Anaphylaktischer Schock | Medizinlexikon

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Anaphylaktischer Schock; Schockbehandlung

Der Anaphylaktische Schock ist die generalisierte Form der Anaphylasie, welche eine Überempfindlichkeitsredaktion eines sensibilisierten Organismus nach Wiederkontakt mit dem betreffenden Antigen darstellt.


Es handelt sich um somit eine Form des Kreislaufversagens, die auf einer überschüssigen Reaktion des Körpers auf ein Allergen basiert, auf das die Person sensibilisert wurde, d.h. allergisch ist.

Medizinlexikon: Anaphylaktischer Schock – Artikelübersicht:

Am häufigsten tritt diese Schockform nach Insektenstichen (z.B. Bienen, Wespen etc.) auf, aber auch nach Genuß von allergieauslösenden Nahrungsmitteln oder Medikamentengaben kann ein anaphylaktischer Schock auftreten.

Ursache

Voraussetzung für die anaphylaktische Reaktion ist immer die vorangegangene Sensibilisierung des Organismus, d.h. der Körper muss früher bereits einmal mit der Substanz in Kontakt gekommen sein und das Immunsystem muss mit Antikörperbildung und Allergiebereitschaft reagiert haben.

Die Häufigkeit der Kontakte mit der allergenen Substanz korreliert jedoch nicht mit der Schwere der Reaktion!

Beim anaphylaktischen Schock kommt es aufgrund der überschießenden Abwehrreaktion des Körpers mit massiver Ausschüttung von Histamin und anderen Mediatoren zur Erweiterung der Blutgefäße in der Peripherie und somit zu einem “Versacken” des Blutes z.B. in den Armen und Beinen, das nun im Körperzentrum den lebenswichtigen Organen wie Herz, Lunge und Hirn fehlt.

Durch den Blutdruckabfall im Schock kommt es zur Ausschüttung von Adrenalin, welches die Herzfrequenz steigert und die kleinen Blutgefäße engerstellt, so dass es nun zur vorübergehenden sog. “Kreislaufzentralisation” kommt, d.h. der Körperkern wird nun verstärkt mit Blut versorgt, um die Durchblutung von Herz und Hirn zu gewährleisten.

Durch die verschiedenen Mediatoren und das Histamin tritt jedoch Flüssigkeit aus den Blutgefäßen in das Gewebe aus, es kommt zum Flüssigkeitsmangel, die Organversorgung bricht zusammen, es kommt zum Herz- Kreislaufstillstand.

Anaphylaktische Reaktionen stellen zwar insgesamt seltene, aber potentiell akut lebensbedrohliche Situationen dar. Insektengifte, Penicillin und andere Antibiotika, Rheumamittel, Narkotika, Kontrastmittel und Nahrungsmittel sind die häufigsten Auslöser.

Da der anaphylaktisch Schock eine akut lebensbedrohliche Situation darstellt muss er sofort (not)ärztlich behandelt werden!

Symptome & Erste Hilfe

Gegen die Gifte der Insekten können sich nach wiederholten Stichen Allergien vom Sofort-Typ entwickeln. Ein einziger Stich löst dann kollapsartige Beschwerden, wie Blutdruckabfall, Fieber, Schwindel, Atemnot, Brustenge, Kopfschmerzen und Ausschlag aus. Brennen und Jucken auf und unter der Zunge, im Rachen, in Handtellern und unter den Fußsohlen sind eindeutige Hinweise auf einen anaphylaktischen Schock.

Die Symptome der allergischen Reaktion reichen von lokalen Hauterscheinungen bis zum Herz-Kreislauf-Stillstand. Die im folgenden beschriebenen Einzelsymptome können auftreten und durchlaufen werden. Frühe Symptome sind Hautreaktionen, Juckreiz, Quaddelbildung oder die Ausbildung eines Lidödems.

Daneben kommt es zu Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Brechreiz, akuter Atemnot, Konzentrationsstörungen und Sehstörungen. Im weiteren Verlauf treten die typischen Symptome eines Schocks auf, d.h. der Puls wird flach und schnell und die Bewusstlosigkeit kann eintreten. Es ist jedoch ebenso möglich das eine allergische Reaktion binnen Minuten das Vollbild mit Herz-Kreislauf-Stillstand erreicht.

Zögern Sie deshalb bei einem drastischen Verlauf keine Sekunde und alarmieren Sie sofort die Rettung bzw. den Notarzt und teilen Sie auch gleich Ihre Vermutung (anaphylaktischer Schock) telefonisch mit – der Arzt kann sich so bereits vorbereiten und vor Ort schneller Hilfe leisten.

Medikament der Wahl beim allergischen Schock (im Vollbild) ist Adrenalin – hierdurch werden die Blutgefäße wieder tonisiert. Soweit vorhanden wird stark verdünntes Adrenalin gespritzt, das die Gefäße verengt und die Atmung erleichtert. Falls notwendig kann mit einer Sauerstoff-Maske eine erhöhte Menge Sauerstoff zugeführt werden.

Alternativ zur Infusion kann unverdünntes Adrenalin über die Sauerstoff-Maske mit einem sogenannten Vernebler im Sauerstoff vermischt als sog. bronchiale Applikation verabreicht werden.

Daneben wird Kortison (zum Entzündungsstopp) als Infusion gegeben, zusätzlich sorgen Infusionen mit physiologischer Kochsalzlösung für eine Erhöhung des Blutdrucks (schwere anayphylaktoide Reaktionen machen gelegentlich die Gabe von 2-3l Flüssigkeit in 20-30min notwendig). Die Gabe von Sauerstoff gehört ebenfalls zu den Erstmaßnahmen, dazu werden Antihistaminika verabreicht um die Symptome der allergischen Reaktion weiter zu mindern.

