Interstitielle Cystitis – die chronische Blasenentzündung bleibt meist unerkannt

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Interstitielle Cystitis

Wenn die Blase ständig Alarm schlägt ist vielleicht nicht eine normale Blasenreizung der Grund, sondern vielmehr eine interstitielle Cystitis, also eine chronische, nicht bakterielle Entzündung der Harnblase. Da bei ihr kein Krankheitserreger zu finden sind, wird bei den Betroffenen häufig eine Reizblase vermutet und das eigentliche Krankheitsbild übersehen. Patienten mit Interstitieller Cystitis warten daher oft jahrelang auf die richtige Diagnose, eine wirksame Therapie und mehr Lebensqualität.


IC: chronische Blasenentzündung – Artikelübersicht:

Interstitielle Cystitis: Krankheitsbild

Interstitielle Cystitis (IC) ist eine chronische nicht-bakterielle Blasenentzündung, die für die Patienten mit schweren Einschränkungen der Lebensqualität einhergeht. Ständiger Harndrang, häufiges Wasserlassen (in Extremfällen bis zu 60 bis 100 Mal pro Tag) und starke Schmerzen im Unterbauch quälen die Patienten. In fortgeschrittenen Stadien können sich Geschwüre und eine Schrumpfblase ausbilden, die zur operativen Entfernung der Harnblase zwingen.

Obwohl die Symptome oberflächlich betrachtet der einer Reizblase sehr ähnlich sind, ist die Blase bei einer interstitiellen Cystitis jedoch nicht nur gereizt, sie ist tatsächlich entzündet. Allerdings ist bei der interstitiellen Cystitis nicht der Innenraum der Blase mitsamt Schleimhaut entzündet, sondern das Gewebe der Blasenwand mit Muskeln und Bindegewebe. Dieses Gewebe kommt normalerweise nicht mit dem Harn in Berührung, daher können auch keine Bakterien im Harn festgestellt werden.

Aus diesem Grund wird die interstitiellen Cystitis zumeist erst sehr spät erkannt. Dann ist die Entzündung oft schon weit fortgeschritten und die Patientin hat einen langen Leidensweg hinter sich, wenn endlich feststeht, dass es sich um eine interstitielle Cystitis handelt.

Krankheit mit hoher Dunkelziffer

Die Interstitielle Cystitis gehört zur Gruppe der “Seltenen Erkrankungen”. Schätzungen gehen von 5.000 Betroffenen in Österreich aus, verlässliche Studien dazu fehlen. Lazar: “Die Dunkelziffer ist hoch. Wenn ich skandinavische Studien auf Österreich umlege, dann müssen wir von 500 Betroffenen pro 100.000 Menschen in der Bevölkerung ausgehen. Das wären in Österreich 40.000 IC-Fälle, und das erscheint mir durchaus realistisch.” so Dr. Dara Lazar, Fachärztin für Urologie in Wien.

Doch nach wie vor gilt die interstitielle Zystitis (IC) auch unter Urologen als sehr seltene Erkrankung. Wenn man die Inzidenzzahlen großer epidemiologischer Studien aus den USA betrachtet, wird klar, dass die Dunkelziffer weit höher ist als bisher angenommen.

IC kann grundsätzlich bei Männern und Frauen jeden Alters und jeder Herkunft auftreten. Mit einem Anteil von bis zu 90% sind Frauen allerdings deutlich häufiger betroffen als Männer. Besonders häufig tritt die Krankheit zwischen dem 40. und 55. Lebensjahr auf. Vereinzelt sind auch Kinder betroffen.

Zu den häufigsten Symptomen zählen:

  • häufiger und schmerzhafter Harndrang
  • geringer Harnmenge je Toilettengang
  • Schmerzen im Unterleib
  • Blasenschwäche

Auffällig ist, dass eine Reihe von Erkrankungen übernormal häufig in Kombination mit der Interstitiellen Cystitis auftritt. Dazu gehören: Fibromyalgie, Sjögren-Syndrom, Polyneuropathie, Migräne.

Dr. Dara Lazar: “Die Ursachen der IC sind bis heute nicht vollständig geklärt. Wir gehen jedoch davon aus, dass Defekte in der Blasenschutzschicht (GAG-Schicht) am Krankheitsgeschehen beteiligt sind. Diese kleidet das Innere der Harnblase aus und schützt sie vor reizenden Stoffen im Urin. Diese GAG-Schicht bildet eine natürliche Barriere, die verhindert, dass Inhaltsstoffe des Urins in tiefere Blasenwandschichten eintreten und nervale Reize auslösen können. Eine defekte GAG-Schicht verursacht letztlich die Schmerzen, aber auch Ödeme und schließlich die chronische Entzündung.”

Jahrelanger Leidensweg bis zur Diagnose

Typische Blasenentzündungen werden im Allgemeinen durch Bakterien verursacht und daher erfolgreich mit Antibiotika behandelt. Die IC wird im Unterschied dazu nicht durch Bakterien verursacht, kann auch nicht durch eine Untersuchung des Urins diagnostiziert werden und spricht nicht dauerhaft auf die Therapie mit Antibiotika an. Lazar: “Die Patientinnen – es sind überwiegend Frauen – haben oft eine lange Leidensgeschichte hinter sich, bis sie endlich die Diagnose IC bekommen. Davor werden sie oft jahrelang erfolglos mit Antibiotika oder mit Antimykotika behandelt oder einfach als besonders schmerzempfindlich oder psychisch überlastet abgetan.”

