Volkskrankheit Migräne: auch immer mehr Kinder betroffen

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Volkskrankheit Migräne auch bei Kindern im Vormarsch

Laut jüngstem Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO stellen Kopfschmerzen und Migräne die weltweit am weitesten verbreitete, zugleich aber am meisten vernachlässigte Gesundheitsproblematik dar. Die Österreichische Schmerzgesellschaft hält zudem fest, dass durch mangelhafte Diagnose und verspätete Behandlung die Betroffenen nicht nur unnötig leiden, sondern auch beträchtliche Zusatzkosten für die Gesellschaft entstehen. Europaweit werden pro Jahr wegen Migräne bei Erwachsenen fast 190 Millionen Krankenstands-Tage und bei Kindern beständig steigende Fehlzeiten in der Schule registriert.


Volkskrankheit Migräne: auch immer mehr Kinder betroffen – Artikelübersicht:

„Kopfschmerz und Migräne sind sehr weit verbreitet, werden jedoch nicht ausreichend anerkannt, diagnostiziert und behandelt“, so der Linzer Primar Christian Lampl, Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft. „Nur bei einer Minderheit der Betroffenen wird eine angemessene Diagnose gestellt. Weltweit behandeln zirka 50 % der Betroffenen ihre Migräne selbst, ohne sich an einen Arzt zu wenden. Nur 10 % suchen einen Neurologen auf.“

Zeitgleich wird das Ausmaß, das Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen annimmt, heutzutage immer noch unterschätzt. Zahlen der Medizinischen Universität Wien zufolge haben bereits 60 bis 80 Prozent der Kinder in westlichen Ländern mindestens einmal in ihrem Leben Kopfschmerzen gehabt. Drei bis fünf Prozent aller Drei- bis Elfjährigen leiden an Migräne, Mädchen gleich oft wie Jungen. Erst in der Pubertät bis zum Alter von 18 Jahren steigt die Anzahl der betroffenen Mädchen gleichzeitig mit den hormonellen Veränderungen auf zwölf Prozent an, während es bei den Jungen sieben Prozent sind.

Kopfschmerzen und Migräne bei Kindern

Kopfschmerzen bei kleinen Kindern sind nicht leicht festzustellen. Kleinkinder können oft nicht formulieren, dass sie Schmerzen haben, sondern weinen, quengeln oder sind sehr unruhig. Erst ab dem Schulalter sind Kinder in der Lage, ihre Schmerzen als Kopfschmerzen zu bezeichnen. Kopfschmerzen führen zum Teil dazu, dass Schulkinder sich plötzlich nicht mehr konzentrieren können oder Schwierigkeiten haben, ihre Hausaufgaben zu machen.

Stress, Überforderungen und Prüfungsangst können zu einer Verspannung der Muskulatur im Schädelbereich und zu Schlafstörungen führen und verstärken dadurch das Auftreten von Kopfschmerzen. Treten die Kopfschmerzen sehr häufig auf, sind sie sehr stark und lang anhaltend, kann dies wiederum zu wiederholtem Schulausfall und regelmäßiger Schmerzmitteleinnahme führen. Hinzu kommt oft mangelndes Verständnis der Lehrer und Mitschüler, die das betroffene Kind mitunter als Simulanten abstempeln, da Migräne keine nach außen hin sichtbare Erkrankung ist.

Neben Stress, Überforderung, Reizüberflutung oder seelischen Belastungssituationen und der daraus resultierenden erhöhten Spannung der Kopf- und Nackenmuskulatur können bei Kindern auch Sehfehler, Entzündungen oder Kieferfehlstellungen zu Kopfschmerzen führen. Verzögerte Mahlzeiten können ebenfalls Migräne auslösen, wenn der Blutzuckerspiegel zu sehr absinkt. Kritisch sind auch unregelmäßige Schlaf- und Wachzeiten, Wetterumschwünge, Hitze, schwüle Luft oder bestimmte Nahrungsmittel (etwa Kuhmilch, Koffein, Schokolade und Farb- und Konservierungsstoffe). In manchen Fällen liegt auch eine familiäre Veranlagung vor.

Klagt das Kind über häufige, starke Kopfschmerzen, kann das ein deutlicher Hinweis auf Migräne sein. Oft schmerzt der ganze Kopf, nicht nur eine Seite wie bei Erwachsenen. Anders als bei Erwachsenen sind die Anfälle deutlich kürzer, machen sich aber viel häufiger durch typische Begleitsymptome wie Übelkeit und Erbrechen sowie Licht- und Geräuschempfindlichkeit bemerkbar, auch Kreislaufstörungen und Schwindel können auftreten.

„Die Erkrankung sollte unbedingt von einem Arzt abgeklärt werden. Er kann eine Therapie empfehlen, die auf das Kind zugeschnitten ist“, so Lampl. Oft verordnet er ein schmerzstillendes Medikament, das den Höhepunkt der Attacke mildert. Bei sehr starken Attacken oder wenn normale Schmerzmittel nicht wirken, können Jugendlichen ab zwölf Jahren moderne Migränemittel (Triptane) verordnet werden.

Aber auch nicht-medikamentöse Behandlungsansätze sind – je nach Ausprägung der Kopfschmerzen – bei Kindern gut wirksam, etwa ein kühles, feuchtes Tuch auf Stirn oder Nacken oder eine sanfte Massage mit Pfefferminzöl. Dem Kind tut es auch gut, in einen ruhigen, abgedunkelten Raum gebracht zu werden. Ein ausgeglichener Lebensstil und ausreichend Schlaf kann bei Kindern die Häufigkeit und Stärke von Kopfschmerz-Attacken reduzieren. Ganz wichtig ist es auch, die auslösenden Faktoren der Migräne zu erkennen und zu meiden.

Wird eine Migräne nicht frühzeitig und wirksam behandelt, besteht ein erhöhtes Risiko einer Chronifizierung der Schmerzen, von Schmerzmittel-Missbrauch und daraus resultierend von schwierig zu behandelnden, durch die Medikamente ausgelösten Kopfschmerzen.

Botox als Hoffnungsträger für Patienten mit chronischer Migräne

In Österreich leiden etwa 10 Prozent der Bevölkerung unter Migräne, wobei Frauen etwa dreimal häufiger betroffen sind als Männer. Eine chronische Migräne liegt vor, wenn Patienten aktuell an mehr als 15 Tagen pro Monat an Kopfschmerzen leiden, die mehr als 4 Stunden andauern und Migräne-Charakter aufweisen.

„In der Vorbeugung der chronischen Migräne wirkt kaum eine der verfügbaren Behandlungen. Deshalb sind aktuelle Forschungsergebnisse erfreulich, die positive Effekte von Injektionen mit Botulinumtoxin (Botox) in geeignete Muskelpartien des Kopfes, Gesichts und Nackens belegen“, so Primarius Lampl anlässlich der 11. Österreichischen Schmerzwochen. Aktuelle Studienergebnisse zeigen für Botox eine signifikante Reduktion der Kopfschmerztage pro vier Wochen von minus 8,5 Tagen und der Migränetage von minus 8,2. Bei Placebo betrug die Reduktion minus 6 bzw. minus 6,2 Tage.

„Wenn man das weitgehende Fehlen sonstiger Optionen berücksichtigt, könnte Botox für bestimmte Patientengruppen eine Hilfe darstellen“, so Lampl. „Auf welche Patienten das zutrifft, muss in weiteren Studien untersucht werden.“

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Quelle: Österreichische Schmerzgesellschaft (ÖSG)

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