Notfallspritze

Patienten, die bekanntermaßen allergisch auf Bienenstiche reagieren, besitzen häufig ein Notfallset, mit dem der allergische Schock direkt behandelt werden kann.

Es gibt einerseits ein Adrenalin-Pumpspray, das inhaliert wird, zum anderen ist ein automatischer Adrenalin-Injektor zur intramuskulären Applikation auf dem Markt. Beide Systeme sollten vom Arzt oder Apotheker erläutert werden, damit im Notfall die richtige Handhabung gewährleistet ist. Der Spray ist auch für kleine Kinder geeignet, während der Injektor nur bei Erwachsenen und Kindern mit mehr als 45 kg Körpergewicht angewendet werden darf.

Bereits seit einigen Jahren ist in Österreich ein Adrenalin-Injektor (etwa Epi-Pen®) auf dem Markt, den der Allergiker bei Bedarf vom Arzt verschrieben bekommt und den der Betroffene jederzeit griffbereit bei sich tragen muss. Dieser so genannte „Autoinjektor“ enthält den Wirkstoff Adrenalin, der bei allergischen Reaktionen kreislaufstabilisierend wirkt.

Die Notfallspritze wird vom Patienten bei ersten Anzeichen einer starken allergischen Reaktion selbst oder von Begleitpersonen außen am Oberschenkel angesetzt, durch den Mechanismus des Injektors wird dann das Adrenalin in der richtigen Menge automatisch injiziert.

Die Handhabung ist sehr einfach und kann nach entsprechendem Training selbst von Kindern alleine ohne Probleme durchgeführt werden. Durch den Wirkstoff Adrenalin wird eine Überreaktion des Immunsystems verhindert. Noch bevor der Notarzt zur Stelle ist, kann damit eine wirksame Erste-Hilfe-Maßnahme gesetzt werden, die lebensrettend sein kann.

Leben mit Insektengiftallergie

So gefährlich eine Insektengiftallergie auch ist, sie ist gleichzeitig jene Allergieform, die zu beinahe 100 Prozent geheilt werden kann. Mittels Allergieimpfung werden seit vielen Jahren erstklassige Ergebnisse erzielt. Studien zeigen, dass bei rund 98 Prozent der Patienten, die über einen Zeitraum von rund drei Jahren mit der spezifischen Immuntherapie gegen Insektengiftallergie behandelt wurden, keine oder nur mehr sehr geringe Reaktionen auf das Bienen- und Wespenallergen zeigen.

Die Wirkung hält viele Jahre an und kann immer wieder aufgefrischt werden. Die Allergieimpfung wird nach eingehender Diagnose vom Facharzt oder im Allergieambulatorium durchgeführt. Die Therapiekosten werden von den Krankenkassen übernommen.

Tipps für Insektengift-Allergiker

  • Bewegen Sie keine alten Äste oder Baumstücke – denn Wespen haben dort oft ihr Nest.
  • Verzichten Sie auf Parfums, Haarsprays, stark parfümierte Cremes und Seifen, Rasierwasser und andere parfümierte Kosmetika.
  • Tragen Sie keine weiten, fliegenden Kleider und keine schwarze oder farbig gemusterte Kleidung. Besser sind weiße, grüne oder hellbraune Stoffe.
  • Vorsicht im Biergarten, beim Grillen oder Picknick. Genießen Sie im Freien besser keine süßen Speisen, Bier, Obstsäfte und Limonaden. Getränke immer gut verschließen!
  • Gehen Sie im Freien nie barfuß. Vorsicht auch am Sandstrand, denn Wespen nisten im Boden.
  • Halten Sie Abfalleimer und Mülltonnen stets gut geschlossen.
  • Meiden Sie Orte, an denen Tiere gefüttert werden, z. B. Zoo.
  • Halten Sie beim Autofahren die Fenster geschlossen.
  • Helm und Handschuhe sind für Motorradfahrer Pflicht.

Richtiges Verhalten im Notfall

  • Tragen Sie in den Sommermonaten die vom Arzt verordneten Notfallmedikamente immer bei sich.
  • Informieren Sie Ihre Familie, Kollegen und Freunde über Ihre Allergie und was im Notfall zu tun ist.
  • Gehen Sie als Insekten-Allergiker nach einem Stich nie alleine zum Arzt, Sie könnten bewusstlos werden.
  • Fragen Sie Ihren Arzt nach der Allergieimpfung als langfristig wirksame Therapieform.

Allergischer Notfall – Interview mit Ass. Prof. Tamar Kinaciyan und Univ. Prof. Zsolt Szépfalusi

 

Weitere Filme finden Sie unter www.vielgesundheit.at


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Linktipps

– Insektenstiche: Wespen, Bienen und Hornissen
– Wissen um die Allergie
– Allergie-Corner: Infos von A bis Z
– Vorsicht bei Insektenstichen

Zur Information: Diese Informationen wurden – im Sinne mündiger Patienten – für interessierte Laien eingerichtet. Keinesfalls dürfen sie als Ersatz für medizinsche Beratung und Hilfe seitens qualifizierten Personals aus dem jeweiligen Fachbereich angesehen oder eingesetzt werden. Kontaktieren Sie bei Beschwerden jedenfalls den Arzt Ihres Vertrauens!

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