Tatsächlich ist die IC im Anfangsstadium schwierig zu diagnostizieren, da objektive Befunde fehlen. Alle Laboruntersuchungen einschließlich der Urinuntersuchung sind normal. Die Diagnosestellung erfolgt deshalb zunächst mittels Ausschlussdiagnostik durch Ausschluss von anderen Erkrankungen, die ähnliche oder gleiche Beschwerden verursachen, für die es aber gesicherte Diagnoseverfahren gibt.

Der Verdacht auf IC kann sich alleine aus der klinischen Symptomatik ergeben. Typisch sind zystitische Beschwerden ohne Nachweis eines infektiösen Erregers: imperativer Harndrang, Pollakisurie, Nykturie, Schmerzen, die sich mit der Blasenfüllung verstärken, oft auch nach völliger Blasenentleerung andauern, urethrales Brennen, aber auch genitale Schmerzen bis zur sexuellen Funktionsstörung Dyspareunie.

Bei Verdacht wird zum Nachweis einer IC eine Blasenspiegelung vorgenommen, um die Diagnose zu erhärten. Die Blasenspiegelung zeigt in diesen Fällen Einrisse der Blasenschleimhaut mit Blutungen. Die mikroskopische Untersuchung des Blasengewebes zeigt im fortgeschrittenen Stadium der IC typische Veränderungen. Wenn die Blase bei dieser Spiegelung durch eine Kochsalzlösung gedehnt wird, entstehen nämlich punktförmige Schleimhautblutungen, die typisch für interstitielle Cystitis sind.¹

Behandlungsmöglichkeiten

IC ist kausal noch nicht behandelbar. Meist wird die IC symptomorientiert therapiert und je früher sie diagnostiziert wird, desto besser sind die Therapieerfolge. Grundsätzlich ist der Verzicht auf Substanzen mit schädigendem Einfluss (sogenannte Noxen) indiziert: manche Nahrungsmittel, z.B. Kaffee oder Produkte aus Zitrusfrüchten, können die IC-typischen Beschwerden verstärken. Deshalb ist für die Patienten eine genaue Selbstbeobachtung der Ernährungsgewohnheiten wichtig.

Auch übertriebene Intimhygiene sollte unterlassen werden, da der Gebrauch von Intimlotions, Deodorants im Intimbereich die vaginale Döderlein-Flora zerstört. An ihrer statt wird die Vagina mit Fremdkeimen und Pilzen besiedelt. Dann benötigt es oft nicht einmal sexueller Aktivität bis diese Fremdkeime ihren Weg in die Blase finden.

Zudem gibt es Medikamente, die die geschädigte GAG-Schicht der Blase wieder herstellen sollen. Sie werden oral oder lokal durch Instillation (Injektion mithilfe eines Katheters direkt in die Blase) in die Harnblase verabreicht:

Hyaluronsäure
• Chondroitinsulfat
• Kombination aus Chondroitinsulfat und Hyaluronsäure
• Pentosanpolysulfat-Natrium
• DMSO (Dimethylsulfoxid)

Als Standardtherapie für alle, auch fortgeschrittenere Stadien der IC, ist die Instillation von 40 mg Hyaluronsäure 1 x wöchentlich sowie von 300 mg Polyanion SP 54 (oder 10.000 IE Heparin) + 5 mg Isoptin (nicht bei Blasenentleerungsstörungen bzw. hypo-akontraktilem Detrusor!) 2-3 x pro Woche anzusehen.²

Dr. Lazar setzt bei der Behandlung ihrer IC-Patientinnen auf die Kombination von Schmerztherapie und Instillationstherapie. Dabei wird eine 0,2-prozentige Chondroitinsulfatlösung mit einem kleinen Katheter lokal in die Blase eingebracht. Chondroitinsulfat ist ein natürlicher Bestandteil der GAG-Schicht. Dieser legt sich wie ein flüssiges Pflaster auf die defekten Stellen und baut die wichtige Blasenschutzschicht vorübergehend wieder auf. Die Beschwerden werden gelindert, die Lebensqualität der Patienten verbessert. Außerdem sorgt die Instillation von Chondroitinsulfat dafür, dass sich die Blasenschleimhaut erholen und regenerieren kann.

Gegen die Schmerzen können mitunter auch nichtmedikamentöse Methoden helfen, wie Autogenes Training, Akupunktur, TENS, Muskelrelaxation nach Jakobson, Massagen oder Gymnastik.
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Quellen:

¹ Initiative Versorgungsforschung IC, ICA-Deutschland – Förderverein für Interstitielle Cystitis
² Univ.-Prof. Dr. Gero Hohlbrugger, Urolog. Univ.-Klinik, Innsbruck

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

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Linktipps

– Was tun bei Harninkontinenz?
– Blasenentzündung | Krankheitslexikon
– Gesundheitsratgeber: Interstitielle Cystitis
– Antibiotikaresistenz: wenn Antibiotika nicht mehr wirken

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