Entzündliches Rheuma | Experteninterview

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Entzündliches Rheuma bedeuten große Schmerzen

Je früher entzündliches Rheuma diagnostiziert wird, umso wirkungsvoller lassen sich die Symptome bekämpfen. Leider ist die Diagnose nicht immer einfach, denn Rheuma ist nicht gleich Rheuma und so vergehen oftmals viele Monate bevor die betroffenen Patienten eine richtige Diagnose erhalten.


Universitätsprofessor Dr. Ludwig Erlacher gibt im Interview Auskunft darüber, warum gerade hier eine schnelle Diagnose von großer Relevanz ist und interdisziplinäre Zusammenarbeit enorm wichtig ist.

Entzündliches Rheuma – Artikelübersicht:

Wenn sich Wissenschaftler und Experten zum Thema Rheuma versammeln und ihre neuesten Erkenntnisse präsentieren und diskutieren, dann tun sie es auch immer mit dem Anspruch der interdisziplinären Notwendigkeit ihres Faches gerecht zu werden, soll heißen, dass Rheumaerkrankungen bei entzündlichen Verlaufsformen nicht nur Gelenke betreffen, sondern in der Folge mit unter auch an Gefäßen, Organen und im Darm Entzündungen hervorrufen können.

Wobei die ersten Monate einer solchen Erkrankung stellen ein sogenanntes „therapeutisches Fenster“ dar. Innerhalb dieser Zeit kann der immunologische Prozess
noch gestoppt oder nachhaltig verändert werden.

Und damit ist die Zusammenarbeit zwischen Rheumatologen, Gastroenterologen, Orthopäden, Dermatologen, Radiologen und physikalischen Medizinern, um nur einige zu nennen, äußerst wichtig. Die anderen Fachärzte profitieren wiederum von den Erkenntnissen der Rheumatologen, denn gerade in diesem Fall, haben sich in den letzten Jahren ungeahnte Behandlungsmöglichkeiten ergeben, wie auch der Wiener Universitätsprofessor Dr. Ludwig Erlacher im Interview mit der Medizin-Mediathek www.vielgesundheit.at bestätigt.

Entzündliches Rheuma – Interview mit Univ. Prof. Dr. Erlacher

Dr. Erlacher: Die Rheumatologie ist heute ein so interessantes Fach geworden, weil wir in den letzten zehn bis 15 Jahren eine unglaubliche Revolution an therapeutischen Möglichkeiten bekommen haben. Ausgehend von wissenschaftlichen Untersuchungen wissen wir heute ziemlich genau wie die Entzündung sich in den Gelenken abspielt und welche Botenstoffe für die Entzündung verantwortlich sind. Mithilfe moderner Medikamente (den sogenannten Biologika) kann man ganz gezielt in diesen Entzündungsprozess eingreifen.

Anmerkung: Die längste Erfahrung mit diesen gentechnisch hergestellten Medikamenten hat man seit über zehn Jahren bei den sogenannten TNF-Blockern.

Dr. Erlacher: Diese blockieren den entzündungsführenden Botenstoff Tumornekrosefaktor-alpha.

Anmerkung: War früher bei Rheuma die Linderung und Behandlung der Schmerzen im Vordergrund, gilt es heute im besten fall einen Stillstand dieser chronischen, in Schüben auftretenden Krankheit zu erreichen.

Dr. Erlacher: Das Ziel muss vor allem bei jungen Patienten und Patientinnen (viele Rheumapatientinnen sind junge Frauen) sein, dass es zu keiner fortschreitenden Gelenkszerstörung kommt. Man weiß nämlich, dass wenn die Gelenke entzündet sind, es schnell zur Zerstörung dieser kommen kann. Kommt es zur Gelenkszerstörung, dann kommt es zur Bewegungseinschränkung und daraufhin eventuell zur Arbeitslosigkeit. Diesen bösen Kreislauf kann man aber mit modernen Medikamenten durchbrechen.

Entzündliches Rheuma

Anmerkung: Das schwierige bei rheumatischen Erkrankungen ist, dass die Medikamente nicht bei jedem Patienten gleich wirken und diese daher von den Rheumatologen sehr individuell dosiert und abgestimmt werden müssen, jedoch gilt:

Dr. Erlacher: Je früher man behandelt, desto besser. Eine rasche Diagnose und eine rechtzeitiger Therapiebeginn nach dem Beginn der Schmerzen ist das Entscheidende.

Anmerkung: Deshalb sollte jeder, der regelmäßig oder über mehrere Wochen hindurch Gelenkschmerzen hat einen Rheumatologen aufsuchen.

Dr. Erlacher: Prinzipiell muss man als Rheumatologe die Patienten untersuchen indem man sie berührt. Man kann Rheumatologie nicht betreiben, wenn man sich nur Befunde durchschaut oder Untersuchungen anordnet. Die Patienten werden komplett angeschaut, es wird untersucht ob sie Gelenkschwellungen haben oder ob andere Hinweise zu finden sind, die auf eine rheumatische Gelenkserkrankung hinweisen.

Anmerkung: Infolge helfen Labor-, Ultraschall- und MR-Befunde die Diagnose zu sichern. Ist diese gestellt gilt es die Entzündung zu unterdrücken.

Dr. Erlacher: Die moderne Rheumatologie schaut so aus, dass wir alle drei Monate entscheiden müssen, ob der Patient auf die Therapie anspricht. Wenn er es nicht tut, müssen wir die Therapie verändern oder erweitern. Man kann nicht nur einmal zum Rheumatologen gehen und sich erst melden, wenn man wieder Schmerzen hat. Das Ziel muss sein keine geschwollenen oder maximal ein geschwollenes Gelenk zu haben. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, das mit den modernen Medikamenten allerdings erreichbar ist.

Anmerkung: Und es setzt voraus, dass der Patient bereit ist in diese Behandlung einzusteigen und mitzuarbeiten. Denn auch wenn die entzündlichen Prozesse gestoppt werden können, die Erkrankung ist eine lebenslang chronische und ohne Medikamente setzt der Entzündungsprozess in aller Regel rasch wieder ein.

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Quellen:

¹ www.vielgesundheit.at – die MedizinMediathek
² Entzündliches Rheuma: Vom ersten Arztbesuch zur Diagnose (Rheumaliga Schweiz)

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Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

Linktipps

– Rheuma | Krankheitslexikon
– Rheuma hat viele Auslöser
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