiten werden je nach Problemlage angewendet.

Dr. Hanzal: Man steckt sich Therapieziele mit den Betroffenen. Diese Ziele müssen dann erreicht werden.

Anmerkung: Zunächst erfolgt die genaue Analyse des Problems. Leider sprechen immer noch zu wenige Betroffene das Problem aktiv an. Selbst beim Arzt ist es kein einfaches Thema, wie es diese junge Frau aus eigener Erfahrung weiß.

Anonyme Patientin:
Das Problem ist, dass die Schwäche nicht sofort da war, sondern nach und nach immer stärker geworden ist. Ich habe es zunächst verdrängt und mit Einlagen versucht in den Griff zu bekommen. Schließlich wollte ich jedoch nicht mehr unter Menschen gehen. Das ging so weit, dass ich meinen Arbeitsplatz nicht mehr besuchen konnte. Es vergingen circa eineinhalb Jahre bis ich zum Arzt gegangen bin und dieser hat mir dann zahlreiche Untersuchungen verordnet und auch aufgezeigt, welche Möglichkeiten es für mich gibt.

Anmerkung: Diese Basisdiagnostik der Blaseninkontinenz führte dann zu einer Klassifizierung in drei Hauptgruppen. Mediziner sprechen von der Stressinkontinenz, der Dranginkontinenz und einer Form der Mischinkontinenz. Die Abklärung besteht darin,…

Dr. Hanzal: …dass man eine Infektion der Harnwege ausschließt, darin dass man eine Restharnbestimmung macht, also untersucht ob die Blase immer vollständig entleert werden kann und eine Untersuchung um zu sehen, ob es zu einer Verlagerung der Organe gekommen ist, so wie es nicht selten der Fall ist. Es gibt auch den sogenannten Hustetest, bei dem die Patientin mit voller Blase zum Husten aufgefordert wird. Und an diesem Test kann man dann direkt einen eventuellen Harnverlust beobachten und sehen ob wirklich eine Harnröhrenschwäche vorliegt. Eine sehr wichtige Untersuchungsmaßnahme ist auch das Blasentagebuch, in dem die Patientinnen über zwei oder drei Tage ihre Trinkmengen und Harnmengen messen und aufschreiben und auch notieren, wann ein Harnverlust auftritt.

Anmerkung: Viele, auch oft auch sehr junge Frauen leiden an der Stressinkontinenz. Gerade beim Sport, beim Niesen oder Husten kann es zu einem Harnverlust kommen.

Dr. Hanzal: Wenn die Harnröhre schwach wird, kommt es typischerweise zum Harnverlust, vor allem in Situationen, bei denen der Druck im Bauchraum ansteigt.

Anmerkung: Hier hat sich das sogenannte Beckenbodentraining als effizienteste Therapieform etabliert. Physiotherapeutin Christine Stelzhammer erklärt ihren Patientinnen, anhand eines Modells warum das Beckenbodentraining so wichtig ist.

Fr. Stelzhammer: Der Beckenboden ist eine sehr versteckte Körperregion. Man sieht ihn nicht und es gibt keine Bewegung, die dem Beckenboden äußerlich, sichtbar zugeordnet werden kann, darum muss am Anfang mit der Patientin das richtige Spüren und anspannen des Beckenbodens erarbeitet werden und darauf aufbauend wird ein Training im Bereich von Ausdauer und Krafttraining gemacht. Dieses hat zum Ziel, das die Patientin in der Lage ist den Beckenboden im Alltag wieder gezielt einzusetzen.

Anmerkung: Bei nicht allen Patientinnen reicht das Beckenbodentraining aus um ihre Blasenfunktionen wiederherzustellen. Für jene, die damit keinen hinreichenden Effekt erzielen konnten, gibt es operative Möglichkeiten.

Dr. Hanzal: Hier gibt es das sogenannte spannungsfreie Scheidenband, auch TVT-Band (Tensionfree Vaginal Tape) genannt, das in den Neunzigerjahren entwickelt wurde.

Anmerkung: Dabei wird ein Band unter die Harnröhre gelegt, das bei Belastung einen Druck auf die Harnröhre ausübt und so einen unerwünschten Harnabgang vermeidet.

Dr. Hanzal: Diese Operation dauert in etwa 20 bis 30 Minuten und der Spitalsaufenthalt kann hier sehr kurz gestaltet werden. Meistens sind es nur wenige Tage, die man dort verbringen muss.

Anmerkung:
Eine weitere Hauptgruppe der Inkontinenz ist die sogenannte…

Dr. Hanzal:
… überaktive Blase oder „Dranginkontinenz“. Dies ist ein Harnverlust, der im Zusammenhang mit einem starken Harndrang auftritt.

Anmerkung: Die Blase wird durch Nerven gesteuert und hier setzt die Therapie bei der Dranginkontinenz an.

Dr. Hanzal:
Bei der überaktiven Blase haben vor allem Medikamente ihren Platz in der Behandlung. Diese Medikamente führen dazu, dass der überaktive Blasenmuskel lockerer wird und sich nicht so oft zusammenzieht. Das Blasenvolumen wird größer und dadurch können diese Patienten behandelt werden.

Anmerkung:
Nicht selten kommt es zu einem auftreten von Mischformen, die dann eine Kombination aus den eben besagten Therapiemöglichkeiten nötig macht.

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¹ Medizinische Kontinenzgesellschaft Österreich

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