Kampf dem Übergewicht: Sport angeblich kaum hilfreich

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Kampf dem Übergewicht

Zu diesem doch sehr überraschenden Schluß kommen jedenfalls drei britische Wissenschaftler in einer im April 2015 veröffentlichten Studie. Damit erschüttern sie für Abnehmwillige die beiden goldenen Regeln: Gesündere Ernährung und mehr Bewegung. Zumindest letzteres haben die Experten nun als “gefährlichen Mythos” bezeichnet: Ihrer Ansicht nach bringt Sport zur Gewichtsreduktion gar nichts. Was steckt hinter der provokanten These?


Der Kampf gegen die Fettleibigkeit scheint weltweit verloren: Die Zahl der Übergewichtigen wächst immer weiter. Der Österreichische Ernährungsbericht 2012 weist 40 Prozent der 18-64 Jährigen als übergewichtig aus, wobei zwölf Prozent davon adipös sind. Besonders alamierend: bereits 24 Prozent der 7-14 jährigen Schulkinder waren übergewichtig oder adipös (fettleibig).

Adipositas-Welle scheint unaufhaltsam

In Deutschland sind die Zahlen ähnlich: hier leben statistischen Erhebungen von 2014 zufolge rund 400.000 Menschen, die unter extremer Adipositas leiden, d.h., die einen Body-Mass-Index zwischen 50 und 60 haben.

Als übergewichtig gelten Menschen ab einem BMI von 25 und ab einem BMI von 30 ist von Adipositas die Rede. Einen BMI von über 30 bringen laut der Statistik schon 4,2 Millionen Deutsche auf die Waage – Tendenz steigend. Auch Kinder und Jugendliche werden demnach immer dicker: Von den Sieben- bis Zehnjährigen gelten 15 Prozent als übergewichtig, von den 14- bis 17-jährigen 17 Prozent. Experten stehen der Adipositas-Welle hilflos gegenüber. Und nun stellten britische Forscher auch noch fest, dass Sport gar nicht die erhoffte Wirkung hat.

Ungesunde moderne Ernährung mit Zucker und Kohlenhydraten

Die drei Forscher Aseem Malhotra, Tim Noakes und Stephen Phinney veröffentlichten einen Beitrag im “British Journal of Sports Medicine”, der weltweit für Aufmerksamkeit sorgte. Sie stellen darin eine einfache Rechnung auf: Obwohl sich die Bewegungsgewohnheiten der Menschen in den letzten 30 Jahren nur geringfügig geändert hätten, breite sich Fettleibigkeit wie eine Epidemie aus. Daran alleine lässt sich schon ablesen, dass Bewegung nicht unbedingt der Schlüssel zum Abnehmen sei, sondern eher die Art und Anzahl der konsumierten Kalorien.

In der BBC präzisierte der Kardiologe Malhotra: “Mir macht Sorgen, dass der Öffentlichkeit die Botschaft nahegelegt wird, man könne essen, was man wolle, solange man Sport macht. Das ist unwissenschaftlich und falsch. Man kann einer schlechten Ernährung nicht davonlaufen. Übergewichtige Menschen müssen kein bisschen Sport machen, um abzunehmen, sie müssen einfach weniger essen.”

Die Forscher kritisieren in diesem Zusammenhang die Lobbyarbeit der Lebensmittelkonzerne: Diese haben erreicht, dass Menschen nicht mehr zwischen unterschiedlichen Kalorienarten unterscheiden. Dabei sei erwiesen, dass vor allem die moderne Ernährung mit viel Zucker und Kohlenhydraten schädlich für die Gesundheit sei.

Das oft verteufelte Fett sei dagegen viel gesünder als oft behauptet. Falsche Ernährung führe nicht nur zur Übergewicht, sondern auch zu Bluthochdruck, Stoffwechselstörungen und Fettleber. Ihren Studien zufolge breiten sich diese Krankheiten auch bei Normalgewichtigen aus, obwohl sie allgemein mit Übergewicht assoziiert werden.

Sport führt nicht automatisch zu Gewichtsverlust

Die Forscher stellen die gesundheitsfördernde Wirkung von Sport dabei außer Frage: Bewegung trage viel dazu bei, die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Demenz und Diabetes zu senken. Allerdings könnte Bewegung nicht beim Abnehmen helfen, wenn zugleich die ungesunde Ernährung beibehalten wird.

Dies leuchtet ein: Wie viele Menschen “belohnen” sich nach einer Stunde Schwimmen oder einer Joggingrunde mit einem fettigen Abendessen vom Imbiss oder einem Stück Kuchen? Schließlich macht der Sport hungrig und dann fällt es schwer, anschließend auch noch einen leichten kalorienarmen Salat zu essen.¹

Dazu kommt: „So wie Kalorie nicht gleich Kalorie ist, ist auch Bewegung nicht gleich Bewegung. Ein gemütlicher Spaziergang am Sonntag ist zwar noch besser als zuhause auf der Couch zu sitzen, führt aber kaum zur Kalorienverbrennung und selbst eine halbe Stunde Jogging verbrennt weit weniger Kalorien als viele annehmen: Bei moderatem Tempo gehen gerade einmal 300 Kalorien verloren.

Wer bei einem täglichen Kalorienbedarf von 2000 und einem tatsächlichen Konsum von 3000 Kalorien also eine halbe Stunde täglich joggt, tut sich zwar etwas Gutes, führt sich aber dennoch mehr Kalorien zu als er benötigt. Dass dann die Pfunde nicht purzeln, liegt auf der Hand.”²

Wirksame Therapien gegen Fettleibigkeit sind noch fern

Die Wissenschaft steht dem Phänomen Fettleibigkeit weiterhin hilflos gegenüber. An der Vanderbilt University in den USA wurde nun erfolgreich mit genmanipulierten Bakterien experimentiert: Die Forscher veränderten Bakterien vom Stamm E.Coli so dass sie einen appetithemmenden Wirkstoff produzierten.

Dieser Wirkstoff, der dem Gehirn normalerweise eine Nachricht sendet, dass der Magen voll ist, fehlt manchen Leuten: Sie essen immer weiter, weil sie kein Völlegefühl verspüren. Im Experiment wurden diese genetisch veränderten Bakterien Mäusen eingepflanzt: Diese nahmen in den folgenden Wochen 15 Prozent weniger Gewicht zu als eine Vergleichsgruppe, die die gleiche Nahrung erhielt aber keine Bakterien eingepflanzt bekommen hatte.

Ob diese “Designer-Darmbakterien” irgendwann auch für den Menschen in Form einer Pille erhältlich sein werden, ist jedoch fraglich: Schließlich setzt sich die menschliche Darmflora aus Millionen unterschiedlichen Mikroorganismen zusammen, deren Zusammenspiel bis heute nicht wirklich erforscht ist. Außerdem sei möglich, dass die natürlichen Mikroben den “Eindringling” bekämpfen und ausschalten.

Dazu stellt sich dann die Frage, ob die Einnahme von genmanipulierten Bakterien wirklich besser ist als ganz einfach die eigene Ernährung besser zu kontrollieren und öfter mal die Chips Tüte im Schrank zu lassen.

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Quellen:

¹ It is time to bust the myth of physical inactivity and obesity – British Journal of Sports Medicine (A. Malhotra1, T. Noakes, S. Phinney)
² Jan Liefers (www.121doc.com.ch)

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Fotocredit: rangizzz (© Shutterstock)

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