Epilepsie | Krankheitslexikon

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Epilepsie

Krankheiten mit epileptischen Anfällen sind seit langem bekannt. Zahlreiche, zum Teil irreführende Bezeichnungen wie “Die heilige Krankheit”, “Krankheit der Besessenen”, “Krankheit der unsauberen Geister und Dämonen”, “Krankheit der Fallsucht” usw. wurden im Lauf der Jahrhunderte für diese Krankheit verwendet. Diese Bezeichnungen spiegeln die zahlreichen Vorurteile wider, mit denen Epilepsien behaftet sind.


Was ist Epilepsie wirklich?

Epilepsie ist eine häufige neurologische Erkrankung, unter der etwa 2 Prozent der Bevölkerung leiden. Charakteristisch sind wiederkehrende Anfälle, bei denen es zu unkontrollierten elektrischen Entladungen im Gehirn kommt. Das kann sich auf unterschiedliche Art auswirken. Grundsätzlich gibt es generalisierte und sogenannte fokale Anfälle.

Generalisierte Anfälle betreffen das gesamte Gehirn. In den meisten Fällen verliert der Betroffene plötzlich das Bewusstsein und fällt unter Krämpfen zu Boden. Der Anfall, auch “grand mal” genannt, dauert meist ein bis zwei Minuten, gefolgt von bis zu 15 Minuten Bewusstlosigkeit. Nach dem Anfall können extreme Erschöpfung aber auch Verwirrung Stunden bis Tage anhalten. Bei den Absencen, auch “petit mal” genannt, kommt es nur zu einer vorübergehenden Bewusstseinstrübung (“Abwesenheit”) unter Umständen begleitet von leichten Muskelzuckungen. Diese Anfälle treten besonders häufig bei Kindern auf.

Fokale Anfälle betreffen nur einzelne Bereiche des Gehirns. Sie können sich auf unterschiedlichste Art und Weise äußern. So können Betroffene plötzlich unwillkürliche, von ihnen selbst nicht steuerbare Bewegungen ausführen. In manchen Fällen kommt es zu komplizierten Handlungsabläufen, an die nach Ende des Anfalls keine Erinnerung besteht.

Menschen mit fokalen Anfällen können sich beispielsweise in Züge setzen und verreisen, ohne sich anschließend erinnern zu können, wie sie an den Ort, an dem sie wieder aufwachen, gekommen sind. Bei allen fokalen Anfällen ist eine sekundäre Generalisierung, also ein Übergehen in einen generalisierten Anfall, möglich.

Epileptische Anfälle können verschiedenste Ursachen haben. Zum einen gibt es die Epilepsie als eigenes Krankheitsbild. Dabei löst ein leichter Kurzschluss in einem bestimmten Areal des Gehirns die Anfälle aus. Daneben können aber auch andere Erkrankungen, wie beispielsweise Gehirntumore, zu epileptischen Anfällen führen. Auch Alkohol oder Drogenmissbrauch oder Schlafentzug über längere Zeit können zu Anfällen führen.

Wie entsteht ein epileptischer Anfall?

Im Gehirn des Menschen finden sich eine Unzahl einzelner Nervenzellen. Diese Nervenzellen sind miteinander durch zahlreiche Verbindungen verknüpft und stehen in laufendem Kontakt miteinander. Dieser Kontakt entsteht durch elektrische Stromstöße, die über die Nervenbahnen ablaufen.

Im normalen Gehirn des Menschen sind Faktoren, die zu Stromstößen führen (erregende Impulse) in einem geregelten Verhältnis zu Faktoren, die Stromstöße vermindern (hemmende Impulse). Während eines epileptischen Anfalls ist dieses Gleichgewicht gestört.

Die erregenden Impulse bekommen die Oberhand, einzelne Nervenzellen und Nervenzellverbände produzieren laufend und ungebremst Stromstöße. Diese vermehrte Hirnzelltätigkeit (“Hirngewitter”) führt dazu, dass die normale Aktivität des Gehirns sich in verzerrter, gesteigerter Form zeigt (abnorme Bewegungen, Krämpfe, abnorme Gefühle und Wahrnehmungen, abnormes Denken, Bewusstseinsstörungen).

Diagnose

Viele Menschen haben einmal in ihrem Leben irgendeine Form eines epileptischen Anfalls. Das kann in der frühen Kindheit passieren, aber auch später im Leben, ausgelöst durch bestimmte Umstände (etwa hohes Fieber). Wiederholen sich diese Ereignisse, besteht allerdings Verdacht auf Epilepsie. Um zu einer verlässlichen Diagnose zu kommen, müssen zunächst alle anderen möglichen Ursachen für den Anfall ausgeschlossen werden.

