Hepatische Enzephalopathie: Diagnose, Therapie

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Hepatische Enzephalopathie – Diagnose, Therapie

Die hepatische Enzephalopathie ist eine Funktionsstörung des Gehirns, deren kennzeichnende Symptome Verwirrtheit und gelegentlich auch intellektueller Abbau, Störung der Persönlichkeit und der sogenannte Flapping Tremor, ein grobschlägiges Zittern der Arme, sind. Im zweiten Teil unseres Beitrags über die hepatische Enzephalopathie widmen wir uns den therapeutischen Möglichkeiten dieser als Folge von akuten und chronischen Lebererkrankungen auftretenden Störung.


Die mannigfaltigen Ursachen und vielfältigen möglichen Auslöser einer hepatischen Enzephalopathie weisen schon darauf hin, dass es sich dabei um ein schwierig zu klassifizierendes und komplex zu behandelndes Zustandsbild handelt. Dennoch hat sich in der Medizin, ausgehend von den möglichen Ursachen, eine Unterteilung in drei Typen nach der sogenannten „Vienna Classification“ durchgesetzt:

  • Typ A (bei Akutem Leberversagen):

Hier kommt es – meist bei jungen Patienten, die ein höheres Gehirnvolumen besitzen – zu hohen Ammoniakkonzentrationen im Blut. In weiterer Folge bilden sich hohe Mengen an Glutamin in den Zellen, dieses zieht Wasser an und das Gehirnvolumen vergrößert sich (Hirnödem). In Extremfällen kann es zum Einklemmen des Gehirns in der Schädelkapsel und dadurch zum Hirntod durch Stillstand der Durchblutung kommen. Diese dramatischen Folgen sind oft nur durch eine Lebertransplantation innerhalb weniger Stunden oder Tage zu verhindern, sodass eine frühzeitige Erkennung eines ungünstigen Verlaufs sehr wichtig ist. Seit vielen Jahren werden die sogenannten King’s College Kriterien dafür verwendet; hohe Ammoniakkonzentrationen sind eine mögliche Vorhersagemethode für ein Hirnödem.

  • Typ B (von bypass)

Diese Form tritt dann auf, wenn ein „portosystemischer Shunt“ die Pfortader mit der Hohlvene oder anderen venösen Gefäßen verbindet, womit das zu entgiftende Blut die Leber umgeht. Hier ist definitionsgemäß keine Lebererkrankung vorhanden; ein portosystemischer Shunt kann z. B. angeboren, erworben oder chirurgisch angelegt sein, was früher beim Pfortaderhochdruck mit Erweiterung von Venen in der Speiseröhre erfolgte.

  • Typ C (bei Leberzirrhose – engl. liver cirrhosis)

Hier handelt es sich um jene Form, die am häufigsten ist und die bei Leberzirrhose auftritt. Ursachen der Enzephalopathie sind sowohl Mangel an funktionierender Leberzellmasse, ein Pfortaderhochdruck mit Umgehungskreislauf sowie bakterielle Infektionen oder weitere schwere Organversagen.

Diagnose und Tests

Die hepatische Enzephalopathie wird hauptsächlich durch Übertritt erhöhter Ammoniakkonzentrationen ins Gehirn hervorgerufen, wo u. a. die Bildung der Aminosäure Glutamin erfolgt. Die Messung der Ammoniakkonzentration im Blut ist leider fehleranfällig, wenn sie nicht sofort erfolgt und bildet daher nicht überall eine Diagnosemöglichkeit der HE. In der Regel vergehen Stunden bis Tage, bis Ammoniak und andere Faktoren eine manifeste Störung der Gehirnfunktion verursachen, sodass hohe Ammoniakkonzentration den Symptomen der HE oft vorausgehen können.

Die Medizin bedient sich daher für die Diagnose in erster Linie psychometrischer Tests, die zum Teil aus der Alkoholforschung stammen. Bei diesen Tests wird untersucht, ob die Koordination von visuellen und motorischen Aktivitäten im Gehirn gestört ist. Hauptsächlich zur Anwendung kommen Papier-Bleistift-Verfahren wie der Zahlenverbindungstest: Der Patient wird dabei aufgefordert, auf einem Papier verstreute Zahlen in der richtigen Reihenfolge zu verbinden.

Eine andere erprobte Methode ist der Flimmerfrequenztest, bei dem Patienten mit einem flimmernden Lichtpunkt konfrontiert werden, der zunächst so schnell flackert, dass dies als Dauerlicht erscheint. Erst mit dem Absenken der Frequenz wird das Flimmern registrierbar. Gesunde erkennen dies bereits bei über 40 Flimmervorgängen pro Sekunde, Patienten mit entsprechender Gehirnstörung hingegen halten das Licht zumeist auch bei wesentlich geringerer Frequenz für Dauerlicht.

Messtechnische und bildgebende Verfahren finden ergänzende, jedoch keineswegs allgemein verbreitete Anwendung bei der Diagnosestellung der hepatischen Enzephalopathie. Hinweise geben jedenfalls Veränderungen im EEG, wo bei HE-Patienten eine Verlangsamung der Hirnwellen festgestellt werden kann. Das EEG liefert auch die Diagnose für epileptische Krampfanfälle, die im Zuge einer hepatischen Enzephalopathie auftreten können. Neuere Methoden von wissenschaftlichem Interesse sind z. B. der Einsatz von PET und spezielle Sequenzen der Magnetresonanztomographie des Gehirns.

