Gefahrenquelle Wattestäbchen: So wird das Ohr richtig gereinigt

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Wattestäbchen, Q-Tips, Gehörgang

Q-Tips oder Wattestäbchen – jeder kennt sie und fast jeder hat sie zu Hause, meist zur Unterstützung der Ohrenreinigung. Dies, meinen Ohrenärzte scherzhaft, bringe ihnen mehr Kundschaft als alles andere. Und auch aus einem anderen Grund waren die umstrittenen Stäbchen kürzlich in aller Munde. Doch wie funktioniert richtige Ohrenreinigung? Hier unsere Tipps.


Gefahrenquelle Wattestäbchen – Artikelübersicht:

Das Wattestäbchen ist seit seiner Erfindung vor über 80 Jahren in fast jedem Haushalt zu finden. Das kleine „Werkzeug“ wurde vom Amerikaner Leo Gerstenzang zur Reinigung der Ohren von Babys erfunden. Und es ist bis heute, neben vielen anderen Einsatzgebieten, für die Reinigung des Ohres in Verwendung.

Dies, obwohl inzwischen auf den meisten Packungen ein Warnhinweis angebracht ist, wonach sich Q-Tips nicht zur Reinigung des Ohres eignen. Konsumenten lassen sich jedoch davon nicht erschüttern, der kleingedruckte Hinweis „nicht in den Gehörgang einführen“ hält kaum jemanden davon ab, mit dem Wattestäbchen im Gehörgang zu hantieren.

Denn Ohrenschmalz (Cerumen bzw. Zerumen) wird gemeinhin als unappetlitich und abstoßend betrachtet, ist doch weithin unbekannt, wie wichtig es für die Gesundheit und für die einwandfreie Funktion des Ohres ist. Ohrenschmalz wird durch die Ohrenschmalzdrüsen im Gehörgang produziert. Es unterstützt die Selbstreinigung des Ohres und sorgt für die Befeuchtung des Gehörgangs. Gemeinsam mit Hautschuppen, Schmutz und Bakterien wird es durch die Flimmerhärchen und Haarbalgdrüsen in Richtung Gehörausgang transportiert.

Folgen: Von schmerzhafter Entzündung bis Schwerhörigkeit

Das Reinigen mit dem Wattestäbchen bringt – entgegen der üblichen Erwartung – normalerweise ganz und gar nicht den gewünschten Erfolg. Statt das Ohrenschmalz aus dem Gehörgang zu entfernen, wird dieses nur noch weiter in den Gehörgang hineintransportiert. Dort kann es dann für Probleme sorgen, wenn es eintrocknet und sich verhärtet. In weiterer Folge kommt es häufig zum Eintrocknen weiter Bereiche des Gehörganges, was sich durch starkes Jucken bemerkbar macht.

Als Gegenmaßnahme kann man in diesem Fall vorsichtig mit dem Finger ein wenig Fettcreme in den Gehörgang einbringen. Auch wenn die Reibung im Ohr mit dem Wattestäbchen durch die damit verbundene Stimulation des Vagusnerves für ein angenehmes Gefühl sorgt, sollte das Jucken keinesfalls wieder mit einem Wattestäbchen bekämpft werden, denn damit verstärkt man den begonnenen Teufelskreis, und das Ohr trocknet noch mehr aus.

Video – Wattestäbchen benutzen oder nicht?

Ohrenentzündung als Folge der Reinigung

Schmerzhaft wird es, wenn sich der Gehörgang entzündet, da der Schmutz und andere Eindringline im Ohr vom Ohrenschmalz nicht mehr abtransportiert werden können und ein Nährboden für Bakterien entsteht. Eine solche Entzündung ist mit sehr starken Schmerzen im Ohr verbunden, ein Besuch beim HNO-Arzt wird unabdingbar. Im schlimmsten Fall drückt das verhärtete Ohrenschmalz auf das Trommelfell, und dieses hochempfindliche Häutchen wird verletzt.