Dazu gehört zunächst einmal eine gründliche Durchuntersuchung, sowie eine Röntgenuntersuchung des Gehirns mittels Computertomographie. Wird dabei keine andere Krankheit festgestellt, so liegt höchstwahrscheinlich Epilepsie vor. Aufschluss bringt in den meisten Fällen die Aufzeichnung der Gehirnströme (EEG). Sie zeigt an, wenn in bestimmten Bezirken des Gehirns elektrische Störungen auftreten, die Anfälle auslösen können. Man bezeichnet solche Bereiche als epileptischen Herd. Allerdings gibt es auch Fälle von Epilepsie, bei denen die Hirnströme zwischen den Anfällen völlig normal aussehen.

Ursachen

Ein immer größer werdender Teil kann als sogenannte symptomatische Epilepsie erkannt werden, das heißt, der Arzt ist in der Lage, das Hirnleiden mittels seiner Untersuchungen zu diagnostizieren und unter Umständen auch ursächlich zu behandeln.

Mit Fortschritten in der Medizin, zuletzt der Kernspinuntersuchung des Gehirns, wird der Anteil der symptomatischen Epilepsien immer größer. Solche Ursachen sind z. B. Zustände nach Hirnentzündungen, nach Hirnverletzungen, bei Durchblutungsstörungen, bei Stoffwechselstörungen, bei Tumoren usw. Alles, was das Gehirn chronisch stört, kann auch zu Epilepsien führen.

Neben den symptomatischen Epilepsien gibt es auch solche, bei denen erbliche Faktoren mitspielen. Diese sogenannten idiopathischen, d. h. erblich mitbedingten, Epilepsien sind diejenigen, die medikamentös am besten zu behandeln sind. Vor allem sind es die altersabhängigen kleinen Anfälle des Kindesalters, die hierher gehören. Fortschritte in der Untersuchung der genetischen Faktoren zeigen, dass nicht die Neigung zu Anfällen als solche vererbt wird, sondern dass es ganz spezielle Erkrankungen sind.

Neben den Epilepsien, deren Ursachen bekannt sind (symptomatische Epilepsien) und denjenigen, bei denen ein Erbfaktor gesichert oder vermutet wird (idiopathische Epilepsien), gibt es natürlich auch Epilepsien, bei denen die Ursache unbekannt bleibt (kryptogene Epilepsien). Bei vielen dieser kryptogenen Epilepsien kann eine Ursache nur vermutet, aber nicht bewiesen werden.

Behandlung

Moderne Medikamente erlauben heute den meisten Epileptikern, ein weitgehend normales Leben zu führen. Der Facharzt muss für jeden individuellen Patienten das richtige Präparat und die richtige Dosierung herausfinden. Das kann einige Zeit dauern und mehrfachen Medikamentenwechsel bedeuten. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle lässt sich damit aber weitgehende Anfallsfreiheit erreichen.

Epileptikern, die nicht auf Medikamente ansprechen, kann in vielen Fällen mit einer Gehirnoperation geholfen werden. Dabei wird jener, meist recht kleine, Bereich des Gehirns, der die Anfälle auslöst, entfernt. Wer operiert werden kann und soll, muss in langwierigen und aufwändigen Diagnoseverfahren an einer entsprechend ausgerüsteten neurochirurgischen Klinik untersucht werden.

Informationsstellen und Institute:

EZR – Epilepsiezentrum Rosenhügel
2. Neurologische Abteilung des Neurologischen Zentrums Rosenhügel
Vorstand: Prim. Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. Christoph Baumgartner
1130 Wien, Riedelgasse 5
Tel.: 01/88 000-257

Epilepsie Dachverband Österreich
1170 Wien, Wichtelgasse 55/17-20
Tel./Fax: 01/489 52 78
E-Mail: [email protected]
Internet: www.epilepsie.at

Selbsthilfegruppen:

ÖIFAK – Österreichische Interessensgemeinschaft für Anfallkranke
Obfrau: Lieselotte Grössing-Soldan
1170 Wien, Wichtelgasse 55/17-20
Tel./Fax: 01/489 52 78

EIAK – Elterninitiative für anfallkranke Kinder und Jugendliche
1110 Wien, Kaiserebersdorfer Straße 79/10/38
Tel.: 0650/813 37 37
E-Mail: [email protected]
Internet: www.eiak.at

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