Therapiemöglichkeiten bei hepatischer Enzephalopathie

Die wichtigste Maßnahme zur Behandlung der hepatischen Enzephalopathie ist die Beseitigung der zugrunde liegenden Ursachen bzw. der Auslöser. Oft steht dabei die Behandlung einer Alkoholkrankheit im Vordergrund.

Für die Akutbehandlung des Patienten kommen mehrere Methoden in Betracht, die zunächst unspezifisch auf eine rasche Verbesserung des Zustands abzielen:

  • Flüssigkeitszufuhr

Bei bereits eingetretenem Leberkoma gilt es, den in den Stunden zuvor fast immer entstandenen Flüssigkeitsmangel auszugleichen. Neben der Infusion von Kochsalzlösungen werden dabei bei schwerem Albuminmangel häufig Albumininfusionen verabreicht, die sich günstig auf die Wiederherstellung der Kreislauf- und Gehirnfunktion auswirken können.

  • Antibiotika

Nachdem die Standard-Laborwerte bei Leberpatienten oft nur unzureichende Aufschlüsse geben, gehen Ärzte davon aus, dass Patienten mit einer hepatischen Enzephalopathie fast immer bakterielle Infektionen aufweisen. Eine häufige Ursache ist eine sogenannte spontan-bakterielle Peritonitis (Bauchfellentzündung), die in weiterer Folge auch zum Nierenversagen führen kann. Da das Auftreten einer hepatischen Enzephalopathie ein Hinweis für das Vorliegen einer solchen Entzündung darstellen kann, wird in der Regel ein Antibiotikum eingesetzt, vor allem nach einer Blutung aus dem Magen-Darm-Trakt. Diese Strategie konnte auch die Gesamtsterblichkeit der schweren Komplikationen reduzieren.

  • Endoskopische Blutstillung

Besteht der Verdacht, dass die Enzephalopathie durch eine Darmblutung mit daraus folgendem Anstieg der Ammoniakkonzentration im Blut ausgelöst wurde, kommt eine endoskopische Kontrolle in Betracht. Bei diesem Eingriff können gegebenenfalls blutstillende Maßnahmen ergriffen werden.

Spezifische Therapiemöglichkeiten

Die spezifischen Maßnahmen bei Patienten mit hepatischer Enzephalopathie zielen zumeist darauf ab, die Produktion von Ammoniak einzuschränken, oder die Entgiftung von Ammoniak zu fördern.

  • Nicht resorbierbare Disaccharide

Nicht resorbierbare Disaccharide (Lactulose, Lactitol) sind synthetische Zucker, die vom menschlichen Dünndarm nicht aufgenommen werden. Dadurch stehen sie im Dickdarm für bakterielle Gärungsprozesse zur Verfügung, die einen sauren pH-Wert im Darm erzeugen. Dieser senkt die Konzentration des freien, gasförmigen Ammoniak im Darminneren ab und verhindert damit den Übertritt von Ammoniak ins Blut.

  • Nicht resorbierbare Antibiotika

Nicht resorbierbare Antibiotika werden dem Patienten verabreicht, um dafür zu sorgen, dass sich gewisse ammoniakbildende Bakterien im Darm nicht so stark vermehren können. Somit soll bereits über den bakteriellen Stoffwechsel bewirkt werden, dass weniger Ammoniak aus dem Darm ins Blut transportiert wird. Die Antibiotika verbleiben meist im Darm und werden nicht in andere Organe transportiert. Ein derzeit häufig eingesetztes Präparat ist Rifaximin.

  • L-Ornithin-L-Aspartat („Hepa-Merz“)

Wenn Ammoniak bereits freigesetzt wurde, besteht eine weitere mögliche Strategie in der Verabreichung von L-Ornithin-L-Aspartat, entweder bei Akutfällen als Infusion oder bei chronischer Belastung in Form eines Granulats, das der Patient oral einnimmt. Der Wiener Leberspezialist Prof. Ludwig Kramer dazu: „Es ist belegt, dass das Absenken von Ammoniak durch L-Ornithin-L-Aspartat mit einer geringeren Häufigkeit von Enzephalopathie und einem besseren Abschneiden bei psychometrischen Tests verbunden ist.“

  • Dialyse

Bei sehr hohen Konzentrationen von Ammoniak und einem sonst stabilen Patienten ist es auch möglich, Ammoniak mittels Dialyse (Blutwäsche) zu entfernen. Diese Methode wird jedoch aufgrund zahlreicher begleitender Komplikationen bei Leberzirrhose selten angewandt. Andere Möglichkeiten der Leberunterstützung durch Blutreinigung (Albumindialyse, Plasma-Adsorption) werden derzeit in Studien untersucht.

Nächste Folge: Richtige Ernährung bei Lebererkrankungen

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Linktipps

– Informationen zur hepatischen Enzephalopathie
– Hepatitis
– Leber | Medizinlexikon
– Leber (Mann) | Körperatlas
– Fettleber

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