„Durch Wattestäbchen wird das Zerumen in die Gegenrichtung bis vor das Trommelfell geschoben. Der Selbstreinigungsmechanismus wird dadurch blockiert. Dringt etwa beim Duschen Wasser in das Ohr ein, kann der Pfropfen aufquellen und den Gehörgang komplett verschließen. Die Folgen sind akuter Hörverlust, Ohrenschmerzen oder Tinnitus.“, so Dr. Heinz Peter Slatin vom Österreichischen Roten Kreuz. Schwerhörigkeit kann im Ernstfall Folge der unsachgemäßen Ohrenpflege sein. Zudem besteht durch die harten Spitzen unter der Watte der Q-Tips Verletzungsgefahr für den Gehörgang.

Ohren säubern – aber wie?

Wie reinigt man nun seine Ohren am besten? Mit Spülsets, Pumpen, Ohrenhaken, Büroklammern, Ohrenkerzen oder anderen Werkzeugen? Die Antwort ist ganz einfach: Am besten gar nicht! Eben durch seine Selbstreinigungsfunktion ist es gar nicht notwendig, das Ohr zu säubern. Mit Wasser und Seife die Ohren äußerlich waschen, ist freilich erlaubt, vor allem, wenn der Gehörgang schon von außen gelblich schimmert und damit unappetitlich aussieht.

Eine einfache Regel lautet: Alles, was man mit dem kleinen Finger erreicht, kann man entfernen, weiter sollte man jedoch nicht ins Ohr eindringen, auch nicht mit einem Wattestäbchen. Sollte man dennoch auf Q-Tips zur Reinigung nicht verzichten wollen, dann sollte man auch dieses nicht weiter, als man mit dem kleinen Finger in den Gehörgang hineinfahren kann, einführen. Dies gilt insbesondere für Babyohren: Diese dürfen ausschließlich an der Außenseite ganz vorsichtig mit in Öl getränkten Wattestäbchen geputzt werden.

Besonders schwerwiegende Folgen kann es haben, sich mit dem Kugelschreiber, Stricknadeln oder anderen Werkzeugen ins Ohr zu fahren: „Die Reinigung des äußeren Gehörgangs ist erstens überflüssig, weil dieser sich selbst reinigt, und zweitens gefährlich“, sagt Dr. Heinz Peter Slatin vom Österreichischen Roten Kreuz. Auch das eigenmächtige Spülen der Ohren kann böse enden. Ein zu hoher Druck birgt das Risiko in sich, das Trommelfell zu verletzen. Zudem kann das Gleichgewichtsorgan gereizt werden, und ein heftiger Schwindelanfall kann die Folge sein.

Zu viel Ohrenschmalz

Es gibt tatsächlich Fälle, in denen die Produktion an Ohrenschmalz ein zuträgliches Maß überschreitet. Wer an einer solchen übermäßigen Produktion von Ohrenschmalz leidet, leidet häufig auch unter einem eingeschränkten Hörvermögen, meist infolge eines Propfens, der den Gehörgang verschließt.

In diesem Fall sollte das Ohrenschmalz alle paar Monate vom HNO-Facharzt entfernt werden. Dies geschieht durch Ausspülen mit warmem Wasser oder Aussaugen mit Luft. Wattestäbchen setzt auch der Ohrenarzt für solche Zwecke nicht ein.

Trivia: Wattestäbchen als Helfer für die Polizei?

Ein ganz anders gelagerter Verwendungszweck von Wattestäbchen kam kürzlich ins Gerede der Öffentlichkeit: Bis vor kurzem sicherte die Polizei mit Hilfe spezieller Q-Tips DNA-Spuren von möglichen Tätern. Dabei kam es zu einer kuriosen Pannenserie. Aufgrund von DNA-Spuren auf zahlreichen Wattestäbchen, die zur Sicherung von genetischem Material verwendet wurden, fahndeten die Behörden jahrelang nach einer 40-jährigen, unbekannten Frau, dem „Phantom von Heilbronn“.

Schließlich stellte sich heraus, dass die Spuren von einer Frau in der Wattestäbchenfertigung stammten, deren Spuren so auf die Stäbchen gelangt waren. Dies sei, so die Herstellerfirma, bei der Produktion unvermeidbar.

[ameis]

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Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

Linktipps

– Ohrenschmerzen erkennen und behandeln
– Schwerhörigkeit – Schicksalsschlag für jung und alt
– Hörtests für Kinder
– Österreichische Gesellschaft für Hals- Nasen und Ohrenheilkunde